Aber auch Themen wie Künstliche Intelligenz, Blockchain und Tokens werden den Schweizer Finanzplatz prägen. Wie, erklären drei Hochschuldozenten von HSLU, Uni Zürich und HWZ.
Interviews: Marc Landis
Aber auch Themen wie Künstliche Intelligenz, Blockchain und Tokens werden den Schweizer Finanzplatz prägen. Wie, erklären drei Hochschuldozenten von HSLU, Uni Zürich und HWZ.
Interviews: Marc Landis
Rino Borini leitet an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich den CAS-Lehrgang «Digital Finance», ausserdem ist der Unternehmer Verwaltungsrat des digitalen Vermögensverwalters Descartes Finance.
Geht es um Daten, sitzen Banken quasi vor einem wirren Haufen Spaghetti statt vor einer sauber geschichteten Lasagne
Rino Borini: Covid-19 hat viele eines Besseren belehrt: Sehr wohl geht Homeoffice, sehr wohl können Kunden via Remote-Tools betreut werden, sehr wohl sind Kunden offen für digitale Bankangebote. Dennoch, der physische Kontakt bleibt ein wichtiger Touchpoint. Es geht nun darum, Kundenerlebnisse stringent in eine Omnichannel-Welt zu führen, mit aller Konsequenz. Die zentrale Frage lautet aber: Beschleunigt Covid-19 die Digitalisierung oder den digitalen Wandel? Die Finanzindustrie muss in Ökosysteme eintreten, neue Geschäftsmodelle entwickeln und den Plattform-Gedanken fördern. Das heisst investieren in Ökosysteme, Technologie und Mensch – Letzterer ist ganz wichtig. Ob das richtige Mindset überall vorhanden ist, bezweifle ich, denn Digitalisierung ist nicht gleich digitale Transformation.
Künftig müssen Banken, basierend auf unseren Daten, sinnvolle Finanzlösungen liefern, die vorausschauend sind. Open Banking ist bereits da, und das ist ein globaler Trend. Doch Banken haben oft ihre Daten nicht wirklich im Griff. Daten sind aber die Basis für intelligente Algorithmen. Bildlich gesprochen: Geht es um Daten, sitzen Banken quasi vor einem wirren Haufen Spaghetti statt vor einer sauber geschichteten Lasagne. Zudem ist das richtige Mindset in einer digitalen Ära wichtig. Einfach sagen, wir machen jetzt bisschen Künstliche Intelligenz, wird nicht zum Erfolg führen. Es braucht ein komplett neues Setup innerhalb von Organisationseinheiten.
Wir sind am Anfang einer Entwicklung. Blockchain kann das globale Finanzsystem effizienter machen. Und Krypto-Assets wachsen langsam, aber kontinuierlich weiter. Es gibt jetzt schon viele professionelle Kunden, die in Krypto-Assets investieren. Aber es braucht sehr viel Zeit, bis die breite Masse dabei ist. Künftig gehören traditionelle und Krypto-Anlagen in einen holistischen Beratungsansatz. Spannend finde ich, wie Generation Z und die Jüngeren der Gen Y sich gegenüber Krypto verhalten. In den USA ist der Mobile-Payment-Dienst CashApp sehr beliebt und die verdienen bereits gutes Geld mit Bitcoin & Co. Zudem gibt es viele Plattformen im sogenannten Decentralized-Finance-Bereich. Nicht zu vergessen ist, dass Generation Y und Z kaum je eine Bankfiliale von innen gesehen haben.
Tokenisierte Assets bieten Kunden ganz neue Möglichkeiten im Umgang mit Vermögen. Immobilien, Luxusuhren, Gemälde etc. können in Tokens umgewandelt werden. Aber auch Kredite für KMU könnten einfacher über eine Token-Plattform abgewickelt und handelbar gemacht werden. Es entstehen ganz neue Geschäftsmöglichkeiten, super spannend für Finanzinstitute. Sogar ich habe einen eigenen Token. Wer Lust hat, kann diesen kaufen. :-)
Andreas Dietrich ist Institutsleiter am IFZ der Hochschule Luzern.
Kryptowährungen können interessant sein als neue Anlageklasse oder im Bereich der Auslandstransfers – in der heutigen Form werden Kryptowährungen selbst die Finanzindustrie aber nicht signifikant verändern
Andreas Dietrich: Die Coronakrise verstärkt und beschleunigt den bestehenden Digitalisierungstrend. Unter anderem hat es den Bereich des mobilen Bezahlens aber auch von kollaborativen digitalen Tools bestärkt. Auch innerhalb der Finanzinstitute (Zusammenarbeit, Meetings etc.) hat die Coronakrise aufgezeigt, in welchen Bereichen die Digitalisierung Nutzen stiften kann.
Der Umgang mit Daten gewinnt weiter sehr stark an Bedeutung. Eine clevere Nutzung der Daten erlaubt sowohl Ertragssteigerungen als auch Kosteneinsparungen. Des Weiteren können gewisse Risiken reduziert werden.
DLT kann in gewissen Bereichen der Verarbeitung und der Speicherung zu Effizienzverbesserungen und zu teilweise neuen Finanzmarkt- und Bank-Infrastrukturen führen. Kryptowährungen können interessant sein als neue Anlageklasse oder im Bereich der Auslandstransfers. In der heutigen Form werden Kryptowährungen selbst die Finanzindustrie aber nicht signifikant verändern.
Die Tokenisierung von traditionellen Assetklassen wie Bonds, Aktien etc. wird einen geringen Einfluss auf das Anlageverhalten der Investoren haben. Die Tokenisierung von Real Assets wie Immobilien, Oldtimern, Kunstobjekten oder Luxusgütern kann hingegen eine auch für weniger vermögende Kunden interessante neue Anlageklasse schaffen.
Thomas Puschmann ist Director Swiss FinTech Innovation Lab der Universität Zürich.
Digitale Währungen, die von Zentralbanken emittiert werden, erleben derzeit einen grossen Hype
Thomas Puschmann: Corona war ein Katalysator für die Digitalisierung und hat dazu geführt, dass Konsumenten plötzlich nur noch digital mit Unternehmen interagieren konnten. Es ist anzunehmen, dass die intensivere Nutzung digitaler Dienste in der Finanzindustrie noch weiter zunehmen wird.
Bei Künstlicher Intelligenz (KI) ist zwischen schwacher und starker KI zu unterscheiden. Während die schwache KI auf Software abzielt, die Teile menschlicher «Intelligenz» wie etwa das Auswerten von Daten, den Einsatz von Chatbots etc. ergänzt, hat die starke KI die vollständige Substitution menschlicher Intelligenz zum Ziel. Beispiele aus dem militärischen Bereich sind etwa Robotersoldaten. So könnte Software beispielsweise aus der Verknüpfung von Daten neue Dienstleistungen entwickeln (Produktentwicklung), diese bewerben (Marketing), an Kunden vertreiben (Verkauf), die Abwicklung dieser Produkte übernehmen (Zahlungs-, Wertpapier- und Kreditabwicklung) sowie die Verwaltung organisieren (Beschaffung bzw. «Ökosystem-Vernetzung», Personal bzw. «Avatarwesen», IT bzw. «KI» etc.). KI würde demnach eine Bank vollständig selbst organisieren.
Kryptowährungen haben sich als alternative Zahlungsinstrumente einen Namen gemacht. Allerdings ist deren Funktion als Wertaufbewahrungsmittel aufgrund der hohen Volatilität begrenzt. Digitale Währungen, die von Zentralbanken emittiert werden, erleben dagegen derzeit einen grossen Hype. So gibt es derzeit eine Reihe an Projekten wie beispielsweise von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zusammen mit der SNB und weiteren Nationalbanken. Voraussetzung sind Lösungen für digitale Identitäten und KYC. Blockchain generell ermöglicht die Reduktion von Intermediären sowie einen höheren Automatisierungsgrad entlang aller Produktkategorien im Zahlungs-, Anlage- und Kreditbereich. Die Beispiele reichen von Trade-Finance-Lösungen bis hin zu Peer-to-Peer-Versicherungen. Allerdings sind noch einige technische Probleme in den Bereichen Konsensusmechanismen, Performance und Governance zu lösen.
Das Anlageverhalten verändert sich vermutlich nicht durch Technologie. Allerdings bewirken neue Möglichkeiten auch neue Verhaltensweisen. Wenn es beispielsweise plötzlich möglich wird, als Privatinvestor direkt in tokenisierte Assets zu investieren, dann werden das einige Personen auch nutzen. Dasselbe gilt für institutionelle Investoren, die plötzlich in neue Anlageklassen investieren können. Grosse Veränderungen sind aber sicher in der Wertschöpfungskette der Finanzindustrie zu erwarten. Beispielsweise lassen sich Fonds einfacher und transparenter und mit weniger Akteuren gestalten, als dies bislang der Fall war. Dasselbe gilt auch für Versicherungsverträge, wenn diese vollständig über Smart Contracts digitalisiert werden.