Die Neo-Bank Neon ist – wie zahlreiche andere FinTechs auch – dem Druck der Investoren ausgesetzt. Diese setzen seit einiger Zeit nicht mehr auf unbedingtes Wachstum, sie pochen auf Profitabilität. Das ist für Schweizer Neo-Banken nicht ganz einfach zu schaffen, weil sie aufgrund der beschränkten Marktgrösse nicht endlos skalieren können.
Konto, Karte und Transaktions-Fees bieten nicht genügend realisierbares Ertragsvolumen, ergo braucht es zusätzliche Ertragskanäle. Dazu gehören zum Beispiel erweiterte kostenpflichtige Konto-Angebote sowie Krypto- und Aktienhandel. Was der Schweizer Neo-Bank Yuh bereits seit ihrem Start oder dem britischen Challenger Revolut seit Jahren schon zusätzliche Einkünfte bringt, wird von anderen Neo-Banken nach und nach ebenfalls eingeführt. Zum Beispiel kürzlich von der Berliner N26, wir haben berichtet, neu auch von Neon.
Die Krux der starken Finanzierung
Gut finanzierte FinTechs und Neo-Banken haben den Vorteil, dass sie investieren und wachsen können. Sie handeln sich jedoch mit Investoren im Boot zwangsläufig auch einen Verlust an Autonomie und Selbstbestimmung ein. Neon ist seit jeher gut finanziert über TX Group und weitere professionelle Investoren. Keine Autonomie, aber etwas weniger straffe Zügel, hat sich die Neo-Bank über einen zusätzlichen Finanzierungskanal geschaffen.
Neben 7 Millionen Franken von den institutionellen Investoren hat Neon im Juni 2021 über eine erste Crowdinvesting-Kampagne weitere 5 Millionen bei der Community eingesammelt. Den Erfolg dieser "gemischten" 12-Millionen-Runde 2021 hat Neon im Herbst 2022 wiederholt. Von den institutionellen Investoren gab's im September 2.5 Millionen Franken und über Crowdinvesting hat die Neo-Bank im Oktober weitere 8.6 Millionen Franken bei der Community eingespielt, wir haben berichtet.
Den Willen der professionellen Investorenrunde hat Neon damals mit folgendem Statement kommuniziert:
"Diese Kapitalerhöhung war gestützt vom Vertrauen und dem Wunsch unserer bestehenden, professionellen Investorinnen und Investoren, Neon als Produkt noch besser zu machen und die erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens weiter fortzusetzen. Zudem hat die Kapitalerhöhung das klare Ziel, Neon durch neue Produkte und das Erreichen der Profitabilität unabhängig von externem Kapital zu machen."
Die Neo-Bank hat 2021 und 2022 insgesamt gut 23 Millionen Franken frisches Kapital eingesammelt. Das ist für ein Schweizer FinTech dieser Grössenordnung ein starkes Ergebnis. Der Anteil von 13.6 Millionen aus der Community hat gezeigt, dass Crowdinvesting ein gutes Instrument für FinTechs sein kann, um Kapital zu beschaffen. Allerdings ebenfalls ein verpflichtendes, auch Aktionärinnen und Aktionäre haben Erwartungen und Ansprüche. Im Gegensatz zu professionellen Investoren ist die Community tendenziell etwas geduldiger, deshalb sind die Zügel bei dieser Form der Finanzierung weniger straff – immer vorausgesetzt, die Miteigentümer werden laufend gepflegt und gut informiert.
Welche neuen Ertragskanäle will Neon öffnen?
Nachdem Neon längere Zeit einzig mit dem kostenlosen Konto unterwegs war, hat die Neo-Bank Mitte 2021 mit einem grünen Abo für 5 Franken pro Monat eine erste kostenpflichtige Variante geschaffen. Mit dem Premium-Konto Metal für 15 Franken pro Monat hat Neon dann 2022 nachgelegt.
Kostenpflichtige Abo-Formen sind als Ertragsfaktor für Neo-Banken nicht zu unterschätzen, sie garantieren regelmässige und kalkulierbare Umsätze. Dazu kommt, dass nachhaltige Abo-Formen, wie zum Beispiel Neon Green, oder auch ein Lifestyle-Abo mit Metallkarte einer Neo-Bank den Zugang zu weiteren Kundensegmenten mit spezifischen Ansprüchen öffnen können.
Zusätzliche Erweiterungen der Angebots-Palette hatte Neon bereits letzten Oktober angekündigt und die Funktionalitäten Aktien- und Kryptohandel auf die Roadmap gesetzt. Wie unsere Kollegen von der Handelszeitung in Erfahrung gebracht haben, ist die Schiene des Aktienhandels unter "Neon Invest" bei ausgewählten Kundinnen und Kunden bereits in der Betaphase im Test. Innerhalb der nächsten 30 Tage soll die Funktion für alle Nutzerinnen und Nutzer freigeschaltet werden.
Offiziell hat Neon das neue Angebot noch nicht kommuniziert, "Neon Invest" soll sich jedoch in der Ausrichtung stark an die Konkurrentin Yuh anlehnen. Bei Neon im Moment noch eine Nummer kleiner, ohne Spezialfunktionen wie zum Beispiel Fractional Trading, und zum Start mit einer überschaubaren Auswahl an Aktien und ETFs, die über die Berner Börse BX gehandelt werden.
Der Handel mit Kryptowährungen bleibt in der Planung, vorerst will die Neo-Bank jedoch den Handel mit Wertpapieren auf den Weg und in die App bringen.
Kann ein später Einstieg erfolgreich sein?
Neon ist spät dran, Neo-Banken wie Yuh, FlowBank, Revolut und andere haben einen deutlichen Vorsprung, weil sie Aktien- oder Kryptohandel schon länger anbieten. Ein später Einstieg kann dennoch Punkte und Umsätze bringen. Zum einen bei Konsumentinnen und Konsumenten, die noch bei keiner Neo-Bank angedockt haben. Neo-Banken mit einer grossen Angebots-Palette kommen eher zum Zug, wenn Neukunden ihren Bankpartner auswählen.
Mit über 150'000 Kundinnen und Kunden hat Neon zudem eine gute Basis, um Nutzer mit Invest-Absichten in der eigenen App zu halten. Stimmen Angebot, Auswahl, Konditionen und Komfort, müssen sich investwillige Kunden nicht weiterhin ausserhalb bedienen. Alles rund um die eigenen Finanzen in einer einzigen App managen zu können, kommt in aller Regel gut an. Insofern kann auch ein später Einstieg bei der Neukundengewinnung, der Haltbarkeit von bestehenden Kunden und in Form von konkreten Mehrumsätzen durchaus Früchte tragen.
Ob die generierten Mehrumsätze gross genug sind, um den Weg zur Profitabilität zu ebnen, wird die Zukunft zeigen.