Die Neo-Bank Radicant ist der grösste und kostenintensivste Hoffnungsträger im FinTech-Portfolio der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB).
Die BLKB hat in den letzten Jahren ihr FinTech-Engagement stark ausgebaut. Mit der Nachhaltigkeits-Tochter Radicant verbindet die BLKB hochfliegende Ziele. Um diese zu erreichen, hat die Bank bisher rund 70 Millionen Franken in das Startup investiert.
Radicant ist von Co-Gründer und CEO Anders Bally und seinem Team seit April 2021 entwickelt und aufgebaut worden, die Neo-Bank ist jedoch noch nicht aktiv im Markt. Radicant hat im Mai 2022 von der FINMA die Banklizenz erhalten, die BLKB-Tochter will sich als "erster nachhaltiger, kollaborativer und persönlicher Lebensbegleiter" in finanziellen Dingen im Markt positionieren.
Der Verwaltungsrat der BLKB feuert den Radicant-CEO
Der Rauswurf von Anders Bally kommt überraschend, zumal der verschobene Markteintritt von Radicant nun Ende März 2023 bevorstehen soll. Den massgeblichen Initianten und Gestalter einen Monat vor dem Launch an die frische Luft zu setzen, könnte das verbleibende Team vor einige Probleme stellen.
Der Verwaltungsrat der BLKB hat mit sofortiger Wirkung einen CEO entlassen und zwei neue CEOs ernannt, ad interim und in Co-Leitung: Rouven Leuener, Chief Product Officer, und Roland Kläy, Chief Financial Officer. "Mit der Ernennung der neuen Co-Leitung ad interim", so die BLKB, "unterstreicht der Verwaltungsrat die Bedeutung dieser entscheidenden Phase".
Was sind die Gründe für den Rauswurf des CEOs?
Darüber kann nur spekuliert werden. Die BLKB selbst gibt an: "Aufgrund eines unterschiedlichen Führungs- und Kommunikationsverständnisses wurde er in seiner Funktion als CEO mit sofortiger Wirkung freigestellt." Anders Bally ist seit rund zwei Jahren am Ball, erstaunlich zumindest, dass dermassen gründsätzliche Differenzen erst einen Monat vor Martkeintritt auffallen.
Die BLKB ist Zusammenhang mit ihrer kostspieligen Neo-Banken-Tochter medial in den Fokus und politisch unter Druck geraten. Am 16. Februar 2023 ist ein kritischer Artikel in der BZ (Paywall) erschienen, welcher den Gegenwind verstärkt haben dürfte. Nach einem Bericht von Inside Paradeplatz vom 17. Februar 2023 hätte Bally seine Crew mit einer E-Mail auf die Widerstände und einen bevorstehenden "Shitstorm" eingeschworen und sich dabei offenbar im Ton vergriffen, was die Kritiker des Projekts betrifft.
Die von IP zitierten Passagen aus dieser E-Mail lesen sich allerdings nicht überaus grob. Bally schreibt zum Beispiel, dass "manche Politiker im Kanton, vor allem ältere, Schwierigkeiten hätten, die disruptiven Aspekte von Radicant zu verstehen". Deshalb wären "Deep Tech, Mobile First Banking, Wealth Management und andere Tech-Aspekte Konzepte, mit denen diese Politiker schwer zu assimilieren" wären.
Das klingt jetzt noch nicht nach Majestätsbeleidung, ist aber möglicherweise die falsche Tonlage für empfindsame Politikerohren. Ungehalten zeigt sich jedenfalls der Baselbieter Finanzdirektor Anton Lauber, der sich auf Anrage der BZ in derselben Zeitung zitieren lässt: «E-Mails solchen Inhalts sind schlicht nicht tolerierbar», es gebe «nichts zu entschuldigen». Wertschätzung und Respekt seien für die BLKB von «zentraler Bedeutung».
Sollte die BLKB Bally aufgrund seiner Aussagen und des politischen Drucks geopfert haben, wäre die Befriedigung der empörten Politiker möglicherweise kleiner im Verhältnis zum Schaden für Radicant. Immerhin hat man den prägenden Planer und Kapitän eines Schiffes im Trockendock über Bord geworfen – zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: gewissermassen fünf vor Stapellauf.
Wie auch immer, der CEO ist weg, Knall auf Fall, zwei Interims-CEOs übernehmen und Radicant will Ende März starten.