In der Ankündigung von Postfinance und Swissquote war von "Challenger" erstmal nicht die Rede, nur von einer gemeinsamen "Digital Banking App". Das klingt allerdings ein bisschen nach Neo-Bank, das ist die weniger aggressive Form der Challenger-Bank.
Eine brandneue digitale App müsste allerdings auch irgendwen challengen, sonst wäre sie nur neu und nicht anders . Vielleicht die CSX, die App der Credit Suisse? Oder verfolgen Postfinance und Swissquote denselben Anspruch, den CSX mit ihrer "Hey Anzugträger"-Kampagne in diesen Tagen etabliert: "Eine Bank, die sich wie eine App anfühlt"?
Oder geht's gegen Neon, Yapeal und Zak, inklusive Revolut und N26? Vielleicht steht auch die jüngste Neo-Bank im Fokus, die sich von allen anderen Neo- und Challenger-Banken unterscheidet – das wäre dann die Flow Bank, die sich vor allem als Investment- und Trading-Plattform für Rookies und für Profis etablieren will, indem sie "etwas Neues schafft und bald schon abheben" wird.
Im Moment weiss man nur: "Banking & Beyond"
Unter diesem vielversprechenden Segel hat die Postfinance bereits vor einigen Wochen "ein radikal neues, vollständig digital gedachtes Angebot" angekündigt, dass im Verlauf des kommenden Jahres lanciert werden soll.
Neu ist, dass Postfinance dieses digitale Angebot nun nicht allein, sondern in Kooperation mit Swissquote lancieren will, sofern die behördlichen Genehmigungen dazu erteilt werden. Die möglichen Vorteile dieses Joint Ventures leuchten ein: Postfinance weiss, wie Banking geht, Swissquote kann Online-Trading, Kryptowährungen inklusive.
Zudem entsteht durch dieses Joint Venture ein neues Modell. Neon und Yapeal sind autonome FinTechs und eigenständige Neo-Banken, die ihre Lösungen als Startups auf der grünen Wiese entwickelt haben. Zak und CSX sind nicht direkt zu vergleichen, aber beide verfolgen eine hybride Strategie, also traditionelle Bank hier in Verbindung mit einer hippen App dort. Bank Cler wie auch die Credit Suisse wollen "das Beste aus beiden Welten" zusammenführen und kombinieren.
Neo-Bank auf der grünen Wiese oder hybrides Modell unter zwei Dächern?
Die "Digital Banking App" von Postfinance und Swissquote könnte auf der grünen Wiese entwickelt werden und deshalb mit dem Biss und der DNA eines Startups in den Mark gehen. Eher nicht. Oder dann aus den Ressourcen und mit der Erfahrung der beiden Häuser geschaffen werden. Eher ja. Dann hätten wir ein hybrides Modell einer App mit einer klassischen Bank und einem FinTech mit Banklizenz im Rücken. Das wäre als Konstrukt in dieser Konstellation neu.
So oder so interessant, auch wenn heute noch völlig unklar ist, was unter einem "radikal neuen, vollständig digital gedachten Angebot" zu verstehen ist. Das digital gedachte Angebot haben andere bereis vorweggenommen, deshalb darf man auf das "radikal neu" gespannt sein. Beim Angebot für "Banking & Beyond" ist besonders das "Beyond" von Interesse – darin könnte die Wundertüte liegen, die tatsächliche Unterschiede schafft.
In ihrer gemeinsamen Mitteilung melden Postfinance und Swissquote, dass an der App bereits seit einiger Zeit gearbeitet wird, sie soll nun innerhalb des Joint Ventures weiterentwickelt werden. Details zum Projekt sollen im ersten Semester 2021 kommuniziert werden, "sobald die Einführung eines konkreten Marktangebotes bevorsteht".
Differenzierung wird wichtiger
Märkte, Kunden und Konkurrenten sind gespannt und werden in einigen Monaten wissen, was auf der aktuellen Baustelle entstanden ist und wie sich die gemeinsame "Digital Banking App" von Postfinance und Swissquote von bereits bestehenden Angeboten unterscheidet. Ist die Lösung tatsächlich "radikal neu" und überrascht mit viel "Beyond", hat sie alle Chancen. Kommt die App ohne "Beyond" und ist weder radikal noch anders, ist es einfach ein Neo-Dings dazu, aus gutem Hause oder guten Häusern. Es dürfte dann auch nicht allzu viel bewegen, das zahlreiche Konkurrenten mit ihrem Vorsprung nicht bereits bewegt hätten.