Neo-Banken

Machen Neo-Banken den klassischen Banken mehr und mehr das Geschäft streitig?

Junge Frau beim Banking mit dem Smartphone
Bild: GaudiLab | Getty Images

Ja, sagt die IFZ Retail-Banking-Studie der Hochschule Luzern und bestätigt, was auch andere Studien belegen: Neo-Banken sind auf dem Weg zur Hauptbank.

Neo-Banken gibt's nun seit knapp zehn Jahren. Als die ersten FinTechs mit ihren Smartphone-Apps an den Start gegangen sind, hat das die Finanzbranche nicht sonderlich beunruhigt. Ein paar "junge Wilde" versuchen was, war zu hören, weit werden sie nicht kommen. Banking ist in der Hand von etablierten Banken, war man überzeugt, Vertrauen und Seriosität stehen im Vordergrund, Spielereien auf Smartphones sind was für Neophile und Techfreaks, aber nichts für Bankkunden. Banking ist eine ernsthafte Sache nichts mit Fun und so. 

Zuerst die Zusatzkarte für den Urlaub

Die ersten Kundinnen und Kunden von Banken haben schon vor Jahren anders entschieden. Interessanterweise Bankerinnen und Banker auch. Zum Beispiel die Revolut-Karte fand bei Events regelmässig reissenden Absatz gerade bei Profis aus der Bankenwelt. Zu Beginn weniger aus Gründen von Spass, die Neos haben schlicht mit ihren Gebühren überzeugt. Deshalb gehörten die Karten von Neo-Banken bald schon zur Standardausrüstung in der Brieftasche auf Ferienreisen. Keine Gebühren, keine Aufschläge bei Wechselkursen – mehr Ferien und weniger Spesen haben einfach überzeugt. Irgendwie also doch etwas mit Spass, anfangs allerdings vor allem deshalb, weil auf Reisen die Brieftasche länger gefüllt geblieben ist. Die wirkliche Freude am Banking auf dem Smartphone kam erst später.

Dann das Zweitkonto bei der Neo-Bank

Die Neos waren schnell und vor allem sehr viel innovativer als klassische Banken. Sie haben laufend und in kurzer Zeit ihre Apps ausgebaut und mit Funktionen ausgerüstet, die einfach gut ankommen. Neben den tiefen Kosten haben heute sämtliche Neo-Banken alles rund um Karten, Zahlen und Überweisungen als Pflicht im Programm. Die Kür fällt bei den verschiedenen Anbietern ziemlich unterschiedlich aus, bei zahlreichen Neo-Banken gehören inzwischen jedoch individuelle IBANs, Spartöpfe, Aktien- und Kryptoanlagen, automatisierte Spar- und Invest-Funktionen, Marktplätze und mehr mit dazu. Oder, neben verschiedenen Kontotypen für Private, auch Konten für Kinder und Jugendliche sowie für die Sparte KMU und Business. Jeweils mit den Spezialitäten, welche diese unterschiedlichen Kundengruppen eben brauchen.

Der Schritt von der Zweitbank zur Hauptbank

Klassische Banken haben sich lange Zeit in Sicherheit gewähnt und auf den Vertrauensbonus gesetzt, den sie geniessen. Im Bereich des Vertrauens haben Banken in den letzten Jahr zum Teil allerdings Federn gelassen. Vor allem jedoch haben Neo-Banken mit ihren umfassenden Angeboten, ihren fairen Kostenstrukturen und ihrer Kontinuität in Sachen Service und Weiterentwicklung der Apps stark aufgeholt. Sie sind nicht mehr die "jungen Wilden" von einst, sie haben sich als ernstzunehmende Player etabliert, die innovativer unterwegs sind als die traditionellen Etablierten.

Dadurch sind die Ziel- und Kundengruppen für Neo-Banken in den letzten Jahren deutlich breiter geworden. Dass Smartphone-Banking sich auch bei Älteren durchsetzt und die bedingungslose Treue zur Hausbank inzwischen spürbar abnimmt, belegen nun schon mehrere Studien, unter anderen zum Beispiele diese. Eine aktuelle Studie der Hochschule Luzern legt nun nach und bestätigt diesen Trend.

900'000 Menschen in der Schweiz nutzen die Leistungen einer Neo-Bank

Knapp eine Million Nutzerinnen und Nutzer ist als Wert nicht von Pappe. Die Studie der Hochschule Luzern weiss noch mehr. Auch der Bekanntheitsgrad dieser Banken ist bereits hoch. 43 Prozent der befragten Personen kennen mindestens eine Smartphone-Bank. Die Apps der Neo-Banken sind inzwischen also in der Bevölkerung angekommen, schliessen die Autoren aus diesen Resultaten.

Besonders interessant: Die Apps der Neo-Banken werden heute auch für weit mehr als nur für Zahlungstransaktionen in den Ferien benutzt. So öffnen mehr als ein Drittel aller Nutzerinnen und Nutzer eine entsprechende App mindestes einmal pro Tag.

Aus Sicht von Andreas Dietrich, Professor für Banking and Finance an der Hochschule Luzern, stellt diese Entwicklung die etablierten Banken vor Herausforderungen:

Unsere Analyse zeigt, dass die Kundschaft von Smartphone-Banken diese viel häufiger weiterempfehlen als ihre Hausbank und die Kundenbasis bei Smartphone-Banken daher weiter rasch wächst

Nach Ausssagen von Dietrich werden Neo-Banken in der Regel noch als Zweit- oder Drittbank genutzt und sind somit eine Ergänzung und kein Ersatz für bestehende Bankbeziehungen. Aber: die aktuelle Umfrage hat gezeigt, dass sich viele Nutzerinnen und Nutzer von Smartphone-Banken heute vorstellen können, künftig ihre Hauptbankbeziehung bei Anbietern wie Neon, Zak oder Yuh zu haben statt bei Regionalbanken, Raiffeisenbanken oder Kantonalbanken.

Andere, bereits von uns vorgestellte Studien, bestätigen diese Tendenz. Oftmals allerdings mit einer interessanten Nuance: Kundinnen und Kunden kündigen ihre bisherige Bankbeziehung nicht, die bleibt bestehen, wird jedoch nicht mehr als Hauptkonto genutzt, dieser Part wandert zur bisherigen Zweitbank. 

Diese Entwicklung bedeutet, dass Neo-Banken den Sprung von den früheren "jungen Wilden" zu den dynamischen, innovativen Neuen und deshalb fast schon Etablierten inzwischen geschafft haben. Eine Haltungsänderung, die klassische Banken tatsächlich vor Herausforderungen stellen kann. Die Absicht zum Wechsel und damit die sichtbare Tat muss nicht unbedingt abrupt laufen, fliessende Transfers bleiben möglich.

Wer kennt mindesten eine Neo-Bank?

Kennen ist erst die Vorstufe von Nutzen. Aber mit inzwischen 900'000 aktiven Nutzerinnen und Nutzern in der Schweiz ist der Sog offenbar stark genug, um weiterhin "Kenner" zu "Nutzern" werden zu lassen. Zudem zeigt die Tabelle, dass sich auch in Zukunft interessante Gruppen für Neo-Banken begeistern könnten. 

Vor allem Männer, jüngere Personen und besser gebildete Menschen kennen Smartphone-Banken. Personen mit höherem Lohn und höherem Vermögen kennen solche Marktteilnehmer eher als Personen aus tieferen Einkommens- und Vermögensschichten.

In der Tabelle ist nach verschiedenen Kriterien aufgeschlüsselt, wer von insgesamt 1'060 Betragen mindestens eine Neo-Bank kennt.

Neo-Banken legen weiterhin zu

Die Betrachtung der Banker von damals, als erste Neo-Banken gestartet sind, hat sich insofern sichtbar geändert, als sich klassische Banken heute ebenfalls auf die Fährte der Neo-Banken gesetzt haben. Mit unterschiedlichen Konzepten und Angeboten sind inzwischen zahlreiche klassische Banken unterwegs. Zum Beispiel Bank Cler mit Zak, Credit Suisse mit CSX, Postfinance und Swissquote mit Yuh oder auch die UBS mit Key4.

Die mitmischenden Grossbanken möchten übrigens nicht mit Neo-Banken verglichen werden, deshalb nennen sie sich auch nicht so und grenzen sich explizit von Neo-Banken. Für ihre Kundinnen und Kunden ist das allerdings uninteressantes Schattenboxen, diese denken nicht in diesen Begriffen. Die Etikette App oder Neo-Bank oder Challenger-Bank ist Kunden völig egal, sie vergleichen einfach Leistungen, Kosten, Komfort, Sicherheit und kommen dann zu einem Urteil.

Dass dieses Urteil oftmals in Richtung von Neo-Banken geht, zeigt die Entwicklung von Challenger-Schlachtross Revolut. Wir haben uns kürzlich die aktuellen Zahlen von Revolut bestätigen lassen: die Challenger-Bank hat heute weit über 500'000 aktive Kundinnen und Kunden in der Schweiz, die 600'000er-Marke liegt in Reichweite. Explizit nicht nur Signups, sondern wirklich aktive Nutzerinnen und Nutzer.

Erstaunliche Zahlen für eine Challenger-Bank mit 20 Millionen Kundinnen und Kunden weltweit, die jedoch in der Schweiz nicht mit Marketing und Werbung aktiv ist. Das braucht sie nicht, diesen Job übernehmen die Nutzerinnen und Nutzer, die aus dem Riesenangebot der Supper-App jene Teile weiterempfehlen, auf die sie selbst im Alltag nicht mehr verzichten möchten.

Der Traum jedes Anbieters muss bei Revolut nicht geträumt werden, dieser Traum funktioniert offensichtlich in der Realität. Ein Blick in die App und auf die Schlagzahl der laufend neu integrierten Funktionen und Features zeigt, warum eine App ganz ohne Werbung erfolgreich und in weiterhin grossen Schritten ihre Kundenbasis vergrössern kann.

Spielfelder für klassische Banken und für FinTechs mit ihren Neo-Banken

Dass auf Seite der FinTechs und Neo-Banken sowie auf Seite der klassischen Banken neue Apps entstehen und laufende Weiterentwicklungen im Gange sind, ist eine hervorragende Wende und Entwicklung.

Klassische Banken sind im Bereich Apps und Neo-Banken-Angeboten erstaunlich lange untätig geblieben – offenbar so lange, bis der Druck der neuen Anbieter im Markt unangenehm und deutlich spürbar geworden ist. Heute sind zahlreiche klassische Banken mit im Spiel und das bringt für alle Beteiligten Vorteile. Die Bandbreite von neuen Angeboten, smarten Funktionen und komfortablen Leistungen wird dadurch schneller grösser – darüber freuen sich Kundinnen und Kunden, welche aus einer Vielzahl von Angeboten die Option wählen können, die am besten zu ihren individuellen Wünschen passt. Zumal, wir wiederholen uns, Kundinnen und Kunden dürfte weiterhin völlig egal sein, ob über dem für sie besten Angebot die Flagge FinTech, Neo-Bank, App, Challenger-Bank oder klassische Bank mit App flattert.

Klassische Banken sehen das heute noch anders, sie setzen weiterhin auf den Vertrauensbonus, den in der Vergangenheit nur traditionelle Finanzinstitute genossen haben. Den gibt's tatsächlich auch heute noch, allerdings ist er seit längerem am Schwinden. Warum, wissen die Banken selbst, ihre Kundinnen und Kunden offenbar auch. Deshalb und unabhängig vom Anbieter: längerfristig werden die überzeugendsten Lösungen mit fairen Konditionen gewinnen und sich auch auf Dauer halten können.