Neo-Banken

Neo-Bank N26 beendet ihr Brasilien-Abenteuer und will sich auf Europa konzentrieren

Eingang des Hauptquartiers der Neo-Bank N26 in Berlin
Bild: Felix Geringswald | Shutterstock

N26 besinnt sich zurück auf ihre bereits vor drei Jahren formulierte Strategie – leidet jedoch weiterhin unter den Fesseln der Wachstumsbeschränkung.

Die Neo-Bank N26 gehört mit zu Pionieren in Europa – und zu den FinTechs mit einer bewegten Geschichte. Seit ihrem Launch Anfang 2015 schreibt die Neo-Bank Kapitel mit grossen Erfolgen, Expansion, starkem Wachstum, regulatorischem Gegenwind und herben Rückschlägen. Ein Update mit den aktuellen Entwicklungen.

Zögerlicher und halbherziger Einstieg in einen grossen Markt

Als N26 im Sommer 2019 ihre Brasilienpläne kommunizierte, standen die Chancen für die Berliner Neo-Bank nicht schlecht. Platzhirsch Nubank hatte zu diesem Zeitpunkt den Riesenmarkt Brasilien sehr gut für Smartphone-Banken vorbereitet und war mit 12 Millionen Kunden im Spiel. Für einen starken neuen Anbieter mit klarer Strategie schien in einem Markt mit über 200 Millionen Einwohnern noch einiges zu holen. Zumal Brasilien eine hohe Smartphone-Dichte hat, jedoch viele Menschen ohne Bankkonto. Ein guter Boden für N26 als Smartphone-Bank. 

Die Führung der Neo-Bank installierte 2019 wohl Büros in São Paulo, blieb aber operativ praktisch inaktiv. Der offizielle Start und Markteintritt wurde danach mehrmals verschoben, N26 hielt jedoch immer daran fest, in Brasilien starten zu wollen. Selbst dann, als N26-CEO Valentin Stalf Ende 2020 mit einem überraschenden Strategiewechsel überraschte:

Wir haben heute eine ganz klare Strategie, wir konzentrieren uns auf unsere Kernmärkt in Europa

Der Markteintritt in Brasilien mochte damals nicht mehr so recht zur neu fomulierten Strategie passen. N26 hat zu diesem Zeitpunkt weiterhin gezögert und die Entscheidung vor sich hergeschoben, wollte die Brasilienpläne jedoch nicht aufgeben. 

Irgendwann ab Ende 2021 erfolgte der Start halbherzig, ohne Elan und Feuer. Mit Wartelisten und ersten Kundinnen und Kunden, welche die App im Markt testen durften. Immerhin sollen nach Medienberichten so einige hunderttausend Nutzerinnen und Nutzer zusammengekommen sein, die Crew in São Paulo soll auf 120 Mitglieder angewachsen sein. 

Zu spät, halbherzig und "ein bisschen Markteintritt" kann nicht funktionieren. Die hoch finanzierte, aggressive und erfolgreiche Challenger-Bank Nubank war zu diesem Zeitpunkt bereits nahe an der Marke von 80 MIllionen Kundinnen und Kunden. Das Terrain war damit längst nicht mehr so offen wie 2019, heute besitzt fast jeder zweite Erwachsene in Brasilien ein Konto bei Nubank.

Rückzug aus Brasilien

Diese Woche hat N26 "das Ende ihres Produkttests" und ihren Rückzug aus dem brasilianischen Markt bekanntgegeben. Diese Entscheidung, so N26, folge der Strategie von N26, sich auf seine europäischen Kernmärkte zu konzentrieren. Damit wolle das Unternehmen seine Position als führende Digitalbank Europas weiter ausbauen.

Bei Lichte betrachtet hätte N26 sich den eher kostenintensiven und späten Startversuch mit angezogener Handbremse in Brasilien auch sparen können. Immerhin ist die neue Strategie mit Fokussierung auf Europa als Entscheidung bereits Ende 2020 gefallen. 

Die Neo-Bank wird die bestehenden Konten in Brasilien innerhalb der nächsten zwei Monate schliessen. Brasilianische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich auf offene Stellen in den europäischen Büros bewerben, kommuniziert das Unternehmen, um zukünftig das europäische Geschäft von N26 zu unterstützen. Nach einem "Willkommen in Europa" und Support beim Jobwechsel hört sich diese dürre Message allerdings nicht unbedingt an.

Konsequent verfolgte Europa-Strategie

Offenbar will N26 nun tatsächlich ihre selbstverordnete Europa-Strategie umsetzen. Mit dem Rückzug aus Brasilien ist das letzte Abenteuer ausserhalb Europas vom Tisch.

2020 hatte sich N26 kurze 18 Monate nach Markteintritt wieder aus Grossbritannien zurückgezogen. Das Unternehmen nannte damals den Brexit als Grund. Kostengründe und die starken Konkurrenten Revolut, Starling und andere Neo-Banken mit Heimvorteil dürften den Rückzug allerdings beflügelt haben. Zu diesem Zeitpunkt betreute N26 rund 200'000 Kunden in Grossbritannien.

2022 brach N26 nach zwei Jahren Kampf und Krampf im Markt USA die Zelte wieder ab und löste 500'000 Kundenkonten auf. Auch dieser Rückzug dürfte in den Ursachen auf eine übermächtige einheimische Challenger-Banken-Konkurrenz und zu hohe Kosten für die Gewinnung von Neukunden zurückzuführen sein.

Mit dem aktuellen Länder-Exit aus Brasilien ist das Terrain für die konsequenten Fokussierung auf europäische Märkte geebnet.

Wie weiter in Europa?

Sämtliche Kräfte auf Europa zu konzentrieren, ist sicher keine schlechte Entscheidung, wird in den möglichen Resultaten aber weiterhin limitiert durch eine Wachstumsbeschränkung, welche die BaFin N26 bereits vor zwei Jahren auferlegt hatte. Seit November 2021 darf die Neo-Bank um höchstens 50'000 Neukunden pro Monat wachsen. Diese Beschränkung ist für eine Neo-Bank, deren Erfolg stark mit der Realisierung von Skaleneffekten zusammenhängt, eine nahezu schon lebensbedrohende Katastrophe.

Diese zwei Jahre des nicht wirklich wachsen Dürfens haben dazu geführt, dass Erzrivale Revolut im deutschen Heimmarkt von N26 und auch im Rest von Europa freie Bahn hatte. Die zwangsverordnete Regungslosigkeit von N26 im Neukundengeschäft hat der Konkurrent genutzt, Revolut ist mit aktuell 35 Millionen Kunden längst an N26 mit rund 8 Millionen Kunden vorbeigezogen. Revolut generiert nach eigenen Aussagen heute bis zu 1 Million Neukunden pro Monat, während N26 auf 50'000 Neuzugänge beschränkt bleibt.

Erste Silberstreifen am Horizont für N26?

All dieser Widrigkeiten zum Trotz gibt sich N26 optimistisch und hat kommuniziert, im Jahr 2024 Profitabilität erreichen zu wollen. Sollte das gelingen, wäre das sehr erstaunlich, aber nur N26 kennt ihre eigenen Zahlen und die laufende Entwicklung.

Zudem, sofern die Recherchen unserer Kollegen von der Financial Times stimmen, hat die Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Fesseln für N26 etwas gelockert. Hatte die BaFin die Wachstumsbeschränkung auf 50'000 Kunden im März 2023 noch bestätigt und verlängert, soll diese Deckelung nun auf 60'000 erhöht worden sein. 

Dieser aktuelle Schritt macht für sich allein betrachtet keinen gewaltigen Unterschied, könnte jedoch immerhin als Indikator dafür gewertet werden, dass die Finanzaufsicht den Weg zur Aufhebung der Wachstumsobergrenze – möglicherweise in mehreren Schritten – angetreten hat.

Die vollzogene Anhebung dieser Grenze ist bisher allerdings weder von N26 noch von der BaFin offiziell bestätigt worden.