Frankly ist das Kampfprodukt der Zürcher Kantonalbank, das junge Leute zu Aktiensparern machen will. Vor allem aber will die ZKB das interessante Feld des Vorsorgesparens nicht der wachsenden Zahl von FinTechs überlassen.
Vorsorgesparen – ein Markt für smarte FinTechs
Sparproduke für die Säule 3a gibt's schon ewig. Die meisten davon waren oder sind jedoch in der Region zwischen langweilig, kompliziert oder sonstwie unattraktiv angesiedelt – jedenfalls nicht aus dem Stoff gemacht, der junge Leute in Scharen anzulocken vermag.
Das Startup Viac hat's als Pionier-FinTech vor gut drei Jahren geschafft, dem etwas angestaubten Vorsorgesparen mit der Säule 3a ein neues Gesicht gegeben. Die digitale App, der Komfort und die spielerisch einfache Art von Sparen und Anlegen ist vom Markt und von der Zielgruppe der Jungen angenommen worden, Viac ist schnell gewachsen und wächst weiterhin.
Das hängt auch damit zusammen, dass Viac sich nicht auf den Vorsorge-Lorbeeren ausruht, sondern laufend neue Produkte dazuentwickelt. Zum Beispiel eine Freizügigkeits-Lösung oder aktuell eine kostenlose Risikoversicherung, die etablierten Versicherern wenig Freude machen dürfte.
Heute sind mit Selma, Descartes Vorsorge, Sparbatze und anderen Anbietern mehrere FinTechs im Markt engagiert, die mit unterschiedlichen Konzepten und auch mit unterschiedlichen Temperaturen breite Zielgruppen für das Vorsorgesparen begeistern wollen. Im Fokus bei allen Anbietern stehen insbesondere junge Menschen – aus naheliegenden Gründen. Junge haben einen langen Horizont, bleiben über Jahre oder sogar Jahrzehnte an Bord und, sind sie zufrieden, sind sie sich auch für weitere Angebote empfänglich.
Vorsorgesparen – ein Markt für etablierte Banken und Versicherer
Der Vorsorgemarkt der Säule 3a umfasst insgesamt über 120 Mia. CHF und wächst jährlich um rund vier Milliarden Franken (Quelle: BSV). Für Banken und Versicherungen, die sich den Markt in etwa im Verhältnis 63 Prozent (Banken) und 37 Prozent (Versicherer) aufteilen, ein lohnendes Geschäft.
Die Anteile der FinTechs am Gesamtkuchen nehmen sich aktuell noch vergleichsweise bescheiden aus, die Marktgrösse zeigt aber das Potenzial. Säule 3a-Konten können relativ einfach von einem zum anderen Anbieter verschoben werden – und wer mit smarten Angeboten, tiefen Gebühren und sehr viel Komfort überzeugt, hat alle Chancen, Banken und Versicherern bestehende Kunden abzujagen. Im Neukundengeschäft sind die FinTechs ohnehin im Vorteil und dürften die Nase bald vorne haben. Sie sprechen die Sprache der jungen Zielgruppen und treffen über ihre Apps den Nerv der Jungen.
Wenn Banken und Versicherer zu hippen FinTechs werden
Vor knapp einem Jahr hat die Zürcher Kantonalbank mit Frankly ihre Antwort auf die wachsende Konkurrenz der FinTechs in den Markt gestellt. Dass die ZKB ein hippes Produkt mit einem hippen Namen lanciert hat, kommt nicht von ungefähr. Offenbar nehmen erste etablierte Anbieter die neue Konkurrenz der FinTechs ernst. Die Zürcher Kantonalbank war sich offensichtlich bewusst, dass junge Vorsorgesparer unter der Flagge ZKB deutlich schwerer zu gewinnen sind im Vergleich zur neuen Startup-Flagge Frankly.
Die Banker haben insofern einen guten Job gemacht, als sie nicht einfach alte Rezepte in neuer Verpackung präsentiert haben – das Angebot wurde von Grund auf neu gedacht und die ZKB hat Frankly auch in Sachen Kosten und Gebühren eine aggressive Etikette angeheftet: die All-in-Fee von 0.48 Prozent enthält tatsächlich sämtliche Kosten. Damit ist das Angebot auch preislich attraktiv und vor allem einfach zu verstehen. Kein Mix aus verschiedenen Gebühren, eine einzige Fee ohne doppelten Boden, deshalb klar und transparent.
Wie kommt Frankly im Markt an?
Die App ist solide gemacht, das Marketing mit der eher grossen Kelle angerichtet, die Ansprache in Werbung, Website und App zielt klar auf junge Zielgruppen und Einsteiger ins Vorsorgesparen.
Konkrete Kundenzahlen wird die ZKB gelegentlich kommunizieren, die Höhe des verwalteten Vorsorgevermögens ist heute schon bekannt. Die All-in-Fee von 0.48 Prozent war von Anfang an gekoppelt an die Entwicklung des verwalteten Vermögens in Stufen. Wächst das "Community-Vorsorgevermögen" bei Frankly und wird die nächste Stufe erreicht, gibt's Rabatte. Aktuell beträgt die Fee nur noch 0.46 Prozent, weil das angelegte Vermögen inzwischen auf 500 Millionen Franken angewachsen ist.
Damit dürfte Frankly bereits in der Nähe des Pionier-Startups Viac liegen. Viac hatte im Mai 2020 mit 27'000 Kunden ein verwaltetes Vorsorgevermögen von 450 Millionen Franken ausgewiesen.
Der Erfolg der Zürcher Banker bei den jungen Zielgruppen wird sich erst längerfristig zeigen. Der aktuelle Zwischenstand bestätigt jedoch das Konzept und den Mut der ZKB, auch mal ein FinTech sein zu wollen. Sie will nicht nur, mit Frankly ist sie eines. So wie einst und auch heute noch Viac den Markt der Vorsorgelösungen aufmischt, so mischt die ZKB mit Frankly aktuell aktiv mit.
Lähmende Kannibalisierungs-Ängste versus Mut zu offensiven FinTech-Innovationen
Es kann sich lohnen, wie das Beispiel zeigt, wenn Innovationsfreude und Aufbruchstimmung Oberhand gewinnen und die Angst vor Kannibalisierung in den Hintergrund rückt.
Starten etablierte Banken und Versicherer innovative FinTech- oder InsurTech-Projekte, sind Kannibalisierungs-Effekte oftmals eine zwangsläufige Folge. Die Ängste sind also durchaus berechtigt. Nur: Längerfristig dürfte mit den mutigen Innovationen sehr viel mehr zu gewinnen sein, als mit alten Rezepten und überholten Konzepten verteidigt werden könnte.
Um die Frage in der Headline nicht unbeantwortet zu lassen: Lehrt die Vorsorge-App der ZKB die Startup-Pioniere das Fürchten? Nein, die Pioniere brauchen sich nicht zu fürchten, wenn sie am Ball bleiben. Der Vorsorgemarkt ist gross und hat noch sehr viel Raum für weitere Player mit smarten Lösungen. Unabhängig davon, ob Startups oder Banken und Versicherer mit innovativen Konzepten überraschen. Enger kann es langfristig für etablierte Player werden, die sich nicht bewegen. Der Markt selbst ist in Bewegung – ohne innovative Fitness dürften Marktanteile weder zu halten noch zu gewinnen sein.