Hört man längere Zeit nichts zu Projekten aus Bundesbern, ist das in der Regel kein gutes Zeichen. Bei der neuen Schweizer E-ID ist das Gegenteil der Fall. Zudem hört man nicht nichts, der Lärmpegel ist momentan einfach noch tief gehalten.
Im März 2021 ist die erste Fassung des E-ID-Gesetzes nach heftigem Widerstand von verschiedenen Seiten auch von der Schweizer Bevölkerung mit 64.4 Prozent klar abgelehnt worden. Knackpunkt war damals, dass Bundesrat und Parlament durchdrücken wollten, dass die Schweizer E-ID von privaten Unternehmen, sogenannten Identity Providers, ausgestellt wird. Was der Privatwirtschaft gut gefallen hat, ist von der Bevölkerung nicht goutiert worden. Im Zentrum standen Datenschutz-Bedenken, Schweizerinnen und Schweizer wollten die Ausstellung und Verwaltung ihrer digitalen Identität beim Staat und nicht bei Privaten angebunden haben.
Die wesentlichen Stationen der E-ID sind hier dokumentiert und nachgezeichnet.
Drei Jahre danach
Die für den Bundesrat bittere Pille der Ablehnung ist offenbar zügig verdaut worden. Alle involvierten Gremien haben erstaunlich schnell gearbeitet, um der E-ID in neuer Form eine konkrete Gestalt zu geben. Die neue Vorlage ist zudem breiter abgestützt, auch erklärte Gegner der ersten Ausgabe sind in die Erarbeitung der revidierten Fassung mit einbezogen worden. Plus Exponenten aus Kantonen, Parteien und Fachgremien.
In seiner Sitzung vom 22. November 2023 hat der Bundesrat die Botschaft zum neuen Bundesgesetz über den elektronischen Identitätsnachweis und andere elektronische Nachweise verabschiedet (E-ID-Gesetz, BGEID). Diese Botschaft umfasst im Kern die folgenden Punkte:
Geblieben ist das das Kernziel, mit der neuen Elektronischen Identität (E-ID) des Bundes sollen sich Nutzerinnen und Nutzer sicher, schnell und unkompliziert digital ausweisen können.
Die E-ID soll vom Bund herausgegeben werden, den grösstmöglichen Schutz der persönlichen Daten gewährleisten, kostenlos und freiwillig sein. Der Bundesrat schlägt vor, dass die für den Betrieb der E-ID erforderliche Infrastruktur auch von kantonalen und kommunalen Behörden sowie von Privaten für die Ausstellung von elektronischen Nachweisen genutzt werden kann.
Die neue Fassung und die Pläne für die E-ID in revidierter Form sind von Anfang an auf ein positives Echo und auf breite Zustimmung gestossen. Für den aktuellen Gesetzesentwurf sind Mitte März 2024 im Nationalrat die Ampeln mit Überzeugung auf grün gestell worden – mit 175 Ja-Stimmen gegen 12 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen. Voraussichtlich wird die Vorlage in einigen Wochen auch im Ständerat nicht auf Widerstand stossen.
Die vielseitige E-ID ist auf guten Wegen
Die digitale Identität der Schweizerinnen und Schweizer ist vollständig beim Staat angebunden und wird vom Bund verantwortet. Für die Herausgabe der E-ID soll das Fedpol (Bundesamt für Polizei) zuständig seinn, den Betrieb der Infrastruktur stellen das Bundesamt für Justiz (BJ), das Bundesamt für Informatik (BIT) und die Digitale Verwaltung Schweiz (DVS) sicher.
Die Kontrolle der Daten bleibt bei den Inhaberinnen und Inhabern der E-ID, sie entscheiden, wer welche Daten erhalten soll. Deshalb ist die E-ID nur auf dem eigenen Smartphone gespeichert, der Bund hat keine Kontrolle darüber, wann und wo die E-ID eingesetzt wird.
Bei der persönlichen Nutzung im physischen Shop oder auch im Internet soll zum Beispiel ein erforderlicher Altersnachweis für Alkoholeinkäufe nicht in Form von Namen oder Geburtsdatum erfolgen, die E-ID bestätigt lediglich, dass der Käufer über 18 Jahre alt ist.
Zudem ist die E-ID nicht nur die digitale Ausführung des physischen Personalausweises, sie kann mehr. Das Konzept geht in Richtung einer Wallet, die auf einem breiter gedachten Ökosystem basiert. So lassen sich Kantone, Gemeinden, Ämter und private Unternehmen involvieren, wenn der User das wünscht. Dadurch wird es möglich, benötigte Dokumente online direkt bei Behörden anzufordern, sich selbst auszuweisen und die Dokumente anderen Stellen im Ökosystem zur Verfügung zu stellen und in der eigenen Wallet zu speichern. Die Wallet soll auch zulassen zum Beispiel Diplome, Rezepte vom Arzt, Tickets und andere Dokumente aufzunehmen, die dann wiederum im Ökosystem für befugte Dritte freigeschaltet werden können.
Die neu gedachte E-ID ist vielseitiger geworden und dadurch breiter einsetzbar. Zudem stehen Datenschutz und selbst verwaltete Identität im Vordergrund. Inhaberinnen und Inhaber sollen die Kontrolle behalten und jederzeit entscheiden können, wem sie welche Daten zur Verfügung stellen möchten.
Die E-ID soll zudem internationalen Standards folgen, so dass sie auch im Ausland eingesetzt werden kann.
Wann die E-ID kommt und was sie kostet
Die notwendige Infrastruktur ist im Aufbau und erste Pilotprojekte sind aufgegleist. Die Zustimmung zur E-ID in fast allen Lagern verschafft dem Projekt den notwendigen Rückenwind.
Insgesamt werden im Zeitraum 2023 bis 2028 für die Entwicklung und den Betrieb der Vertrauens-Infrastruktur, die Ausgabe der E-ID und die Pilotprojekte rund 182 Millionen Franken benötigt. Die Betriebskosten ab 2029 werden mit rund 25 Millionen Franken pro Jahr veranschlagt. Diese Budgets sind vom Nationalrat bereits bewilligt worden.
Der Bund hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und nimmt auch seine Informationspflichten wahr, um die Bevölkerung und verschiedene Interessen-Gruppen mit ins Boot der E-ID zu holen – unter anderem mit dieser Website.
Läuft alles nach Plan, soll im ersten Quartal 2026 mit dem graduellen Rollout der neuen E-ID begonnen werden.