Starkes Wachstum der "Buy Now, Pay Later"-Nutzung

FinTech Revolut will den Markt der Ratenzahlungen mitprägen – Schuldenberater sind über den BNPL-Hype besorgt

Junge Frauen mit Shopping Bags
Bild: YakobchukOlena | Getty Images

Das BNPL-Geschäft (Buy Now, Pay Later) feiert Erfolge und hat FinTechs wie Klarna oder Afterpay gross gemacht – nun hat auch Revolut eine Lösung in Arbeit.

Das schwedische Tech-Unternehmen Klarna gehört zu den Pionieren, welche die Geschäftsidee "Sofort kaufen, später bezahlen" konsequent vorangetrieben haben. Das hoch finanzierte Mammut-FinTech mit einer Bewertung 45.6 Milliarden US-Dollar hat eindrücklich demonstriert, dass mit dem BNPL-Geschäft (Buy Now, Pay Later) internationaler Erfolg und starkes Wachstum verbunden sein kann.

Nicht von ungefähr springen mehr und mehr FinTechs und Big Techs auf den fahrenden Zug der "kleinen Kredite" über Ratenzahlungen auf. So will das FinTech Square für die abenteuerliche Summe von 29 Milliarden US-Dollar das australische BNPL-FinTech Afterpay kaufen, MoneyToday.ch hat berichtet. Mit Visa bringt eine Kartenorganisation "Buy Now, Pay Later" in ihr Netzwerk und das Big Tech Apple will mit BNPL für neuen Schub bei Apple Pay sorgen. PayPal, schon länger im Geschäft mit den Ratenzahlungen, kauft aktuell das japanische BNPL-Unternehmen Paidy für 2.7 Milliarden Dollar, um die eigene Position in asiatischen Märkten zu stärken. In der Schweiz verfolgt die Bezahl-App Twint konkrete BNPL-Pläne, damit für Nutzerinnen und Nutzern Ratenzahlungen möglich werden.

Mit anderen Worten: Kaum eine FinTech- oder Big Tech-Grösse will sich das Geschäft entgehen lassen, über BNPL-Angebote Händler und Kunden zu verbinden. Das Drei-Parteien-Geschäft öffnet Konsumenten den (verführerischen, aber nicht ganz ungefährlichen) Komfort von Ratenzahlungen, in der Regel ohne Gebühren oder Zinsaufschläge, Händler erhalten Zugang zu neuen Kundensegmenten, der BNPL-Anbieter generiert Erträge über Provisionen von den Händlern.

Revolut will den finanziellen Spielraum für seine Nutzerinnen und Nutzer erweitern

Nicht erstaunlich, dass die britische Challenger-Bank Revolut den Hype um BNPL und den Provisions-Kuchen weder Klarna noch anderen Anbietern kampflos überlassen will. Der Weg zur Super-App führt für die Challenger-Bank Revolut mit inzwischen 16 Millionen Kundinnen und Kunden offenbar auch über Funktionen, welche für Nutzerinnen und Nutzern erweiterte Spielräume schaffen sollen.

So hat Nikolay Storonsky, CEO von Revolut, gegenüber der Londoner Tageszeitung "Evening Standard" klar gemacht, dass Revolut an einer entsprechenden Checkout-Funktion arbeiten würde. Damit sollen Kundinnen und Kunden bei jeder Kartenzahlung die Möglichkeit bekommen, die Kosten für den jeweiligen Einkauf automatisch auf Raten zu verteilen. Das FinTech plant, die wählbare Ratenzahlungs-Option sehr einfach in den Checkout-Prozess zu integrieren, Storonsky zur BNPL-Lösung von Revolut:

Einfach ein Button, den du aktivierst, dann wird deine Karte zu einem Sofort-Kaufen-Später-Bezahlen-Produkt

Drücken Kunden den Button, wird nicht wie gewohnt der gesamte Kaufbetrag abgebucht, sondern nur ein Drittel. Zwei weitere Raten werden dann jeweils im Abstand von zwei Wochen belastet.

Nach Angaben des Unternehmens soll sich die neue Funktion noch in einem frühen Entwicklungs-Stadium befinden, 2022 soll das Produkt in einigen europäischen Märkten getestet werden.

"Buy Now, Pay Later" folgt auf "Payday"

Mit Payday operiert Revolut bereits im Bereich der kreditnahen Services. Payday öffnet für Revolut-Kunden in Kooperation mit den jeweiligen Arbeitgebern die Möglichkeit zu Vorbezügen ihres Gehalts. Berechtigte Nutzerinnen und Nutzern haben direkt über die Revolut-App schon vor dem Zahltag Zugriff auf bis zur Hälfte ihres Arbeitslohns, der bereits verdient, aber noch nicht ausbezahlt worden ist.

Payday ist vorerst nur in Grossbritannien verfügbar, der Launch in Europa und in den USA soll später folgen.

Begeisterte Kunden und besorgte Schuldenberater

Die Payday-Funktion ist kein Kredit, sondern die Möglichkeit des Vorbezugs des eigenen Lohns. Die "Buy Now, Pay Later"-Funktion, welche unterstützt von zahlreichen Anbietern gerade die Welt erobert, ist ebenfalls kein klassischer Kredit, sondern das Angebot einer zinslosen Ratenzahlung.

Das eine wie das andere kann im Moment den finanziellen Spielraum erweitern – auf der anderen Seite aber auch das real verfügbare und verbleibende Monatsbudget empfindlich reduzieren. 

Grossartig sind diese smarten Funktionen für Menschen, welche ihr finanzielles Leben und damit die Waage ihrer Einnahmen und Ausgaben im Griff haben. Vor allem im Zusammenhang mit "Buy Now, Pay Later"-Angeboten äussern Schuldenberatungs-Stellen jedoch Bedenken und glauben, dass BNPL sich für einen Teil der Kunden zur ernstzunehmenden Schuldenfalle auswachsen kann.

Die Regulierung kommt – allerdings erst später

In Grossbritannien wird angesichts der stark wachsenden BNPL-Bewegung eine Regulierung als dringlich erachtet. Verschiedene Experten sind der Meinung, dass fehlende Kontrollen in Bezug auf Erschwinglichkeit sowie auf Überschuldungsrisiken dem explodierenden BNPL-Bereich dramatisch hinterherhinken. Es ist zu vernehmen, dass "die Regulierung nicht mit der Innovation Schritt gehalten hat".

Inzwischen boomt der Markt der unregulierten BNPL-Nutzung. In Grossbritannien soll sich der Markt 2020 verdreifacht haben, der Sektor soll inzwischen bereits 1 Prozent des riesigen britischen Kreditmarktes erreicht haben, wie die Financial Times in einem Bericht schreibt. Prognosen gehen von weiterhin sehr hohen Wachstumsraten aus, gegen Ende nächsten Jahres könnten nach aktuellen Schätzungen 10 Prozent der britischen Online-Käufe über BNPL abgewickelt werden.

Mit einem Seitenblick auf bevorstehende Entwicklungen rund um Embedded Finance wird befürchtet, dass sich die Zahl der FinTechs und das Tempo ihrer Innovationen noch markant erhöhen kann, ohne dass es Regulatoren gelingen wird, rechtzeitig entsprechende Leitplanken aufzustellen.

Daraus lässt sich ableiten, dass FinTechs und Big Techs in momentan regulierungsfreien Feldern ein Stück weit mit in der Verantwortung und in der Pflicht stehen. Nehmen sie diese Verantwortung wahr, handeln sie durchaus auch im eigenen Interesse: Übertreibungen auf der einen Seite könnten in späteren Phasen zu Überreaktionen und zu unnötig hohen Hürden bei der Regulierung führen.