Bankerinnen und Banker sind häufig auf Geschäftsreisen rund um den Globus unterwegs, deshalb wollen und können sie sich Flugscham nicht leisten. Es gibt jedoch andere Wege, um das Boarding ohne Schamesröte hinter sich zu bringen. Julius Bär hat einen dieser Wege gefunden: die Bank kooperiert mit Swiss und kauft nachhaltigen Flugtreibstoff.
Das Abkommen zur Förderungn nachhaltiger Flugreisen
Mit dem Kauf von Sustainable Aviation Fuel (SAF) will Julius Bär in Kooperation mit Swiss und der Lufthansa Gruppe die Entwicklung und Etablierung dieser alternativen Energiequelle unterstützen. SAF ist ein Treibstoff, der aus nichtfossilen Rohstoffen hergestellt wird, zum Beispiel biogene Abfälle wie Altspeiseöl und tierische Fettabfälle.
Bei der Dekarbonisierung des Flugverkehrs soll SAF in Zukunft eine zentrale Rolle einnehmen, da es mindestens 80 Prozent weniger CO2-Emissionen verursacht als Kerosin. Andere Lösungen, zum Beispiel Flugzeuge mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb, befinden sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium. Nachhaltige Flugtreibstoffe können jedoch bereits heute industriell hergestellt und in bestehenden Flugzeugen und Infrastrukturen eingesetzt werden.
Warum kauft eine Bank nachhaltigen Flugtreibstoff?
Wie bereits angeführt: Bankerinnen und Banker reisen viel. Bei Julius Bär stammen nach eigenen Aussagen erstaunliche zwei Drittel der betrieblichen Treibhausgasemissionen aus dem Flugverkehr.
Im Rahmen ihrer Klimastrategie hat sich die Bank verpflichtet, die Emissionen aus Geschäftsreisen bis 2025 um 30 Prozent gegenüber 2019 zu reduzieren. Darüber hinaus hat Julius Bär einen internen Preis für Flugreisen von CHF 100 pro Tonne Kohlendioxidäquivalent eingeführt. Mit diesen Mitteln kauft die Bank nachhaltigen Flugtreibstoff als Alternative zu Kerosin.
Yvonne Suter, Leiterin Nachhaltigkeit bei Julius Bär, unterstreicht die führende Rolle in der Finanzbranche, welche die Bank mit dieser Initiative einnimmt, um die Entwicklung eines nachhaltigeren Flugverkehrs zu fördern. Suter sagt:
«Als globaler Vermögensverwalter sind wir uns bewusst, dass Flugreisen einen wichtigen Teil unserer Geschäftstätigkeit ausmachen. Wir können jedoch Schritte einleiten, um die Auswirkungen zu minimieren.»
Die Reise der alternativen Flugtreibstoffe hat erst begonnen
SAF ist heute noch bis zu fünf Mal teurer als Kerosin und die global verfügbare Menge ist sehr gering. Aktuell sind nur rund 0.1 Prozent (240'000 Tonnen) des weltweit benötigten Treibstoffs nichtfossilen Ursprungs.
Die Lufthansa Group hat 2022 rund 13'000 Tonnen SAF eingesetzt. Das entspricht 0.2 Prozent des Treibstoffbedarfs der Lufthansa Group und etwa 5 Prozent des weltweit verfügbaren SAF.
Die Kooperation von Julius Bär und Swiss ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die nachhaltigen Flugtreibstoffe sollen populärer werden, die Produktion soll noch stärker industrialisiert werden. Das eine wie das andere führt zur Verfügbarkeit grösserer Mengen und zu laufend sinkenden Preisen für SAF.
Führt die kultivierte Flugscham zu weniger Flugverkehr?
Den Begriff "Flugscham" gibt's erst seit 2017. Entstanden aus der Einsicht, dass der Luftverkehr zu den zentralen Treibern der Klimaerwärmung und den grössten Verursachern von Treibhausgasen gehört. 2019, neben "Klimajugend", mit zum Wort des Jahres in der Schweiz gewählt, hat sich die Flugscham dennoch nicht epidemisch ausgebreitet. Die Feriensaison hat auch im Flughafen Zürich und anderso gezeigt, dass Menschen reisen und fliegen wollen – und dass sie das auch tun.
Das Wort "Flugscham" ist allerdings auch etwas irreführend. Es wird nicht verlangt, dass Menschen mit Schamesröte im Gesicht ins Flugzeug steigen. Es geht mehr um das verstärkte Bewusstsein, ob und wann das Flugzeug als Transportmittel gewählt wird und wann deutlich umweltschonendere Verkehrsmittel, zum Beispiel die Bahn innerhalb von Europa, die bessere Wahl sein könnten.
Flugscham hin oder her, Millionen von Menschen zu Verhaltensänderungen zu bewegen, ist eine missionarische Herkulesaufgabe mit ungewissem Ausgang. Ein Ansatz mit stärkerer Wirkung liegt darin, Probleme vom anderen Ende her gedacht direkt am Kern anzupacken und zu lösen. Wird die Fliegerei durch verfügbare Technologie, durch nachhaltige Treibstoffe und möglicherweise auch durch Anpassungen im Pricing forciert in umweltschonendere Bahnen gebracht, geht das sehr viel schneller, effizienter und wirkungsvoller.
Diese Verantwortung kann nicht allein bei der Wirtschaft liegen, hier ist vor allem auch die Politik gefragt. Ohne mutige und richtungsweisende Entscheidungen wird es nicht funktionieren. Werden die von dieser Seite provozierten und realisierten positiven Wirkungen verstärkt durch ein erst allmählich wachsendes Bewusstsein von Millionen von reiselustigen Menschen, gewinnen alle. Das wird spürbar durch den gewünschten Effekt, dass eine gesundende und intakte Welt weiterhin bereist werden kann und darf.
Heute ist die Initiative von Julius Bär noch eine Premiere und eine exklusive Pioniertat. Diesen Status sollte sie bald verlieren. Es sind sehr viele Initiativen notwendig, von allen Seiten, um die anstehenden Probleme in den Griff zu bekommen. Die Zeit der endlosen Diskussionen ist abgelaufen, jetzt sind mutige Schritte und wirkungsvolle Massnahmen gefragt. Verharrt die Politik im Gezänk der Parteien weiterhin überwiegend im Modus von "könnte, sollte, müsste, aber bitte nicht so", läuft irgendwann auch die Zeit für konkrete Massnahmen ab, weil die Welt sich schneller dreht als wir zu handeln bereit sind.