Das Beratungsunternehmen Cofinpro hat in Kooperation mit dem IT Finanzmagazin eine Umfrage durchgeführt und bei 138 Branchenexperten den Puls zu Banken, zur PSD2 und zu bevorstehenden Entwicklungen und Veränderungen genommen. Die Resultate der Umfrage "PSD2 | Strategische Konsequenzen" sind so interessant wie brisant.
Die PSD2
Mit der neuen Zahlungsdienste-Richtlinie gehört das Banking nicht mehr exklusiv den Banken. Im EU-Raum verlieren Finanzinstitute Anfang 2018 das angestammte Monopol auf die Kontodaten ihrer Kunden. Die PSD2 schreibt vor, dass jede Bank Drittanbietern über offene Schnittstellen (APIs) diskriminierungsfreien Zugriff auf Kontoinformationen gewähren muss. Mit dem Einverständis des Bankkunden dürfen externe Parteien (Finanzdienstleister, Startups und FinTechs, Internet- und Technologiekonzerne etc.) Kontodaten nutzen und auch Zahlungen auslösen.
Ist nur der Zahlungsverkehr betroffen?
Die befragten Branchenexperten sind der Meinung, dass mit der PSD2 vordergründig der Zahlungsverkehr zur Debatte steht, dass jedoch zahlreiche weitere bankenspezifische Geschäftsfelder von den Auswirkungen betroffen sein werden. Die Mehrheit der Experten rechnet nicht mit einer Revolution in kurzer Zeit, vielmehr mit einer Evolution und einer kontinuierlichen Entwicklung. Dennoch herrscht die Meinung vor, wer nicht aktiv Strategien für die eigene Rolle im Open Banking entwickelt, geht Risiken ein und läuft Gefahr, den Anschluss zu verpassen.
Erste Resultate der Studie
Branchenexperten sehen Banken in einer eher abwartenden Haltung. Eine riskante Strategie, zumal andere Studien belegen, dass die Kundentreue zur eigenen Hausbank tendenziell abnimmt. Werden Banken nicht aktiv, laufen sie Gefahr, ihre angestammte Rolle als engster Partner des Kunden in Geldgeschäften zu verlieren. Immerhin rechnen 87 Prozent der befragten Bankexperten mit erheblichen Folgen für das Geschäft der etablierten Finanzinstitute. Zudem, und in diesem Punkt herrscht Einigkeit: PSD2 betrifft nur vordergründig den Zahlungsverkehr. Es bedroht jedoch mittel- bis langfristig ebenso das Geschäft der Banken im Wertpapier- und Kreditbereich.
«Unsere Studie zeigt: Die Banken haben sich noch nicht ausreichend mit PSD2 beschäftigt» , sagt Christine Naber, Vorstand bei Cofinpro. «Das birgt Risiken und öffnet Konkurrenten die Tore. Denn auch auf Seiten der Kunden nimmt die Treue zur Hausbank ab.»
Die Auswirkungen für klassische Banken
- 87 Prozent sind der Meinung, dass die PSD2 grosse Auswirkungen haben wird
- 80 Prozent teilen die Ansicht, dass die PSD2 nicht nur den Zahlungsverkehr betrifft, sondern auch das Geschäft der Banken im Wertpapier- und Kreditbereich bedrohen kann
- 72 Prozent glauben, dass die Banken sich mit PSD2 neue Geschäftspotenziale erschliessen werden
- 67 Prozent denken, dass die PSD2 die traditionellen Geschäftsmodelle der klassischen Banken infrage stellen wird
Haben die Banken Bedrohungen und Chancen erkannt, die von PSD2 ausgehen?
- 9 Prozent: Ja
- 37 Prozent: Eher Ja
- 46 Prozent: Eher Nein
- 8 Prozent: Nein
Wie wird die PSD2 die Banken in den kommenden Jahren verändern?
- 34 Prozent glauben, dass sich Banken in den nächsten 2 Jahren sehr stark oder stark verändern
- 87 Prozent sind überzeugt, dass die Veränderungen in den nächsten 5 Jahren sehr stark oder stark durchschlagen werden
Woher kommt die neue Konkurrenz für Banken?
- 85 Prozent: Internetunternehmen, zum Beispiel Google, Apple & Co.
- 79 Prozent: Andere, zum Beispiel Visa, Paypal etc.
- 78 Prozent: Online Handelsunternehmen, zum Beispiel Amazon, Ebay etc.
- 78 Prozent: FinTechs
- 62 Prozent: Andere Banken, stärkerer Wettbewerb untereinander
Wie sollten Banken strategisch auf die PSD2 regieren?
- 93 Prozent: Reagieren, Banken sollten aktiv daran arbeiten, ihr Geschäftsmodell anzupassen
- 7 Prozent: Abwarten, Banken sollten erst einmal abwarten, wie der Markt reagiert
Wie gross ist die Gefahr, dass Banken durch die PSD2 den direkten Zugang zum Kunden verlieren?
- 19 Prozent: Sehr gross
- 47 Prozent: Gross
- 30 Prozent: Weniger gross
- 4 Prozent: Gar nicht gross
Einschätzung der grundsätzlichen Bereitschaft von Konsumenten, in Zukunft neue Services anderer Anbieter zu nutzen
- 90 Prozent: Konsumentenkredit
- 83 Prozent: Geld anlegen
- 79 Prozent: Sparen
- 72 Prozent: Konto
- 57 Prozent: Immobilienkredit
Das sind nur einige Resultate der Studie, welche als Stimmungsbild die Haltung und Einschätzungen von Bank- und Branchenexperten spiegeln.
Ebenso spannend: Was Banken tun sollten
Die befragten Fachleute beziehen Stellung zu weiteren Themen, aus denen sich strategische Konsequenzen ableiten lassen, zum Beispiel: Welche Services und Geschäftsbereiche sind für Banken Pflicht, weil sie von Kunden erwartet werden? Wie werden Banken vorgehen, um neue Leistungen zu etablieren? Wo liegen Optimierungspotenziale und wer profitiert von Kooperationen? Welche Treiber werden das Kundengeschäft verändern und wo liegen für Banken die grössten Hürden? Ein Blick in den Bericht kann Anregungen und Einsichten vermitteln.
Die Studie und ihre Ergebnisse beziehen sich auf den deutschen Bankenmarkt. Und der Befragung liegt die PSD2 zugrunde, welche sämtliche Banken in EU-Staaten betrifft. Die Schweiz als Nicht-EU-Land ist von der PSD2 ausgenommen. Dennoch ist die Studie für Schweizer Banken ebenso interessant. Die PSD2 ist "nur" der Treiber und Beschleuniger für eine Entwicklung, die grenzüberschreitend auch die Schweiz betrifft. Open Banking und die damit verbundenen Möglichkeiten verändern Bankenlandschaft, Anbieterstruktur, Geschäftsmodelle und damit das Verhalten von Kunden und Konsumenten. In der EU und in der Schweiz.
Studie runterladen: PSD2 | Strategische Konsequenzen
Stichworte zum Thema im Lexikon: PSD2 | Open Banking | Access to Account