Diem Association

Carpe diem bekommt durch das Libra-Projekt eine zusätzliche Bedeutung – und was der Libra weltweit bereits bewirkt hat

Verkehrsschild mit Aufdruck Carpe Diem
Bild: DNY59 | Getty Images

Wenn der Tag genutzt und der Augenblick genossen werden soll: Libra setzt sich dazu und tauft sich symbolträchtig um auf Diem.

Ob mit der Namensänderung der Diem Coin in Zukunft ebenso intensiv genutzt und genossen wird wie der junge Tag, bleibt offen. Die Hoffnung schwingt mit, ist im Namen als Programm schon mal eingepackt und der neue Name soll "die wachsende Reife und Unabhängigkeit des Projekts signalisieren", wie Stuart Levey, CEO der Diem Association, sagt.

Was die Diem Association bisher erreicht hat

In erster Linie hat das Libra-Projekt, das jetzt unter der Flagge Diem segelt, eines geschafft: die Vision hat die Welt aufgeschreckt. Die politische Welt und auch jene der Zentralbanken. Die Vorstellung, dass eine digitale Währung als Stable Coin von Millionen oder sogar Milliarden Menschen weltweit genutzt werden könnte, hat Exponenten aus zahlreichen Lagern den Angstschweiss auf die Stirn getrieben und kalte Schauer über den Rücken gejagt.

In Diskussionen und Statements, die nicht durchwegs von übertriebener Sachlichkeit geprägt waren, ist wiederholt das Schreckgespenst des Untergangs der Finanz- und Währungssysteme an die Wand gemalt worden. Angeführt von den USA, sekundiert insbesondere von Deutschland, Frankreich und weiteren Staaten, hat man mit vereinten Kräften versucht, das Projekt zu bremsen und zu stoppen. USA-Finanzminister Steven Mnuchin ging Mitte 2019 so weit, das Thema Libra zur "nationalen Sicherheitsfrage" zu erklären. 

Dass über mögliche negative Auswirkungen eines Libra- oder Diem-Projekts diskutiert werden muss und regulierende Leitplanken notwendig sind, steht ausser Frage. Überrascht haben oftmals allerdings die Vehemenz der Diskussionen und die teilweise eher unsachliche Verteufelung zukunftsorientierter Projekte. Die zuweilen nahezu schon hysterischen Ablehnungsgebärden, Drohkulissen und Statements haben in der Folge auch positive Auswirkung gezeitigt:

Aufs Mal haben sich Politik und Zentralbanken vermehrt für das Thema der digitalen Währungen interessiert und über eigene Projekte einer digitalen Zentralbankwährung (CBDC) nachgedacht. Für zahlreiche Exponentent was das aus eigenem Antrieb nicht zu schaffen, offensichtlich war dazu eine weltumspannende Vision wie Diem als Trigger notwendig.

In diesem Zusammenhang hat das Schreckgespenst Diem inzwischen Gesellschaft bekommen durch den digitalen Yuan, der in China bereits in realen Märkten getestet wird. Diese chinesische Offensive macht Politik und Zentralbanken hüben und drüben zusätzlich Druck, unter anderen werden aktuell auch Pläne für einen digitalen Euro geschmiedet.

Wie es mit dem Diem-Projekt weitergeht

Mehrere abgeschossene Polit- und Unmuts-Pfeile haben auch die Schweiz getroffen, welche als Gastgeberland der Diem Association dem Projekt grundsätzlich offen gegenüberstand. Die Schweiz hat dem aufgebauten Druck nachgegeben, Ende 2019 hat Bundesrat Ueli Maurer unmissverständlich kommuniziert: "Die Schweiz kann Libra in der vorliegenden Form nicht bewilligen". Die Begründung dazu: "Die hiesigen Behörden seien an mehreren Treffen mit internationalen Vertretern vor diesem Schritt gewarnt worden".

Die frühere Libra Association hat ihre Pläne weiterverfolgt, hat das Projekt mehrfach überarbeitet, zahlreiche Konzessionen und Kompromisse gemacht und ist weiterhin entschlossen, den Diem unter neuer Flagge in Umlauf zu bringen. Ob und wann das der Fall sein wird, ist noch offen.

Die Diem Association hat zahlreiche Positionen personell neu und stark besetzt, wird in ihrer aktuellen Medienmitteilung aber nicht in den Details konkret. Abgesehen von der pauschalen Bekräftigung von Stuart Levey, die im Kern nur gerade das wiederholt, was schon längst bekannt ist:

Das Diem-Projekt wird eine einfache Plattform für Fintech-Innovationen bieten, damit Verbraucher und Unternehmen sofortige, kostengünstige und hochsichere Transaktionen durchführen können

Darüber hinaus unterstreicht die Diem Association, dass sie erst starten wird, wenn sie über alle behördlichen Genehmigungen und Lizenzen verfügt. Den Segen der FINMA hat sie noch nicht, man wäre in einem "aktiven und produktiven" Dialog, ist zu hören.

Derweil brodelt die Gerüchteküche 

Technologisch und personell dürfte das Diem-Projekt startklar sein, konkrete Termine stehen jedoch nicht fest. Mehrere internationale Medien berichteten in den letzten Tagen von einem möglichen Start im Januar 2021. Andere relativierten das Gebursdatumt des ersten Stable Coins, der an den US-Dollar angebunden sein soll, vorsichtig in Richtung von bald. 

Ähnlich positive Gerüchte ranken sich aktuell medial um den digitalen Euro, also die Antwort der EU auf den Diem. "Der E-Euro soll ab Mitte 2021 in vielen Regionen Europas getestet werden – und könnte schon 2022 im Einsatz sein", wurde da kolportiert, mit Bezug auf Informationen naher und eingeweihter Köpfe aus Zentralbankkreisen.

Mag auch die Europäische Zentralbank (EZB) unter Druck stehen, der deutsche Finanzminister Olaf Scholz auf eine schnelle Entscheidung drängen und die EZB-Präsidentin Christine Lagarde dem Projekt grundsätzlich sehr positiv gegenüberstehen, Fakt bleibt: die Konsultationen und Diskussionen sind erst am Laufen und ein Mammut-Projekt, hinter dem alle Zentralbanken der EU stehen sollten, wird sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Es dürfte dauern, bis ein E-Euro das Fliegen gelernt hat. Tempo wäre hier eine neue Tugend, die alle überraschen würde.

Fazit

Der Diem wird eher nicht im Januar 2021 starten und der E-Euro wird ganz sicher nicht bereits Mitte 2021 in "vielen Regionen Europas getestet werden" – zu diesem Zeitpunkt sollen erst grundsätzliche Entscheidungen seitens EZB fallen und bekanntgegeben werden. 

Ein Verdienst darf die Diem Association jedoch heute schon für sich beanspruchen: die Macherinnen und Macher haben neue Bewegung und sehr viel frischen Wind in die digitale Finanzwelt gebracht. Sie haben Bewahrer dazu gebracht, nicht nur zu verwalten und zu bewahren, sondern auch über die Zukunft nachzudenken. Im Resultat sind aus verschiedenen Richtungen Entwicklungen zu erwarten, welche die neue Bewegung auch in Zukunft am Leben erhalten könnten. 

Mit im Spiel der digitalen Erneuerer sind inzwischen auch die USA, die ebenfalls intensiver an einer digitalen Zentralbankwährung rumstudieren, jedoch noch meilenweit von wirklich konkreten Plänen entfernt sind.

Möglicherweise sind die relevanten Kräfte in den USA durch den erbitterten und aggressiven Kampf gegen den Diem und die Diem Association dermassen absorbiert worden, dass China inzwischen mit dem digitalen Yuan überholen konnte und den USA bisher keine Zeit geblieben ist, eigene Projekte in Angriff zu nehmen, welche die Position von Dollar und Nation festigen. Auch aus den USA dürften in nächster Zeit verstärkt Signale und Beiträge kommen, die dem digitalen Zahlungsverkehr neue und interessante Facetten bringen kann.