Seit Monaten werden engagierte Diskussionen darüber geführt, ob Staaten strategische Bitcoin-Reserven anlegen sollen. Für Sinn oder Unsinn des Vorhabens gibt's Argumente zuhauf von Experten, welche die eine oder die andere Richtung unterstützen.
Unbestritten ist: Staatliche Bitcoin-Reserven können Vorteile bringen, bergen gleichzeitig aber auch erhebliche Risiken. Weniger noch wegen der hohen Volatilität. Diese ist kurz- und mittelfristig gegeben, langfristig hat der Bitcoin jedoch nicht nur ausgeglichen, er hat massiv zugelegt.
Das muss allerdings nicht auf Dauer so bleiben. Vor allem dann nicht, und das gehört zu den Risiken, wenn einmal angelegte staatliche Bitcoin-Reserven – warum auch immer – in grossen Tranchen auf den Markt geworfen werden.
Die strategische Bitcoin-Reserve von Staaten
Zum Thema der strategischen Bitcoin-Reserve sind vor allem die USA im Gespräch. Einerseits, weil der designierte US-Präsident Donald Trump der Idee positiv gegenübersteht. Und zum anderen, weil ein noch nicht verabschiedeter Gesetzesentwurf von US-Abgeordneten unter der Federführung von Senatorin Cynthia Lummis bereits vorliegt. Dieses Gesetz soll das US-Finanzministerium verpflichten, über einen Zeitraum von fünf Jahren durch den Kauf von 1 Million Bitcoins eine strategische Bitcoin-Reserve zu schaffen.
Sollte dieser Gesetzesentwurf mit Trumps Unterstützung durchgesetzt werden, hätte das enorme Auwirkungen auf die Entwicklung und den Kurs des Bitcoin. Zumal es nicht allein beim Vorhaben der USA bleiben würde, das Beispiel der Amerikaner würde Kreise ziehen.
Das zeichnet sich heute schon auch innerhalb der Vereinigten Staaten ab. In Pennsylvania, Florida, Texas, North Dakota und New Hampshire ist die strategische Bitcoin-Reserve Thema und wird in ihren Möglichkeiten ausgelotet.
Und auch ausserhalb der USA ist das Thema aufgegriffen worden. Eine staatliche Bitcoin-Reserve ist aktuell bereits in Brasilien, Südafrika, Venzuela und Hongkong mehr oder weniger konkret im Gespräch. Auch in Europa steht die staatliche Bitcoin-Reserve auf der Agenda von Politikern oder Zentralbanken, zum Beispiel in Tschechien und in Polen.
Auf EU-Ebene macht sich in diesen Tagen die französische EU-Abgeordnete Sarah Knafo für die Idee stark. Sie lehnt den digitalen Euro entschieden ab und sieht im Bitcoin die Lösung, um die Inflation zu begrenzen und die finanzielle Freiheit zu wahren.
In Deutschland heizt der glücklose Vorsitzende der FDP, Christian Lindner, die Debatte im Bundestag um eine Bitcoin-Reserve an, mit geringen Chancen. In der Schweiz plant eine Gruppierung um Bitcoin-Association-Switzerland-Vorstandsmitglied Yves Bennaïm eine Volksinitiative, welche die Schweizerische Nationalbank verpflichten soll, eine Bitcoin-Währungsreserve anzulegen.
Domino-Effekt mit Auswirkungen
Sollten die USA ihren Plan der strategischen Bitcoin-Reserve tatsächlich umsetzen, werden weitere Staaten dem Beispiel folgen. Das könnte in der Kumulation zu heftigen Kursbewegungen führen. Einerseits aufgrund der erhöhten Nachfrage, aber dieser "normale" und gewohnte Effekt wird durch einen weiteren Faktor verschärft: Die liquiden Bitcoin-Bestände sind begrenzt, beträchtliche Teile des heutigen Bitcoin-Volumens sind nicht oder nur schwach verfügbar.
Der On-Chain-Datenanbieter Glassnode bezeichnet nur 5 Millionen Bitcoins als liquide oder hochliquide. Rund 15 Millionen Bitcoins gelten nach Glassnode bereits als illiquide, weil sie als Wertaufbewahrungsmittel verwendet werden und deshalb dem Markt nicht zur Verfügung stehen.
Treten zahlreiche neue Grossinvestoren (Staaten) als Käufer auf, gerät die bisher gewohnte Relation von Nachfrage und verfügbarem Angebot aus dem Gleichgewicht. Das könnte die Kurse ungesund schnell in die Höhe treiben.
Ebenso denkbar bleibt der umgekehrte Effekt. Geschürt durch die vollmundigen Ankündigungen von Donald Trump ist die Erwartung einer Bitcoin-Reserve der USA ein Stück weit – vielleicht sogar weitgehend – bereits in den aktuellen Kursen eingepreist. Sollte das Vorhaben fallengelassen werden oder sich als nicht realisierbar erweisen, dürften die Bitcoin-Kurse eher kräftig in den Keller gehen.
Die strategische Bitcoin-Reserve von Unternehmen
Die meisten Investment-Analysten konzentieren sich aktuell auf die potenzielle Adoption von Bitcoin durch Staaten als strategische Reserve. Eine andere Gruppe von Käufern ist jedoch mit im Spiel, die Bitcoin bereits recht aggressiv als Wertaufbewahrungsmittel erwerben: das sind Unternehmen.
Dazu gehört nicht nur das Paradebeispiel mit MicroStrategy von Michael Saylor. Diese Firma ist allerdings das bekannteste Unternehmen mit aggressivem Kaufverhalten. MicroStrategy hält inzwischen 460'000 Bitcoins und damit etwa 2 Prozent des Bitcoin-Angebots in seiner Bilanz.
Nach aktuellen Erhebungen ist jedoch eine wachsende Anzahl von Unternehmen ebenfalls gewillt und bereits dabei, Bitcoin zu kaufen und als Inflationsschutz in ihre Bilanz aufzunehmen. Im Moment werden etwa 4 Prozent des Bitcoin-Angebots von öffentlichen und privaten Unternehmen gehalten.
Der Hunger scheint jedoch grösser zu werden und auch hier greift offenbar ein Domino-Effekt. Jedenfalls ist die Menge an Bitcoins, die in den Bilanzen börsennotierter Unternehmen gehalten werden, massiv gestiegen. Von 263'000 Bitcoins Ende 2023 auf aktuell rund 597'000 Bitcoins (Quelle: BitcoinTreasuries). Dazu kommen über 400'000 Bitcoins, die von privaten Unternehmen gehalten werden.
Eine tiefergehende Analyse zu strategischen Bitcoin-Reserven von Unternehmen hat André Dragosch, Head of Research Europe bei Bitwise, angestellt – interessant, hier.
Starke Bewegungen sind zu erwarten – nur die Richtung ist noch unklar
Sollte der Domino-Effekt bei den Unternehmen durch den Domino-Effekt bei den Staaten verstärkt werden, dürften die Bewegungen an der Bitcoin- und Krypto-Front ziemlich hektisch ausfallen.
Sollten die hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllt werden, dürften enttäuschte Investoren ebenfalls einen Domino-Effekt auslösen. Deutliche Rücksetzer aufgrund der schlechten Nachrichten könnten zu Panik- und Rette-sich-wer-kann-Abverkäufen führen. Nichts, was den Bitcoin auf Dauer ins Verderben stürzen würde. Aber eine Schubumkehr, welche die Kurse sehr weit von den eben erst gesehenen Rekordmarken entfernen könnte.