Erst vor wenigen Tagen haben wir ausführlich berichtet über die E-ID, die digitale Identität für die Schweiz, und die Pläne des Bundesrates vorgestellt. Mit Fokus auf die klare Haltung des Bundesrates, welcher an der Aufgabenteilung zwischen Staat und Privaten festhalten will.
Die Chronik eines angekündigten Donnerschlages
Die Vorankündigung zur Medienkonferenz hat ihr Rätsel insofern gewahrt, als da lediglich von zehn CEOs und GL-Mitgliedern grosser Schweizer Unternehmen die Rede war, die sich am 21. November 2017 im Hauptbahnhof Zürich äussern werden. Zu was genau, blieb noch ungesagt. Das Datum und die Location haben auf etwas Digitales schliessen lassen, weil am 21. der erste Schweizer Digitaltag auf dem Programm stand.
Die Einladung zur Medienkonferenz am Tag zuvor hat dann klar gemacht, dass die Veranstaltung am Rande des nationalen Digitaltages ebenfalls sehr digital ausfallen dürfte. Thema: "Digitale Identität der Schweiz".
Unser Korrespondent, Oscar Neira, war an der Medienkonferenz dabei und teilt seine Notizen mit unseren Leserinnen und Lesern.
Der Donnerschlag: Ein einziges Unternehmen für eine einzige SwissID
SBB und Post sind schon länger mit der Digital Identity beschäftigt. Parallel dazu auch UBS, Credit Suisse und Swisscom. Und weitere Mitspieler, die ähnliche Projekte verfolgen.
Überraschend schnell haben sich die bisherigen und auch einige neue Parteien auf einen gemeinsamen Kurs verständigt:
Die Vision der digitalen Identität für die Schweiz soll Gestalt annehmen. Sie soll schnell Gestalt annehmen. Dabei sollen nicht zwei oder fünf oder hundert Konkurrenzprodukte entstehen, die sich gegenseitig das Wasser abgraben (Beispiel Paymit und Twint) und die Bevölkerung verwirren – mit vereinten Kräften und mit gemeinsamen Investitionen (ein hoher zweistelliger Millionenbetrag) soll DIE Digital Identity geschaffen werden, die alles kann, einfach zu bedienen ist und Sicherheit bietet. Eine einzige Lösung, die sich bei der Bevölkerung auch deshalb schnell durchsetzen soll, weil sie breit und überall eingesetzt werden kann (Wirtschaft, E-Commerce, eGovernment etc.), um sich einzuloggen oder um sich eindeutig zu identifizieren.
Die Allianz mit breiter Trägerschaft
Die in der Einladung versprochenen zehn CEOs und GL-Mitgliedern grosser Schweizer Unternehmen waren ausnahmslos da, um das Resultat der neuen Einigkeit und die konkrete Lösung gemeinsam vorzustellen. Eine gewisse Begeisterung war spürbar, Freude und Erleichterung ganz sicher. Zu Recht: Mag es noch gelingen, mehrere Grosse an einen Tisch zu bringen, verlassen ebendiese Grossen den Verhandlungstisch sehr selten mit einer gemeinsamen Lösung. Diesmal schon. Und so sieht diese Lösung aus:
Die Gründung der Swiss Sign Group AG
Die gemeinsame Gesellschaft wird gehalten von allen beteiligten Unternehmen mit folgender Kapitalverteilung:
- 45% staatsnahe Unternehmen (Post, SBB, Swisscom)
- 45% Banken und Finanzdienstleister (Credit Suisse, Raiffeisen Schweiz, UBS, Zürcher Kantonalbank, SIX)
- 10% strategische Partner und Versicherungen (Mobiliar plus eventuell weitere Versicherer)
Wer die Chronologie der Ereignisse um die Entstehung der Digital Identity in der Schweiz mitverfolgt hat, erkennt auf einen Blick: Raiffeisen, Zürcher Kantonalbank, SIX und die Mobiliar sind neu mit an Bord.
Das gemeinsame Projekt
Das Joint Venture von Post und Swisscom, die Swiss Sign AG, geht ab Januar 2018 in der Swiss Sign Group AG auf, inklusive der bisherigen Lösung SwissID. Die Führung des neuen Unternehmens wird aus der Geschäftsleitung der ehemaligen Swiss Sign AG bestehen, als CEO ist Markus Naef bestimmt worden.
Die Ziele der Swiss Sign Group AG: Das neue Unternehmen wird die bestehende SwissID-Lösung weiterentwickeln und den anerkannten Standards rund um digitale Identitäten folgen, für grenzüberschreitende Interoperabilität zwischen verschiedenen E-ID-Systemen sorgen und gegenüber neuen Partnern, Nutzern und anderen Technologien nicht-diskriminierend, offen und transparent sein.
Die Verwendung der digitalen Identität wird für private Anwender kostenlos sein. Die Swiss Sign Group AG finanziert sich aus einem Entschädigungsmodell, das in erster Linie durch die Anbieter von Online Services gespiesen werden soll. Interessantes Detail und von CEO Markus Naef bestätigt: auch staatliche Stellen sollen bezahlen müssen, wenn sie als Anbieter von Online-Leistungen die Verifierungs-Dienste nutzen.
Memorandum of Understanding
Symbolisch an der Medienkonferenz nochmals unterzeichnet, bekräftigen die Exponenten der beteiligten Unternehmen mit dem Memorandum of Understanding den gemeinsamen Kurs und die gemeinsamen Ziele. Namentlich stehen die folgenden Persönlichkeiten für diese Ziele und für das neue Unternehmen ein:
- Susanne Ruoff, CEO, Post
- Lukas Gähwiler, VR-Präsident, UBS
- Andreas Meyer, CEO, SBB
- Urs Schaeppi, CEO, Swisscom
- Patrik Gisel, CEO, Raiffeisen Schweiz
- Thomas Gottstein, CEO, Credit Suisse
- Urs Rüegsegger, Group CEO, SIX
- Daniel Previdoli, Head of Products, Services & Direct Banking, Zürcher Kantonalbank
- Markus Hongler, CEO, Mobiliar
Der zehnte anwesende CEO im Bunde ist Markus Naef, der die Swiss Sign Group AG leitet.
Was die SwissID können muss und wird
Mit den folgenden Use Cases unterstreichen die beteiligten Unternehmen, wie die SwissID die Digitalisierung der Prozesse unterstützen und den digitalen Alltag der Schweizer Bevölkerung vereinfachen soll:
- mit SwissID benötigt der Nutzer nur noch ein Passwort, um sich sicher auf einer Vielzahl von Onlinediensten einzuloggen
- der Nutzer weist sich online aus, bestätigt seine Identität und bei Bedarf weitere Angaben wie sein Alter
- Anwender füllen mit SwissID ihre Steuererklärung aus, unterschreiben und schicken sie direkt an die Steuerverwaltung, alles online und ohne Medienbrüche
- Verträge können online rechtsgültig abgeschlossen und signiert werden
- der Nutzer gibt mit SwissID seine Daten aktiv an ausgewählte Onlinedienst-Anbieter frei und verwaltet sie zentral an einem Ort
Die SwissSign Group AG wird nun sehr rasch ihren Kunden und Nutzern eine bestätigte Identität auf der Basis von SwissID anbieten können. Schon bald dürften Lösungen für die Anbieter von Online-Dienstleistungen folgen, also E-IDs für E-Commerce Lösungen, einfache E-Government Anwendungen oder Zugänge zu ausgewählten Dienstleistungen der Banken oder Versicherungen.
E-ID Anwendungen im E-Health Bereich und für E-Banking sind um einiges anspruchsvoller. Hier dürfte es noch eine längere Zeit dauern bis verlässliche Lösungen für diese Bereiche vorhanden sein werden.
Statements
Praktisch alle Exponenten der beteiligten Unternehmen weisen darauf hin, dass Sicherheit und Datenschutz absolute Priorität geniessen. Die Hoheit über die Nutzung der Daten bleibt immer beim Anwender, der Datenschutz ist durchwegs gewährleistet. Die Daten bleiben in der Schweiz, die Anwender wissen zu jeder Zeit, wer ihre Daten mit ihrer Erlaubnis wofür verwendet.
Ein Shop-Betreiber kann keine Detaildaten abgreifen, bei Logins oder Einkäufen im Internet wird lediglich die Identität bestätigt und verifiziert. Besteht zum Beispiel eine Altersbeschränkung, gibt das System nicht das Alter des Anwenders preis, es bestätigt lediglich, dass der Kunde über 18 Jahre alt ist.
Susanne Ruoff, CEO Post:
«Ein historischer Durchbruch für die digitale Schweiz, ein Leuchtturmprojekt, ein Projekt, das die Schweiz prägen wird.»
«Die Schweiz zeigt heute, dass sie eines der weltweit fortschrittlichsten und modernsten Länder ist. Und wir beweisen ihnen, dass diesen Worten auch Taten folgen.»
«Es ist ein besonderer Beweis dafür, dass grosse Entwicklungen nie eine Person oder ein Unternehmen alleine kann, sondern dass es das Produkt eines Teams ist.»
Andreas Meyer, CEO SBB:
«Es ist kein bescheidener Durchbruch, es ist ein gewaltiger Durchbruch. Wir hätten in den beteiligten Unternehmen 50 bis 100 verschiedene IDs versammelt und wir reduzieren jetzt auf eine einzige.»
Patrik Gisel, CEO Raiffeisen Schweiz:
«Wir schaffen eine offene digitale Identität, für andere Anbieter zugänglich und nutzbar – und sie muss interoperabel sein.»
Markus Naef, CEO Swiss Sign Group:
«Auch eGov-Anwendungen werden möglich sein und wir schaffen auch eine Basis oder das Fundament für E-Voting und E-Health.»
Parallel zur Medienkonferenz der Swiss Sign Group hat die Swiss Data Alliance am gleichen Tag ein Lösungskonzept vorgestellt, mit dem Titel: "So wird die digitale Identität in der Schweiz zum Erfolg". Das umfangreiche Positionspapier kann hier runtergeladen werden.