Grossbanken und klassische Banken sprechen meistens nicht von Neo-Banken, wenn sie Apps mit digitalen Angeboten kreieren, mit denen sie bestehende Neo-Banken in Schach halten wollen – sie halten sich im Wording bevorzugt an "digitale Apps".
Diese Zurückhaltung kommt daher, weil klassische Banken oftmals den Anspruch haben, jeweils "das Beste aus zwei Welten" zu verbinden – also die Vorteile einer traditionellen Bank mit den Vorteilen einer digitalen Neo-Bank. Aber immerhin: alle diese Apps tragen einen eigenen Namen, kommen daher wie Neo-Banken, sprechen wie Neo-Banken, bieten digitale Leistungen wie Neo-Banken und versuchen im Pricing sich an die Konditionen der Neos anzulehnen. Deshalb werden sie auch als Neo-Banken wahrgenommen – mit einer zur Kenntnis genommenen Marketing-Abgrenzung – und sie werden in Angebots- und Gebührenvergleichen ebenfalls auf dieselbe Stufe gestellt.
"Das Beste aus zwei Welten" in Variationen
Unterschiede gibt's allerdings schon bei den digitalen Apps, die klassische Banken-Mütter im Stammbaum haben. Yuh und Zak haben keine Berührungsängste und segeln ohne abgrenzende Gegenwehr inmitten der Neo-Banken-Armada, weil die Etikette einer blossen App ihrem Angebot nicht so richtig gerecht würde. Das wäre ja nur gerade klassische Bank in einer digitalen Verpackung. Es ist aber sehr viel mehr.
Yuh mit einem sehr breiten Angebot operiert denn auch autonom und an langer Leine. Die Neo-Bank funktioniert als Startup und bemüht die Mütter Postfinance und Swissquote lediglich am Rande, um Hintergrund zu dokumentieren und damit vor allem Sicherheit in den Vordergrund zu stellen.
Zak ist ebenfalls anders als ihre klassische Mutter Bank Cler, schlägt jedoch mit ihrer Neo-Bank eine etwas stärkere Brücke zum Mutterhaus: Zak-Kunden stehen auch die Filialen der Bank Cler zur Verfügung, in denen sie Beratung in Anspruch nehmen können. Ein Aspekt, mit dem Zak sich gerne von anderen Neo-Banken abgrenzt, die weder Beratung noch persönliche Kontakte anbieten.
Der Sonderfall CSX
Als die Credit Suisse im Oktober 2020 mit CSX an den Start ging, hat die Grossbank bewusst saloppe Töne für ihre Neo-Bank angeschlagen, um bei jungen Zielgruppen zu landen. Gleichzeitig hat die Grossbank mit CSX auch eine Fluchtroute geöffnet für bestehenden Bankkunden, die hohen Gebühren entfliehen wollten. Mit grossem Marketingaufwand wurde das digitale Angebote einmal mehr als "das Beste aus zwei Welten" positioniert. Und mit dem formulierte Seitenhieb in Richtung von Neo-Banken, "Schluss mit Apps, die Bank spielen", war der Anspruch gesetzt, dass eine klassische Bank die bessere Neo-Bank sein kann. Allerdings eine, die als digitale App starke Brücken zu ihrer Mutter bewirtschaftet und auf Angebote verlinkt, die vom Mutterhaus betreut werden.
Das scheint nicht schlecht funktioniert zu haben, CSX hat nach eigenen Angaben heute über 300'000 Kundinnen und Kunden. Was nie klar geworden ist: Welcher Anteil dieser beachtlichen Kundenzahl stammt aus den Reihen der abtrünnigen CS-Kunden und wie viele Kunden sind von ausserhalb neu generiert worden?
CSX bietet ein kostenloses Konto mit Karte und den gängigen Konto- und Zahlungsservices. Dazu dann verschiedene Abo-Modelle mit unterschiedlichen Leistungen zwischen 3.95 und 67 Franken pro Monat.
Der Sonderfall UBS Key4
Die Grossbank UBS hat ihre App Key4 anders konzipiert und im Mai 2022 in den Markt gestellt. Als hybride Bank und positioniert als "rein digitale Sortimentslinie für Kundinnen und Kunden, die ihre Bankgeschäfte ausschliesslich digital abwickeln wollen – selbstbestimmt, eigenverantwortlich, rund um die Uhr von ihrem Smartphone aus".
Integriert in die bestehende Mobile Banking App hat die UBS mit Key4 ein volldigitales Onboarding gebaut und damit nach eigenen Aussagen "das neue breite Eingangstor zum digitalen Banking bei UBS" geöffnet. Innerhalb der App werden verschiedene Services oder auch Angeboe ausgepielt, je nach Kundengruppe und individuellen Wünschen. Kundinnen und Kunden können sich frei zwischen den Angeboten bewegen – niemand wird in einen Kanal gezwungen. Hybrides Banking eben, das neuen und bestehenden Kundinnen und Kunden die Wahl lässt, was sie brauchen und nutzen möchten.
Diese Konzept hat der UBS von Medienseite nicht nur Lorbeeren, sondern teilweise auch Schelte eingebracht mit dem Vorwurf, das Angebot wäre zu wenig konturiert, schlecht abgegrenzt und deshalb schwer verständlich. Eine hybride Neo-Bank muss sich allerdings nicht zu sehr von den Leistungen des Mutterhauses abgrenzen. Steht hybrides Banking drauf, ist eben auch hybrides Banking drin. Mit diesem Konzept wird der inzwischen etwas strapazierte Anspruch, "das Beste aus zwei Welten", nicht einfach als Behauptung fomuliert, sondern auf überprüfbare Weise gelebt.
Aus der Sicht unserer Redaktion war und ist das Konzept clever und lässt sehr viel Spielraum für Erweiterungen und Kombinationen. Zudem hat sich die App nicht damit aufgehalten, Kundinnen und Kunden unnötigerweise die akademischen Unterschiede zwischen klassischer Bank, Neo-Bank und App zu erklären, sie fragt einfach: Was brauchen Sie und was möchten Sie nutzen? Die individuelle Antwortet entscheidet dann über die verschiedenen Kanäle, die genutzt werden können.
Zu konkreten Nutzerzahlen sind noch keine Angaben verfügbar. Die dürften generell jedoch etwas schwer zu beziffern sein, weil: das digitale Eintrittstor Key4 führt nicht in eine Sackgasse, da bestehen zahlreiche Verzweigungen zu digitalen und auch zu weniger digitalen Services, die hybrides Banking offenhält. Die blosse Eintrittskontrolle und das Nasenzählen über die digitale Key4-Pforte ist deshalb nur bedingt aussagekräftig.
UBS Key4 gibt's in verschiedenen Abo-Modellen mit unterschiedlichen Leistungen, die zwischen 8 und 22 Franken pro Monat kosten.
Über konkurrierende Neo-Banken, die keine Konkurrenten mehr sind
Der Niedergang der Credit-Suisse hat CSX nun in die Verwantwortung der Grossbank UBS gespült. Da sitzt jedoch schon der ehemalige Konkurrent UBS Key4. Zwei Neo-Banken mit unterschiedlicher Ausrichtung unter einem Dach parallel zu betreiben, dürfte wenig Sinn machen. Zumal UBS-CEO Sergio Ermotti letzte Woche klar gemacht hat, dass die CS vollständig in die UBS integriert wird und als eigenständige Unit vom Markt verschwinden wird. Damit verabschiedet sich auch die Mutter von CSX und die bestehenden Brücken zwischen App und Mutterhaus sind Geschichte.
Laut Ermotti soll «das Beste aus beiden Plattformen» übernommen werden. Konkrete Entscheidungen sind jedoch noch nicht gefallen, deshalb ist im Moment noch nicht klar, was genau das für die beiden ungleichen Neo-Banken-Schwestern bedeuten soll.
Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass die UBS vom eingeschlagenen Pfad des hybriden Bankings abweichen wird. Deshalb stellt sich die Frage, welche CSX-Stücke zu "den Besten" gezählt werden können. Technologie jetzt einmal ausgenommen, hat CSX im Kern keine Specials im Programm, die eine UBS nicht auch im hybriden Angebot hätte.
Zwei Punkte dürften im Zentrum stehen: Zum einen und allem voran über 300'000 CSX-Kunden, die bei Laune gehalten werden sollten. Zum anderen eine Abo-Palette, die bei CSX breiter ausgelegt ist als bei Key4. Diese breitere Abo-Palette kann insofern mit der Laune der CSX-Kunden etwas zu tun haben, als CSX im Gegensatz zu Key4 auch ein kostenloses Abo anbietet, das vermutlich eher stark gebucht wird. Sollte diese Option gestrichen werden, sind Ärger und Kundenabwanderungen schon vorprogrammiert. Deshalb ist die wahrscheinlichere Variante, dass UBS Key4 in absehbarer Zeit die bestehenden kostenpflichtigen Abo-Formen um ein kostenloses Abo erweitert.
Konkrete Entscheidungen stehen noch aus. Wird jedoch «das Beste aus beiden Plattformen» mit Fingerspitzengefühl zusammengeführt, kann eine hybride Neo-Bank im App-Format nur gewinnen.