Das mit der längeren Haltbarkeit hängt damit zusammen, dass die Plätze 1 und 3 von Begriffen belegt werden, die beide direkt oder indirekt mit der Corona-Pandemie verknüpft sind: Impfdurchbruch und entfreunden. Auch der Begriff auf Platz 2 hat alle Chancen, in der Diskussion zu bleiben: Starkregen.
Zwei Begriffe überraschen nicht unbedingt, der dritte, entfreunden, hingegen schon. Bekommt das Ausschliessen von "Freunden" auf Social Medias als Begriff ein derartiges Gewicht, ist das ein sehr schlechtes Zeichen. Sicher ein Indikator dafür, wie dünnhäutig, intolerant, wenig diskussions- und kompromissbereit Teile der Gesellschaft unterwegs sind. Unterschiedliche Meinungen und Haltungen bilden den Boden für Diskussionen und legen damit die Spur zu möglicherweise richtigen Wegen und Entscheidungen.
Ist Pluralität als Chance eine überholte Betrachtung von gestern? Werden andere Meinungen gleich weggeputzt und durch entfreunden aus dem eigenen Gesichtsfeld verbannt? Möglicherweise ein guter Zeitpunkt, vermehrt die Unterschiede zwischen Meinung, Wahrheit, Fakten zu thematisieren. Anspruch auf die eigene Meinung hat jede und jeder. Mit dem Anspruch auf eigene Fakten und Wahrheiten wird's schwieriger – dem einen wie dem anderen kommen offene und deshalb diskussionsbereite Gesellschaften in der Regel näher, gemeinsam eben, im Austausch und im Dialog.
Die Wahl zum Wort des Jahres folgt wissenschaftlichen Kritierien und Methoden – dafür steht das Departement Angewandte Linguistik der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW.
Platz 1: Impfdurchbruch
Die Impfung sollte den Durchbruch bei der Pandemie bringen und die Normalität wieder herstellen. So wurde es uns gesagt. Das Virus lässt sich aber nicht einfach wegimpfen, vielmehr bricht es immer wieder durch – sei es mit neuen Varianten oder eben mit sogenannten Impfdurchbrüchen. Die Menschen reagieren unterschiedlich darauf: Bei vielen beginnt Wut auszubrechen, einigen bricht der Boden unter den Füssen weg und sie geraten in eine Depression, während andere auf den Befreiungsschlag durch den Booster hoffen, der endlich den ersehnten Durchbruch bringen soll.
Platz 2: Starkregen
Auch wer mit wasserfesten Schuhen, funktionaler Regenbekleidung und Schirm unterwegs war, wurde nass in diesem Jahr. Die Meteorologen warnten alle paar Tage vor Starkregen, der ganze Landstriche im Wasser untergehen liess. Der Schweizer Sommer war geprägt von ungewöhnlich häufigen, sintflutartigen Regenfällen, während in anderen Teilen Europas täglich Hitzerekorde gebrochen wurden. All dies hat die Debatte um die Klimaerwärmung intensiviert, mit der bei uns, gemäss Voraussagen, vermehrt starker Regen herrschen wird.
Platz 3: entfreunden
Freundschaften wurden durch die Impfdebatte auf eine harte Probe gestellt. Plötzlich taten sich unüberwindbare Gräben auf zwischen Impfwilligen und Impfverweigerern. So unvereinbar und unverhandelbar schienen die Standpunkte in manchen Fällen, dass man sich entfreundete. Das Wort, das mit dem Aufkommen von Social Media geläufig wurde, bezeichnet das Beenden der Freundschaft durch Anklicken eines Buttons. Entfreundet hat man sich aber nicht nur im Privaten: Das Virus hat auch im gesellschaftlichen Gefüge zu Brüchen geführt.
«2021 haben diese Wörter den Diskurs in der Schweiz geprägt – wissenschaftlich belegt in der Textdatenbank und bestätigt durch die Wahl der vier Jurys aus Sprachschaffenden», erklärt ZHAW-Sprachwissenschaftlerin Marlies Whitehouse, Leiterin der deutschsprachigen Jury und Koordinatorin des Projekts Wort des Jahres Schweiz.
Das Wort des Jahres in allen vier Landessprachen – und wie es dazu kommt
2017 hat das Departement Angewandte Linguistik der ZHAW die Verantwortung für die Wahl des Wortes des Jahres übernommen. Seither erfolgt die Wahl mehrsprachig, forschungsbasiert und interaktiv. In Zusammenarbeit mit der Lia Rumantscha wird seit 2019 das Wort des Jahres Schweiz auch in Rätoromanisch gewählt. Für jede Sprache führt die Wahl über drei Stufen:
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysieren die Schweizer Diskursdatenbank Korpus Swiss-AL und bestimmen pro Sprache die rund 30 Wörter, die im Jahr 2021 häufiger oder deutlich anders verwendet wurden als in den Jahren zuvor. Dann wählt eine Jury von Sprachprofis aus dieser Liste, aus Publikumsvorschlägen und aufgrund eigener Erfahrung die drei markantesten Wörter. Und schliesslich zeigen die Forschenden auf, wie sich diese Wörter 2021 im Sprachgebrauch in der Schweiz entwickelt haben und für welche gesellschaftlichen Veränderungen sie stehen.
Die vier Jurys bestehen aus je rund zehn Sprachschaffenden aus der deutsch-, französisch-, italienisch- und rätoromanischsprachigen Schweiz. Für Datenbank und Projektleitung verantwortlich zeichnet das Departement Angewandte Linguistik der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW in Winterthur.
Mehr zum Wort des Jahres Schweiz gibt's direkt bei der ZHAW, über diesen Link.