FinTech-Lizenz & Regulierung

Die FinTech-Bewilligung kommt am 1. Januar 2019

Grafik FinTech-Lizenz
Grafik: Guzaliia Filimonova | Getty Images

Dr. Cornelia Stengel über die gesenkten Markteintrittshürden für FinTechs im Allgemeinen und konkrete Ausführungen zur neuen FinTech-Bewilligung im Besonderen.

Es ist soweit! Innerhalb von nur zwei Jahren hat der Schweizer Gesetzgeber drei Massnahmen umgesetzt, um die Markteintrittshürden für FinTech-Unternehmen zu senken, Innovation auf dem Finanzplatz zu fördern und damit dessen Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Per 1. Januar 2019 werden die Bestimmungen für die letzte von drei Massnahmen, die FinTech-Bewilligung, in Kraft gesetzt.

FinTech-Förderung in der Schweiz

Grundlage für alle Bestrebungen zur FinTech-Förderung bildet die allgemein anerkannte Prämisse, dass Digitalisierung und Innovation im Finanzbereich wesentlich zur Qualität des Schweizer Finanzplatzes beitragen und dessen Wettbewerbsfähigkeit stärken kann. Auch der Bundesrat liess sich an seiner Sitzung vom 2. November 2016 von dieser Prämisse leiten und sprach sich für Erleichterungen bei den regulatorischen Rahmenbedingungen für Anbieter von innovativen Finanztechnologien aus. Die Erleichterungen sollen einerseits Markteintrittshürden für Anbieter im FinTech-Bereich reduzieren, andererseits aber auch die Rechtssicherheit für die gesamte Branche erhöhen. Konkret schlug der Bundesrat im Bereich der Finanzmarktregulierung drei Massnahmen vor, welche in verschiedenen Etappen (per 1. August 2017 und nun per 1. Januar 2019 bzw. 1. April 2019) umgesetzt wurden bzw. werden.

Drei Massnahmen

Zur FinTech-Förderung setzt die Schweiz die folgenden drei Massnahmen um:

Verlängerung der Haltefrist für Gelder auf Abwicklungskonten von sieben auf 60 Tage sowie zwei neue Möglichkeiten, mehr als 20 Publikumseinlagen entgegen zu nehmen, ohne dafür eine Bankenbewilligung zu benötigen – nämlich eine «Sandbox» für Publikumseinlagen bis CHF 1 Mio. und eine «FinTech-Bewilligung» für Publikumseinlagen bis CHF 100 Mio.

Die Sandbox und die FinTech-Bewilligung sind an – je unterschiedliche – Voraussetzungen geknüpft. In beiden Fällen müssen aber die Einlagen im Interesse der Kunden verwahrt, die Kunden informiert und das den bewilligten Banken vorbehaltene Zinsdifferenzgeschäft darf nicht betrieben werden. 

Während die Verlängerung der Haltefrist für Gelder auf Abwicklungskonten kaum zu weiteren Ausführungen Anlass gibt, werden im Folgenden die Voraussetzungen und Eigenheiten der Sandbox und der FinTech-Bewilligung kurz dargestellt.

Entgegennahme von Publikumseinlagen ohne Zinsdifferenzgeschäft

Zentrales und gemeinsames Element der Sandbox und der FinTech-Bewilligung ist die Möglichkeit, mehr als 20 Publikumseinlagen entgegen zu nehmen, ohne dafür eine Bankenbewilligung zu benötigen. Grundsätzlich ist die gewerbsmässige Entgegennahme von Publikumseinlagen Banken vorbehalten

Als «Publikumseinlagen» gelten grundsätzlich alle Verbindlichkeiten gegenüber Kunden. Die einzigen Ausnahmen sind in Art. 5 Abs. 3 der Bankenverordnung aufgezählt und wurden von der FINMA in ihrem Rundschreiben 2008/3 präzisiert und erläutert. Auch weiterhin bedarf die Entgegennahme von Publikumseinlagen grundsätzlich einer Bewilligung, soweit sie gewerbsmässig erfolgt.

Ausnahmen werden nur gewährt, solange nicht die Kerntätigkeit der Banken, das sogenannte «Zinsdifferenzgeschäft», betrieben wird. Dieses ist gesetzlich nicht geregelt, bedeutet aber gemäss den Erläuterungen zur FinTech-Bewilligung, dass im Rahmen des Passivgeschäfts Einlagen entgegengenommen und damit im Rahmen des Aktivgeschäfts einer unbestimmten Anzahl von Personen und Unternehmen auf eigene Rechnung Kredite gewährt werden. Die Kredite werden dabei längerfristig vergeben (längerfristige Kapital- und Zinsbindung), während die Kunden ihre Einlagen meist ohne Frist zurückfordern können (kurzfristige Kapital- und Zinsbindung). Weicht die durchschnittliche Laufzeit der Aktiven von der durchschnittlichen Laufzeit der Passiven ab, liegt zusätzlich eine Fristentransformation vor. Diese erhöht die Zinsänderungs- und Liquiditätsrisiken, welche eine Bank übernimmt und für welche sie durch die Zinsmarge entschädigt wird. Die Risiken sind auch der Grund, weshalb die Bewilligung für Banken an hohe Anforderungen geknüpft ist und ohne Bankenbewilligung, sowohl im Rahmen der Sandbox als auch von Trägern der neuen FinTech-Bewilligung, das Zinsdifferenzgeschäft auch in Zukunft nicht betrieben werden darf.

Sandbox

Die Sandbox ist eine Ausnahme vom Kriterium der «Gewerbsmässigkeit» im Rahmen der Entgegennahme von Publikumseinlagen. Gemäss dem neuen Art. 6 der Bankenverordnung handelt nicht gewerbsmässig (und bedarf deshalb keiner Bewilligung), wer:

  • Publikumseinlagen von gesamthaft höchstens CHF 1 Mio. entgegennimmt;
  • kein Zinsdifferenzgeschäft betreibt (erst ab 1. April 2019!); und 
  • die Einleger darüber informiert, dass er nicht durch die FINMA beaufsichtigt wird und die Einlage nicht von der Einlagensicherung erfasst wird.

Bis am 31. März 2019 gilt für die Sandbox noch die bereits per 1. August 2017 in Kraft gesetzte Regelung, dass entweder das Anlage- und Verzinsungsverbot einzuhalten oder die Einlagen für eine «gewerblich-industrielle Tätigkeit» zu nutzen sind. Mit der neuen Regelung wird explizit der Betrieb des Zinsdifferenzgeschäfts verboten und gleichzeitig ermöglicht, unter der Sandbox entgegengenommene Gelder auch für private Zwecke (also nicht gewerblich-industriell) zu nutzen. Dies wird dadurch gerechtfertigt, dass mit den neuen Anpassungen des Konsumkreditgesetzes auch die sogenannte «Schwarmkredit-Vermittlung», sprich «Crowdfunding», unter das Konsumkreditgesetz fällt. Die Anpassungen werden per 1. April 2019 in Kraft treten.

Weitere Voraussetzungen werden für die Sandbox im Bankengesetz bzw. der Bankenverordnung nicht aufgestellt. Nicht zu vergessen sind aber die übrigen Finanzmarktgesetze, wie insbesondere die Datenschutz- und Geldwäschereigesetzgebung, welche auch im Bereich einer Sandbox vollumfänglich anwendbar bleiben und zu beachten sind.

FinTech-Bewilligung

Die FinTech-Bewilligung andererseits ist eine neue Bewilligungskategorie und wird vorab im neuen Art. 1b des Bankengesetzes unter dem Titel Innovationsförderung definiert. Sie ist vorgesehen, für Personen, die:

  • gewerbsmässig Publikumseinlagen von bis zu CHF 100 Mio. entgegennehmen oder sich öffentlich dafür empfehlen; und 
  • diese Publikumseinlagen weder anlegen noch verzinsen.

«Personen nach Art. 1b Bankengesetz», wie die Träger der FinTech-Bewilligung im Gesetz genannt werden, dürfen also ebenfalls ohne Bankenbewilligung Publikumseinlagen entgegennehmen. Dies höchstens im Umfang von CHF 100 Mio. und nur, wenn sie darauf verzichten, die Einlagen anzulegen und zu verzinsen bzw. mit anderen Worten das Zinsdifferenzgeschäft zu betreiben, welches weiterhin den Banken vorbehalten bleibt. 

Die FinTech-Bewilligung ist an verschiedene weitere Bedingungen geknüpft. «Personen nach Art. 1b Bankengesetz» unterstehen der Aufsicht der FINMA und müssen bestimmte Anforderungen an ihre Organisation, das Risikomanagement, die Compliance und die finanziellen Mittel erfüllen und ihre Tätigkeit von einer zugelassenen Prüfgesellschaft überprüfen lassen. Weiter müssen sie auch die Bestimmungen des Bankengesetzes beachten, die auf sie «sinngemäss Anwendung» finden. In der Bankenverordnung wird in den einzelnen Bestimmungen zu den Rechten und Pflichten klargestellt, ob sie auf Personen nach Artikel 1b Bankengesetz anwendbar sind. Besonders zu erwähnen sind:

  • Informationspflichten insbesondere über die mit dem Geschäftsmodell, den angebotenen Dienstleistungen und den verwendeten Technologien verbundenen Risiken sowie darüber, dass für die Publikumseinlagen keine Einlagensicherung besteht. Diese Informationen dürfen nicht nur in den allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein.
  • Als Gesellschaftsform kommt nur eine Aktiengesellschaft, eine Kommanditaktiengesellschaft oder eine GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) in Frage, der Sitz muss sich in der Schweiz befinden und die tatsächliche Verwaltung ist in der Schweiz auszuüben.
  • Bedingungen für Geschäftsführung, Organe, Compliance und Risikomanagement.
  • Die entgegengenommenen Publikumseinlagen müssen getrennt von den eigenen Mitteln verwahrt oder in den Büchern so erfasst werden, dass diese jederzeit separat von den eigenen Mitteln ausgewiesen werden können. In letzterem Fall ist eine ordentliche Revision vorgeschrieben.
  • Das Mindestkapital beträgt 3 % der entgegengenommenen Publikumseinlagen, jedoch mindestens CHF 300'000.

Level Playing Field

In den Erläuterungen zur neuen FinTech-Bewilligung hält der Bundesrat fest, dass auch für «Personen nach Art. 1b Bankengesetz» also die Träger einer FinTech-Bewilligung alle übrigen Gesetze vollumfänglich gelten, sofern diese aufgrund ihrer Tätigkeit anwendbar sind. Damit sind ganz besonders die Bestimmungen zum Datenschutz oder die Geldwäschereigesetzgebung gemeint, welche auch von Trägern einer FinTech-Bewilligung – wie auch innerhalb einer Sandbox – jederzeit einzuhalten sind.

Schliesslich stellt der Bundesrat in den Erläuterungen auch ausdrücklich klar, dass für etablierte Finanzdienstleister keinerlei Hindernisse bestünden, selbst Gesellschaften mit einer FinTech-Bewilligung zu gründen, zu kaufen oder sich an solchen zu beteiligen, womit das Level Playing Field im Finanzmarkt erhalten bleibe.

Infoabend zur FinTech- und zur Bankenbewilligung

Kellerhals Carrard und Soranus veranstalten zur FinTech- und zur Bankenbewilligung einen kostenlosen Infoabend, mit anschliessendem Apéro:

Dienstag, 22. Januar 2019, ab 16:30 Uhr, im FIFA-Museum Zürich (powered by Fintechrockers)

Die Autorin: Prof. Dr. Cornelia Stengel

Prof. Dr. Cornelia Stengel ist Juristin und Co-Director von Swiss FinTech Innovations (SFTI). Als Rechtsanwältin und Partnerin bei der Kanzlei Kellerhals Carrard Zürich gehören zu ihren bevorzugten Tätigkeitsgebieten das Finanzdienstleistungs-, Finanzmarkt- und Datenschutzrecht.

Ihre besonderen Schwerpunkte: Rechtliche Analyse neuer Produkte, Systeme und Technologien auf dem Finanzmarkt (FinTech), deren vertragsrechtliche Ausgestaltung, Prüfung und Umsetzung von regulatorischen Vorgaben sowie der Aufbau von entsprechenden unternehmensinternen Prozessen.

Cornelia Stengel wirkt an vorderster Front bei der Entwicklung neuer Finanzdienstleistungen mit, insbesondere bei der rechtlichen Ausgestaltung verschiedener elektronischer Zahlungssysteme – sie publiziert auch in diesem Bereich.

Als Co-Director SFTI (Swiss FinTech Innovations), Gastprofessorin und Leiterin FinTank am Insitut für Finanzmanagement FHNW, Geschäftsführerin des Schweizerischen Leasingverbandes (SLV) und als Mitglied der Arbeitsgruppen Datenschutz und Datenpolitik der Economiesuisse, ist Cornelia Stengel zudem auch engagiert im Rahmen von Gesetzgebungsprojekten.