The Swiss Way: Innovationsförderung mit Rechtssicherheit, aber "nume nid gsprängt"
Anmerkung der Redaktion für unsere deutschen Leserinnen und Leser: "Nume nid gsprängt" ist Schweizer Mundart und meint: langsam, nur keine falsche Hast.
Dr. Michael Manz betonte in seinem Referat, dass die Politik bestmögliche Rahmenbedingungen schaffen wolle, damit sich die Schweiz als innovativer und nachhaltiger Standort für FinTech- und DLT-Unternehmen etablieren und weiterentwickeln könne. Gleichzeitig sollen Missbräuche konsequent bekämpft werden, um die Reputation des Finanz- und Wirtschaftsplatzes Schweiz zu gewährleisten.
Die Gesetzesvorlage zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, welche anfangs Jahr in die Vernehmlassung geschickt wurde, soll die Rechtssicherheit erhöhen, die Hürden für auf der Distributed Ledger-Technologie (DLT) basierten Anwendungen beseitigen und Missbrauchsrisiken begrenzen.
Bereits Ende 2018 veröffentlichte der Bundesrat einen ausführlichen Bericht zur Rechtslage rund um DLT in der Schweiz. Der Bericht habe gezeigt, dass der schweizerische Rechtsrahmen heute schon gut geeignet sei, mit diesen neuen Technologien umzugehen. Dennoch gäbe es punktuellen Handlungsbedarf, wie Manz erläutert.
Bei den Anpassungen im Obligationen-, Konkurs- und Finanzmarktinfrastrukturrecht soll unter anderem die Möglichkeit einer elektronischen Registrierung und Übertragung von Rechten geschaffen werden, ähnlich wie dies im "traditionellen" Bereich die Wertpapiere gewährleisten würden.
Im Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs soll die Aussonderung kryptobasierter Vermögenswerte im Falle eines Konkurses geregelt werden. Ausserdem will der Bundesrat im Finanzmarktinfrastrukturrecht eine neue Bewilligungskategorie für DLT-Handelssysteme schaffen. Diese sollen regulierten Finanzmarktakteuren sowie Privatkunden Dienstleistungen in den Bereichen Handel, Abrechnung, Abwicklung und Verwahrung mit DLT-basierten Vermögenswerten anbieten können.
Schliesslich soll es künftig möglich sein, auch für den Betrieb eines organisierten Handelssystems eine Bewilligung als Wertpapierhaus zu erhalten. Realistisch betrachtet müssen Crypto Valley Community und Anleger aber wohl noch bis 2021 warten, bis die politischen Mühlen das Schrot und Korn der Rechtssicherheit für DLT-Anwendungen fertig gemahlen haben.
«Speed ist für Investoren und Jungunternehmen zweifellos die bevorzugte Währung», meint denn auch die Rechtsanwältin Dr. Cornelia Stengel, Partnerin bei Kellerhals Carrard und Mitglied der bundesrätlichen Expertengruppe zur DLT-Gesetzgebung, fügt jedoch an: «Für den Wirtschaftsstandort ist eine nachhaltige und kluge Regulierung hingegen von zentraler Bedeutung».
Das will heissen: die Herausforderung für den Gesetzgeber besteht auch darin, den Spagat hinzukriegen zwischen den Ansprüchen tempoorientierter FinTechs sowie Kunden und etablierten Finanzinstituten, welche nachhaltiger Rechtssicherheit mehr Gewicht geben als "Schnellschüssen".
Liechtenstein - Schweiz: Unentschieden
Die beiden Ansätze unterscheiden sich zwar voneinander, bieten aber für das jeweilige Ökosystem mehr Chancen als Gefahren. Die geographische Nähe des Fürstentums mit ihrem Verbündeten jenseits des Rheins, lässt gerade für aufstrebende Jungunternehmen und Neu-Ansiedler aus dem Ausland auch spannende "The best of both worlds"-Modelle zu. Das Krypto-Regulierungs-Derby geht also in die Verlängerung.
Dezentrum: Neues Denken und Handeln
Ein schöner Kontrast zur Regulierungsdebatte war der Beitrag von Lukas Hess und Ozan Polat vom Think Tank Dezentrum. Mit ihren Projekten "no1s1" und "Satelleth" geben sie Dezentralisierung und DAOs ein verständliches Gesicht.
"no1s1" ist ein Haus, das niemandem gehört und sich selbst verwaltet. Eine radikal neue Art, Raum zu denken. Sämtliche Inhalte und Infrastruktur werden in partizipativen Experimenten organisiert, gestaltet und finanziert. Das Haus, bekannt von der Expo 02 auf der Arteplage Murten, war Teil des von Jean Nouvel konzipierten Ensembles mit dem Monolithen und den Cabannes.
"Satelleth" wiederum ist eine Blockchain-basierte autonome Entität (auch DAO – Decentralized Automonous Organization genannt), welche sich selbst besitzt, verwaltet und eigenständig mit ihrer Umwelt interagiert. Ein spielerisches Anschauungs- und Forschungsobjekt, mit dem die Funktions- und Wirkungsweisen von autonomen Entitäten erkundet werden können.