Was machen Sie und was macht Strategy&?
Persönlich habe ich zwei Spezialisierungen: Retailbanking auf der einen Seite und Payments auf der anderen. Beide Themen betreue ich seit gut 20 Jahren von der Beratungsseite.
Strategy& deckt dabei im PwC-Verbund und in unserem BXT-Ansatz insbesondere die geschäftlichen Themenstellungen (Business) ab, neben einer ausgewiesenen Kompetenz für Digital eXperience und Technologie. Wir nennen das BXT-Ansatz.
Was Payments betrifft, befasse ich mich stark mit digitalen Lösungen und Geschäftsmodellen. Welche technischen Trends sind relevant, wann sind sie relevant und wie kann ich das alles übersetzen, auf eine Art und Weise, dass Verbraucher und Unternehmen von komfortablen Echtzeitzahlungen mit Mehrwert profitieren können – und Europa endlich in Richtung bargeldlos marschieren kann.
Der Regulator betont in Europa richtungsweisend einen schnellen "Instant"-Zahlungsverkehr mit Datenhoheit bei Nutzern. Zu diesem entstehenden europäischen Modell gehört aber auch, Erlösquellen für Banken und Dienstleister zuzulassen. Daneben haben alle die Aufgabe, technische Möglichkeiten schneller und mutiger zu nutzen – Banken sind bisher nicht besonders gut darin gewesen, diese zu ihrem Vorteil zu nutzen. Ganz im Gegensatz zu den grossen Technologie-Anbietern wie Apple, Google, Facebook und weitere.
Und genau das ist meine Rolle. Dass die Incumbents genauso wie die Startups, welche wir auch beraten, ihre richtige Positionierung finden. Dass man die technischen Trends, welche meines Erachtens viel wichtiger sind als die regulatorischen, nutzen und für den Kunden einen guten Service entwickeln kann. Dies vor allem für Privatkunden, aber natürlich auch für Firmenkunden, mit welchen man am Ende des Tages schliesslich Geld verdient. Vielleicht nicht in jedem Fall kostendeckend, aber kostenlos darf nicht zur Regel werden.
Die PSD2 ist Realität, die Frage stellt sich jedoch: wird bei Kunden und bei Banken ein Umdenken stattfinden, bei dem Open Banking im Alltag gelebt wird?
Ein ganz klares Ja! Denn Open Banking ist schon längst da. Wir haben seit Jahren die Services wie jene von "Sofort" oder Numbrs oder Outbank, welche technisch per Screen Scraping auf das E-Banking der Kunden zugreifen. Banken bieten Multibanking seit der Einführung der Internetvorläufer BTX in Deutschland oder Minitel in Frankreich an. Speziell in Deutschland gibt es schon seit vielen Jahren die standardisierte HBCI/FinTS-Schnittstelle für Privatkunden. Open Banking ist insofern nicht grundlegend neu.
Neu wird jetzt allerdings technisch einiges anders sein. Ich kann mir heute per “Abo Alarm” meine Abonnements verfolgen lassen mit automatischem Kündigungsvorschlag oder ich kann mir eine Konto-Aggregation machen lassen. Das ist ein Standard, den heute schon die meisten Banken anbieten.
Was sich nun grundlegend verändert hat, sind zwei Dinge.
Dass ein standardisierter Zugang für Drittdienstleister gelegt werden muss als veröffentlichte Schnittstelle (API) ist tendenziell nachteilig für die Banken. Das schafft mehr Wettbewerb und wird noch zu der einen oder anderen Haftungsdiskussion führen. Wenn etwas schief geht, dürfte ich mich als Kunde eher an meine Bank wenden, die es dann mit dem Drittdienstleister (TPP) regeln muss – auch wenn dies so eigentlich nicht gedacht war.
Und das andere ist, dass die Bank damit kein Geld verdienen darf. Das bedeutet, dass die beiden Services, Kontoinformation und Zahlungsauslösedienst, kostenlos sein müssen.
Darüber hinaus gibt es sehr viele Anwendungsfälle, wie zum Beispiel im Kreditbereich oder im Wertschriftenbereich für Konten-Aggregation. Ein Service, den man bereits vor zwanzig Jahren gesehen hat, vor allem in den USA. Da gab es “Yodlee", ein Service vor allem für vermögende Kunden gedacht, um eine Konto-Aggregation zwischen verschiedenen Banken und Wertschriften-Depots zu machen.
Diese Ideen kamen dann nicht sofort zum Fliegen. Aber dadurch, dass wir nun sogar sanktioniert solche Services anbieten müssen, kann dies zu einem neuen Schub führen für meine Investment-Konten. Zum Beispiel habe ich hier ein Sparbuch, da mein Depot und dort vielleicht noch Termingelder. Das aggregiere ich alles zusammen und mache mir ein Look-Thru. Das heisst, zusammen mit anderen Quellen kann ich sagen, da ist mein Anlagefond, mit x Anteilen am US-Dollar, und weil der Dollar gestern gefallen ist, entscheide ich mich, heute günstig nachzukaufen. Dies bringt nicht nur dem Kunden einen Vorteil, sondern es ist auch eine MiFid-Anforderung.
Und die Sicht der Banken?
Wenn die Banken teilweise eine schlechte Sicht auf die verschiedenen Bankenprodukte haben und dazu gar keine Sicht auf die anderen Konten und Investments der Kunden, wie können sie heute einen Kunden überhaupt gut beraten?
Ich kann mir als Bank auch ein Set von bevorzugten Partnern zulegen, welchen ich einen kuratierten Zugang gebe. Das heisst, ich empfehle als Bank diese Partner direkt, weil ich sie geprüft und für gut befunden habe, und gebe ihnen zusätzliche Services, die ich anderen verweigere. Damit erhöhe ich meine Kundenbindung und biete meinen Kunden einen Mehrwert. Ob man hierfür als Bank Geld nehmen möchte oder diese verbesserte Bindung als Wert für die Bank sieht, wird dann jedes Haus für sich beurteilen müssen. Automatisch erhöhe ich die Sicht auf den Kunden und kann ihn somit besser beraten.
Zu beachten gilt es zudem, dass Services länderspezifisch sein werden. In UK eher die Raten-Sparpläne und Pensions (Altersvorsorgeprodukte), in der Schweiz vermutlich Wertschriften-Depots, in den USA Depots rund um den 401(k) und Steueroptimierung. In Deutschland werden vor allem Services im Kreditbereich gefragt sein, vielleicht rund um die Baufinanzierung. Und wie wär’s mit Hilfestellungen bei den Mieteinnahmen? Oder mit Vermietungsservices, inklusive Frühwarnsystem, wie lange der Mieter noch zahlen kann? Und natürlich Versicherungen, Strom- und Telekommunikations-Verträge – die gesamten finanziellen Flüsse eines Kunden, ob privat oder geschäftlich, lassen sich so optimieren.
Sie kennen sich in der Schweiz aus. Wird Open Banking auch in der Schweiz kommen?
Ja, Open Banking wird auch in der Schweiz kommen, denn es ist schlicht und einfach ein Kundenwunsch, der Kunde will es nutzen. Die Frage ist nur, wie gewähre ich als Bank den Zugang zum Konto?
In der Schweiz hat man die Chance, aus den EU-Erfahrungen zu lernen. Dazu gehört erstens eine Transparenz darüber, was der Drittdienstleister mit meinen Daten macht und wie solide der Dienstleister ist. Zweitens ein breiteres Spektrum an Services und enthaltenen Konten (wie in Grossbritannien, wo auch Kreditkonten unter die Open Banking-Regulierung fallen). Drittens die Haftungsfrage, die in der PSD2 zu unklar geregelt ist. Und viertens ein faires Erlösmodell auch für die Banken. Warum ist Roaming im Mobilfunk kostenpflichtig, der Zugriff auf die Konteninfrastruktur einer Bank aber nicht? Für die Schweiz ist es zudem ein Wert, wenn der Kunde sicher sein kann, dass Daten und deren Zugänge in einer sicheren Umgebung in der Schweiz sind.
Verschiedene Studien sagen immer wieder ein grosses Bankensterben voraus. Wie sehen Sie das?
Ich kenne diese Studien und kann und will quasi aus der Hüfte geschossen keine Prognosen machen.
Fakt ist, es gibt zwei Länder, welche überdurchschnittlich viele Banken haben, Italien und Deutschland. In Deutschland gibt es rund 1’800 Banken, das ist tatsächlich sehr viel. Umgekehrt die Schlussfolgerung zu ziehen, man müsse wie in Spanien oder Polen bloss 20 oder 50 Banken haben, kann ich allerdings ebenso wenig als volkswirtschaftlich angemessen bestätigen. Man darf auch nicht ausser Acht lassen, dass von den 1’800 Banken hierzulande um die 900 Genossenschaftsbanken und 380 Sparkassen sind, welche zwar eigenständig agieren, aber jeweils auf einem einzigen System laufen. Diese Bündelung gleicht andere Dopplungen mehr als aus, wenn man sich einschlägige Kennzahlen wie die Cost-Income-Ratio beispielsweise ansieht.
Zudem ist der deutsche Markt auch nicht so viel kompetitiver als stärker konzentrierte Märkte. In den Städten hat man vielleicht etwas mehr Auswahl. Aber auf dem Land ist es doch de facto so, dass man die Wahl hat zwischen zwei, maximal drei Banken, wenn es um wichtige Belange geht wie Hypotheken oder andere spezifische Dienstleistungen. Das ist nicht so unterschiedlich zur Schweiz. Da drängt sich schon auch mal die Frage auf, ob man zuweilen nicht sogar unterbesetzt ist mit Banken auf dem Land.
Werden SEPA Instant Payments zum Standard?
Ja. Ich bin da derselben Meinung wie viele meiner Kollegen, ab 2025 ist das normale SEPA (Valuta der Zahlung = am nächsten Tag) weg und Vergangenheit. Die Diskussion in vielen Panels und Gremien über Instant Payments ist allerdings exemplarisch. Es wird viel über Infrastruktur, aber zuwenig über Use Cases gesprochen. Zum Beispiel P2P ist ein Use Case, bei dem ich effektiv kein Geld verdiene, aber der Kunde braucht es. Wir alle haben Zahlungen von Kleinstbeträgen, welche wir austauschen wollen. Das funktioniert aber nur, wenn mindestens die grosse Mehrheit diesen Dienst nutzt, ähnlich wie in der Schweiz mit Twint. In Deutschland haben wir auch Beispiele. Diese sind aber jeweils bankenspezifisch und somit nicht kompatibel untereinander.
Was gibt’s noch? Bei Firmenkunden kann man das Working Capital optimieren, statt T+1 ist es sofort. Oder bei Versicherungen, welche die Police sofort freigeben wollen. Auch im Smart Grid Bereich, bei dem man über Nacht das Elektrofahrzeug auflädt und bezahlt, und dann tagsüber zum Beispiel an den Ampeln mittels Induktion wieder entlädt und Geld bekommt. Dazu braucht es allerdings auch die Blockchain mit Smart Contracts, denn das ist ein komplett neuer Anwendungsfall.
Oder Versicherung, Pay-per-Use. Ich miete ein Auto, bei der Fahrt über die Schweizer Grenze ist die Kaskoversicherung noch zum selben Preis drin. Fahre ich durch den Gotthard, ist sie ein bisschen höher, fahre ich jedoch nach Neapel, ist sie vielleicht fünf Mal so hoch. Und ich will den Kunden dafür effektiv jetzt chargen, denn vielleicht kommt er aus Italien ja ganz ohne Fahrzeug zurück.
Hier sollten noch sehr viel mehr Anwendungsfälle gefunden werden. Aber in den meisten Fällen wird es so sein, dass die langsame Zahlung einfach durch eine schnelle ersetzt wird, weil es wenig Sinn macht, beide Systeme gleichzeitig in Betrieb zu belassen.
Angenommen, Sie haben an einer Vorstandssitzung zwei Minuten Zeit, einer Grossbank drei wirklich gute Ratschläge zu geben – Ihre Vorschläge?
Ich fokussiere mal auf Deutschland. Bei Payments liegen die Herausforderungen in den meisten europäischen Ländern, vielleicht ausgenommen die nordischen, ähnlich. Es ist ja so, dass ich als Bank sehr wohl Geschäft mit Payment machen kann, wenn es genug bargeldlose Zahlungen gibt. Und da haben wir deutlich Nachholbedarf in fast allen Ländern – für eine Verdoppelung der bargeldlosen Zahlungen. Drei Stossrichtungen:
Erstens das Angebot einer einheitlichen P2P- und Ident-Lösung. Daran wird zwar gearbeitet aber leider an verschiedenen Stellen. Diese Probleme habt ihr in der Schweiz ja bereits gelöst. Paymit und Twint agieren unter Twint 2.0 und an der einheitlichen elektronischen ID seid ihr auch dran in diesem Konsortium von Grossbanken mit SBB und Post.
Zweitens das Schaffen einer europäischen Zahlungslösung auf Basis von Echtzeitzahlungen (Instant), die grenzüberschreitend und sowohl im stationären Handel und im e-Commerce funktioniert. Alle reisen, viele haben Freunde oder Geschäftspartner in anderen Ländern. Wenn wir hier in jedem Land was anderes machen, können wir niemals die Innovationskraft von Ländern wie den USA oder China erreichen.
Drittens eine gemeinsame Kampagne von Banken, FinTechs, Handel und öffentlicher Hand, um unbaren Zahlungsverkehr. Zahlungsverhalten ändert sich sehr langsam, umso mehr sind Vorteile und technische Novationen genauso zu erklären wie Sicherheitsbedenken auszuräumen. Hier hat die Branche eine Aufgabe nachzuholen, in manchen Ländern weniger, in Deutschland speziell mehr.
Was würden Sie einer kleinen Regionalbank mit auf den Weg geben?
Stärkung des Kontos. Immer noch ist es so, dass die Kontobeziehung der Kern der Kundenbeziehung ist. Obwohl in Zeiten von Negativzinsen weniger am Konto verdient wird, sind die Möglichkeiten hier nicht ausgeschöpft. Wenn es gelingt, mit dem Einverständnis des Kunden natürlich, aus den Kontoinformationen Ausgaben- und Sparverhalten der Kunden zu optimieren und praktische Hilfestellung zu geben, wird auch die Diskussion über Gratiskonten weniger entscheidend.
Für manche Regionalbank ist der Kontoertrag heute schon mehr als ein Drittel des Ertrags je Kunde – umso wichtiger, dies zu stärken und auszubauen. Der Zahlungsverkehr spielt dabei auch eine wichtige Rolle. Denn was der Kunde zwei bis drei Mal am Tag nutzt, bringt ihm die höchste Visibilität bei der Bank.
Welche Art von Bank wird die Bank der Zukunft?
Eine Kombination von beidem, persönlich und digital.
Ich kann mich natürlich auch nur für digital entscheiden, aber dann werde ich niemals den Ertrag pro Kunden erreichen wie bei der kombinierten Lösung, beispielsweise mit komplexen Hausfinanzierungen und ähnlichen Geschäften.
Laut einer Analyse kommen immer noch 60 Prozent der Kunden in die Filiale, um ein Konto zu eröffnen. Aber auch der grösste Teil der anderen 40 Prozent, der elektronisch ein Konto eröffnet, tut dies bei einer Bank, deren Filiale in seiner Nähe ist. Das sogenannte Fallback-Gefühl ist wichtig: ich könnte jederzeit persönlich vorbeigehen, wenn ich müsste.