Bei jeder Kartenzahlung fallen verschiedene Gebühren an, die an die involvierten Parteien wie Acquirer oder Issuer gehen. Also jene Parteien, welche Karten herausgeben oder Zahlungen abwickeln. Diese Gebühren werden von den jeweiligen Händlern getragen, in letzter Konsequenz indirekt allerdings von den Konsumentinnen und Konsumenten, die mit Karten bezahlen.
Eine dieser Gebühren ist die Interchange Fee. Diese Gebühr geht an die Kartenherausgeber, in der Regel sind das Banken, bei denen Kundinnen und Kunden ihre Karten beziehen. Interchange-Gebühren sind, je nach Position und Betrachtungsweise, ein teures Ärgernis für Händler oder eine konstante Einnahmenquelle für Issuer, also die Herausgeber der Karten.
Bei Kreditkarten lag die Interchange-Gebühr früher bei 1 Prozent oder sogar höher. Auf Druck der Wettbewerbskommission (Weko) sind diese Gebühren mehrfach reduziert worden. Die heute gültige Regel besagt, dass Banken im Durchschnitt nicht mehr als 0.44 Prozent pro Kreditkarten-Transaktion verlangen dürfen.
Bei Debitkarten lag die Interchange-Gebühr deutlich tiefer, insbesondere bei der Maestro-Karte, welche ohne Interchange Fee ausgekommen ist. Mit der Lancierung der neuen Debitkarten, welche die Maestro-Karten abgelöst haben, ist eine besondere Regelung eingeführt worden. Die Weko hat den Kartennetzwerken Visa und Mastercard in der Markteinführungsphase der neuen Debitkarten eine Interchange Fee von durchschnittlich 12 Rappen pro Transaktion zugebilligt. Allerdings nur bis zum Zeitpunkt, an dem der Marktanteil je 15 Prozent erreicht hat.
Die Interchange-Gebühren der neuen Debitkarten
Seit Einführung der neuen Debitkarten ist ein Streit um die Interchange-Gebühren entbrannt. Händler und deren Verbände sind der Ansicht, dass die Interchange Fees in der Schweiz "massiv zu hoch" sind. In absoluten Zahlen und auch im Vergleich zur EU, welche die Interchange-Gebühren bei Debitkarten mit maximal 0.2 Prozent gedeckelt hat. Bei Kreditkarten sind es 0.3 Prozent.
Die belasteten Interchange-Gebühren sind insofern nicht sehr transparent, als sie eher schwer vergleichbar sind. Zum Zeitpunkt, als Visa in den Fokus der Wettbewerbskommission (Weko) geraten ist, hat das Kartennetzwerk die Interchange-Gebühren per 1. Juli 2023 angepasst.
Der Handelsverband.swiss, unterstützt vom Verband Elektronischer Zahlungsverkehr (VEZ), moniert nach der Anpassung nicht nur die nach seiner Auffassung zu geringe Reduktion, sondern auch die Vergleichbarkeit von vorher und nachher.
Vor der Anpassung gab es unterschiedliche Tarife für verschiedene Branchen und die Interchange Fee wurde mehrheitlich in fixen Rappentarifen berechnet. Neu wird lediglich zwischen zwei "Branchen" unterschieden und die Höhe der Gebühr wird als Prozentsatz einer Zahlung berechnet. Als Beleg publiziert der Verband die Interchange Fees von Visa Debit vor der Anpassung, hier, und die Übersicht der Fees, die seit 1. Juli 2023 gelten, hier. Eine Replik vom Handelsverband.swiss zu diesem Vorher und Nachher ist hier zu lesen.
Dem Handelsverband.swiss sowie dem VEZ gehen diese Gebührenanpassungen zu wenig weit, beide Verbände halten eine viel deutlichere Senkung für angezeigt.
Die laufende Untersuchung der Wettbewerbskommission
Die Ansicht der zu hohen Interchange Fees teilt auch die Wettbewerbskommission (Weko), welche Mitte 2023 gegen Visa und gegen Mastercard je eine Untersuchung eröffnet hat. Im Zentrum stehen dabei die die Interchange-Gebühren der Karten Visa Debit und Debit Mastercard. Die Weko verweist darauf, dass die Wettbewerbsbehörde nur für die Phase der Markteinführung der neuen Debitkarten von Visa und Mastercard eine Interchange Fee zugelassen habe. Diese Phase wäre nun mit dem Erreichen eines Marktanteils von je 15 Prozent abgeschlossen. Deshalb ist die Höhe der Interchange Fee Gegenstand der Untersuchungen.
Parallel zu den laufenden Untersuchungen hat der Nationalrat Ende Februar 2024 zwei Vorstösse angenommen, die keine Reduktion, sondern gleich ein Verbot der Interchange Fees bei den neuen Debitkarten fordern. Mit der Begründung, dass Händler, Restaurants, Hotels und damit auch Konsumentinnen und Konsumenten durch die neuen Gebühren zu stark belastet würden. Neu deshalb, weil bei den frühere Maestro-Karten keine Interchange-Gebühren mit im Spiel waren. Der Bundesrat verweist in seiner ablehnenden Stellungnahme auf die Arbeit der Weko und der Preisüberwachung, welche hier erfolgreich wirken würden.
Tatsächlich ist die Weko wie oben beschrieben am Ball. Mit Mastercard hat sich offenbar eine rasche Einigung und ein Entscheid in Form einer einvernehmlichen Regelung abgezeichnet. Form und Inhalt dieser Regelung sind noch nicht kommuniziert worden. Mit Visa bestehen offenbar weiterhin Differenzen, die eingehender zu klären sind. Deshalb dauert die Untersuchung der Weko gegen Visa noch an.
Der Vorstoss von Visa beim Bundesverwaltungsgericht
Ende August 2023 ersuchte Visa die Weko, im Interesse der Rechtssicherheit umgehend vorsorglich anzuordnen, dass für die Dauer der Untersuchung die von Visa ab 1. Juli 2023 eingeführte Regelung zu Debitkarten-Interchange-Fees für "zulässig" erklärt werde.
Am 25. September 2023 wies die Weko dieses Gesuch ab, mit der Begründung, dass die verlangte vorsorgliche Massnahme kartellgesetzwidrig sei. Diese Zwischenverfügung hat Visa beim Bundesverwaltungsgericht (BVGer) angefochten mit dem Antrag, die verlangte Anordnung sei unverzüglich zu erlassen.
Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts lässt an Klarheit nichts offen, das BVGer titelt seinen Entscheid vom 5. März 2023 mit "Kartellgesetzwidrige Freistellung vom Sanktionsrisiko" und begründet seinen ablehnenden Entscheid folgendermassen:
"Nach Ansicht des BVGer geht es Visa mit ihrem Gesuch einzig darum, für die Dauer der Untersuchung vom Sanktionsrisiko befreit zu werden. Die im privaten Interesse angestrebte Freistellung von Sanktionen steht indessen im Widerspruch zur kartellgesetzlichen Sanktionsregelung. Diese sieht vor, dass Unternehmen wie Visa, welche gemeldetes Verhalten umsetzen, auch das entsprechende Sanktionsrisiko tragen müssen. Gemäss Gericht vermittelt die vorläufige kartellrechtliche Einschätzung des Sekretariats der Weko hinlängliche Rechtssicherheit. Aus diesen Gründen weist das BVGer die Beschwerde von Visa ab."
Das Statement von Visa auf den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts
So wie die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts bringen wir im Folgenden auch das Statement von Visa zum Entscheid des Gerichts unverändert im Originalwortlaut:
"Die Interchange-Gebühr fliesst nicht an Visa, sondern ist wichtig für den Interessenausgleich der Teilnehmer des Zahlungssystems. Die Entscheidung ist keine gute Nachricht für Schweizer Händler. Visa hat die Interchange-Gebühr für Debit-Zahlungen bereits im Juli 2023 auf ein Niveau gesenkt, das dem der EU entspricht. Schweizer Händler profitieren davon jedoch aufgrund von Rechtunsicherheit nicht umfassend. Mit der Gerichtsentscheidung bleibt diese Rechtunsicherheit bestehen, bis die von der Weko eingeleitete Untersuchung in Zukunft abgeschlossen sein wird.
Das Gericht hat sich nicht über die Höhe der Gebühren geäussert, sondern aus formalen Gründen entschieden. Wir werden die schriftliche Begründung des Urteils genau prüfen. Über unser weiteres Vorgehen werden wir zu gegebener Zeit entscheiden."
Die Wettbewerbskommission ist am Zug
Das Unbehagen und die Unzufriedenheit auf allen Seiten ist spürbar und wird mit unterschiedlichen Argumenten unterlegt. Die Weko hat nun die nicht ganz einfache Aufgabe, eine Lösung auf den Tisch zu bringen, mit der alle Parteien leben und weiterhin erfolgreich geschäften können – Händler sowie Konsumentinnen und Konsumenten, Banken, Kartennetzwerke und auch die interventionsfreudige Politik.