In der Schweiz nutzen inzwischen 900'000 Menschen die Leistungen einer Neo-Bank, belegt eine aktuelle Studie der Hochschule Luzern. Das erfolgreiche Schlachtross unter den Challenger-Banken, die britische Revolut, unterhält den Löwenanteil dieser Bankbeziehungen, das FinTech geht stramm auf die Marke von 600'000 Nutzerinnen und Nutzern in der Schweiz zu. Weltweit betreut Revolut inzwischen deutlich über 20 Millionen Kundinnen und Kunden.
Wie die zitierte Studie ebenfalls zeigt, machen Neo-Banken den klassischen Banken mehr und mehr das Geschäft streitig. Zumal der Trend spürbar wird, dass Kundinnen und Kunden ihre Neo-Bank-Verbindung vermehrt von der Zweitbank zur Hauptbank zu machen. Die Gründe dafür liegen in smarten Funktionen und Services, in tiefen Gebühren und vor allem auch im wachsenden Vertrauen. Letzteres hat bei klassischen Banken in den letzten zwei Jahrzehnten die eine oder andere Delle bekommen. Das neu entwickelte Vertrauen in Neo-Banken und der selbstverständliche Umgang mit deren Leistungen und Konten ist tendenziell im Aufwind.
Wie sich Vertrauen auf allen Seiten aufbauen lässt
Kundinnen und Kunden wollen mit der Wahl ihrer Bank die Leistungen eines soliden und verlässlichen Finanzpartners in Anspruch nehmen. Das gilt für klassische Finanzinstitute und für Neo-Banken. Deshalb informieren Menschen sich über ihre Wunschbank, bevor sie ein Konto eröffnen. Erfüllt die Bank die individuellen Anforderungen in Sachen Leistungen, Services und Konditionen, bekommt sie das Ja-Wort.
Umgekehrt wollen Banken sicher sein, dass ihre Kundinnen und Kunden sowie deren Geldflüsse allen regulatorischen Vorgaben entsprechen. Deshalb investiert jedes Finanzinstitut – klassische Banken und Neo-Banken – in Compliance und KYC, damit die Beziehung zwischen Kunde und Bank vom Start weg gut läuft. Das gegenseitige Vertrauen steht dann auf einem solidem Boden und kann sich im im weiteren Verlauf der Zusammenarbeit bestätigen.
So weit, so klar. Oder doch nicht?
Wie sich Vertrauen auf allen Seiten verspielen lässt
Schliesst eine Bank, ob Neo oder klassische Bank spielt keine Rolle, einem Kunden nach einigen Monaten das Konto, im aktuellen Fall ein Business-Konto von Revolut, gehört dieser Schritt zu den einschneidenden Massnahmen. Kundinnen und Kunden haben Anspruch darauf, die Gründe für diesen Rauswurf zu erfahren. Immerhin geht es um Geld und um eine Bankbeziehung, die da einseitig beendet werden soll und nicht um den Kiosk oder den Saftladen um die Ecke, der ab morgen weniger Kunden haben möchte.
Stellt eine Bank sich stumm und zeigt sich ausserstande, die Gründe für die Schliessung des Kontos plausibel zu erklären, fährt sie in Jahren aufgebautes Vertrauen über Nacht gegen die Wand. Nicht nur diesem einen Kunden gegenüber, das inakzeptable Verhalten der Bank zieht weitaus grössere Kreise.
Menschen reden miteinander. Schlecht behandelte und deshalb verärgerte Kunden sind noch kommunikativer. Medien greifen die Geschichte auf. Unternehmen, KMUs und auch Startups fragen sich: Können wir es uns leisten, bei einer Bank ein Konto zu eröffnen, die willkürlich und ohne Begründung Konten nach einigen Monaten schliesst und uns im Regen stehen lässt? Immerhin sind Kundinnen und Kunden darauf angewiesen, dass sie ihr Konto jeden Tag verlässlich und ohne Unterbrechung nutzen können, gerade auch im geschäftlichen Bereich.
Revolut schliesst ohne Angabe von Gründen das Konto von Marcel Dobler
Der Schweizer FDP-Nationalrat Marcel Dobler hat sich vor einem halben Jahr für Revolut Business entschieden – als Geschäftskonto für ein neues Unternehmen, das er mit Partnern gegründet hat. Das Konto wird genutzt, bis ihm Revolut vor zwei Wochen mit einer automatisierten Mail ankündigt, das sein Konto geschlossen werde.
Gründe für die Schliessung werden keine genannt. Dobler interveniert, möchte die Gründe erfahren und bietet jede gewünschte Zusatzinformation zu Person oder Unternehmen an, falls hier Lücken bestehen. Auch und gerade dann, falls die Schliessung mit seinem PEP-Status (Politisch Exponierte Person) zusammenhängen könnte. Bei PEPs gelten in Bezug auf KYC und Prävention von Geldwäsche strengere Regeln, sie werden engmaschiger überprüft.
Ob PEP-Fragezeichen oder nicht, das sind sicher lösbare Fragen oder Probleme, die nach sechs Monaten Bankbeziehung auftauchen können. Für Revolut offenbar nicht, das FinTech geht nach längerem Hin und Her weder auf die Gründe ein noch auf Doblers Angebot, weitere möglicherweise notwendige Informationen zu liefern. Dem Business-Kunden wird lediglich mantrisch beschieden, sein Konto werde geschlossen – verbunden mit dem Hinweis auf die AGBs von Revolut. Diese würden den Passus enthalten, so Revolut, dass das Unternehmen jederzeit und ohne Angabe von Gründen die Geschäftsbeziehung auflösen könne. Und, erklärt Revolut wortkarg und sibyllinisch: "Unfortunately, we cannot share the specific details of this decision".
Mit Verlaub, das ist unter aller Kanone, wie hier eine Neo-Bank mit einem Kunden umspringt. Es geht nicht um AGBs, die kein Mensch liest, es geht um Sicherheit, Verlässlichkeit, Anstand und um einen zuvorkommenden Umgang mit Kunden. Auch dann, wenn aus welchen Gründen auch immer eine Geschäftsbeziehung beendet werden soll.
Dobler wirft entnervt das Handtuch und macht seinem Ärger in einem Post auf LinkedIn Luft:
Bananenrepubliks-Firma ohne Rechtssicherheit und Kundenservice
Und er schiebt nach: «Ich wünsche allen viel Glück mit Revolut Business. Da will man schon fast wieder freiwillig die überteuerten Kommissionen der Schweizer Banken zahlen...».
Doblers Ärger ist verständlich, zumal ein Kunde jede Hilfe und Unterstützung anbietet, um mögliche Infolücken zu füllen oder Fehler zu korrigieren – bei der Neo-Bank, für die er sich entschieden hat. Wieso versteigt sich eine Bank zur irrwitzigen Behauptung, die Gründe für die Kontoschliessung und den Abbruch der Beziehung nicht mit ihrem Kunden teilen zu können?
Details zum vorliegenden Fall haben unsere Kollegen des Branchenportals "Tippinpoint" recherchiert und zusammengetragen – sie haben auch als Erste über das unrühmliche Ereignis berichtet, hier geht's zu den Einzelheiten.
Warum schliesst eine Challenger-Bank Kunden-Konten – ohne Angabe von Gründen?
Das bleibt im Moment ein Rätsel. Unsere Redaktion hat bei Revolut nachgefragt, unter welchen Umtänden generell Konten geschlossen werden. Und warum Kundinnen und Kunden nicht über die Gründe informiert werden. Ein Bescheid steht noch aus, wir werden berichten.
Der vorliegende Fall ist keine Einzelerscheinung, das passiert öfters und gehört zur Praxis, nicht nur bei Revolut. Wird das Konto von Mia Anonym oder Peter Unbekannt geschlossen, ist das für die Betroffenen genau so einschneidend, wirft in der Öffentlichkeit in der Regel jedoch keine grossen Wellen. Marcel Dobler sitzt als Nationalrat im Schweizer Parlament, ist Vizepräsident von Digital Switzerland, Vorstandsmitglied von Economiesuisse und Präsident von ICT Switzerland. Das macht den Fall nicht wichtiger, erhöht jedoch die notwendige Reichweite, welche eine Schattenseite von Neo-Banken in die Welt hinaus transportiert.
Als Mitgründer und ehemaliger CEO von Digitec und als VR und Miteigentümer der Franz Carl Weber darf bei Dobler zudem vorausgesetzt werden, dass er über den gesetzeskonformen Umgang mit Bankkonten Bescheid weiss und sich an alle Regeln hält. In diesem Bereich sind die Gründe für eine Kontoschliesslung folglich nicht zu vermuten.
Was Kundinnen und Kunden auch von Neo-Banken erwarten dürfen
Bleibt ein Kunde in den Maschen von KYC hängen oder sind einer Bank die erhöhten Compliance-Anforderung bei einer Person mit PEP-Status zu aufwendig, kann sie den Kunden mit einer entsprechenden Begründung von Anfang an und ohne Kontoeröffnung ablehnen.
Passiert ein Kunde KYC und sonstige Prüfungen und Auflagen ohne Probleme, dann besteht eine Geschäftsbeziehung. Tauchen zu einem späteren Zeitpunkt Fragen auch, lassen sich diese Punkte klären und das Leben kann mit ergänzten Informationen und intaktem Konto für beide Seiten weitergehen.
Liegen andere Gründe für die Schliessung eines Kontos vor, hat der Kunde Anspruch darauf, diese Gründe zu erfahren, völlig unabhängig davon, was eine Bank in ihren AGBs festschreibt. Es geht nicht um einen gesetzlichen Anspruch, es geht um etwas ungleich Wichtigeres – wir wiederholen uns: Fairness, Anstand und einige geschäftsethische Punkte folgen bestimmten Regeln. In diesen Regeln ist auch der Stoff enthalten, aus dem langfristiges Vertrauen entsteht. Die unabdingbare Basis für gute Geschäfts- und insbesondere Bankbeziehungen. Wer sich nicht an diese Regeln hält, operiert als seelenlose Bank auf dünnem Eis.
Behalten einzelne Neo-Banken ihre aktuelle Konto-Schliessungs- und Non-Informations-Politik bei, erweisen sie sich selbst und der ganzen Branche einen Bärendienst. Wer will schon mit einer Bank geschäften, die Kundinnen und Kunden ohne erkennbaren Grund und ohne plausible Erklärung willkürlich an die frische Luft setzt und deren Konten schliesst.
Banking geht anders. Gerade Neo-Banken sollten das wissen. Die Challengers unter den Neos ganz besonders, die stehen noch stärker unter Beobachtung.