Das Beratungsunternehmen EY nimmt jährlich den Puls der Finanzbranche. Der EY Bankenbarometer basiert auf der Befragung von 100 Banken in der ganzen Schweiz, Privatbanken (inkl. Grossbanken), Auslandsbanken, Regionalbanken und Kantonalbanken.
Was dabei herauskommt, ist ein detaillierter und sehr ausführlicher Bericht zur aktuellen Befindlichkeit, zur Einschätzung der Situation der Schweizer Banken und zu den Aussichten in der Zukunft.
Das Marktumfeld der Banken: Höhere Volumen bei niedrigeren Erträgen
Seit dem Jahr 2000 haben die Banken ihre Geschäftsvolumen deutlich erhöht. 46 Prozent Zunahme der aggregierten Bilanzsumme sämtlicher Banken in der Schweiz, Hypothekarkredite haben um 89 Prozent zugelegt und das Anlagegeschäft hat zu einem Plus von 52 Prozent bei den Wertpapierbeständen geführt.
Die Auswirkungen und Begleiterscheinungen der Finanzkrise (Liquiditätsschwemme, Negativzinsen, neue Regularien, Margenerosion etc.) haben in den letzten zehn Jahren ihre Spuren hinterlassen. Deshalb spiegelt sich das erfreuliche Wachstum nicht in den Erfolgsrechnungen der Finanzinstitute, im Gegenteil, der aggregierte Geschäftserfolg der Banken ist um 10 Prozent zurückgegangen.
Spardruck, genereller Strukturwandel und neue Kundengewohnheiten haben auch den sichtbaren Teil der Bankenlandschaft verändert. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Banken in der Schweiz um 30 Prozent reduziert, die Anzahl der Bankfilialen hat um 20 Prozent abgenommen. Mit einem Minus von nur 3 Prozent ist die Anzahl der Mitarbeiter relativ stabil geblieben. EY geht allerdings davon aus, dass die nun schon länger anhaltenden Negativtrends längerfristig auch zu einem stärkeren Stellenabbau führen dürften.
Banken in Aufbruchstimmung?
Die Zuversicht ist gross und Banken sehen ihre Zukunft optimistisch. Nur noch eine kleine Minderheit von insgesamt 18 Prozent (Vorjahr 32 Prozent) geht für die nächsten sechs bis zwölf Monate von rückläufigen operativen Ergebnissen aus. Das ist der tiefste Wert seit Durchführung der Studie. Die grosse Mehrheit der Banken ist geradezu in Aufbruchstimmung und schmiedet Innovations- und Wachstumspläne.
EY liefert in ihrem Bericht mehrere Gründe für diese neue Zuversicht. Und anderen das Argument, dass zahlreiche Banken in den letzten sehr anspruchsvollen und herausfordernden Jahren eine relativ hohe Widerständsfähigkeit an den Tag gelegt und daraus ein neues Selbstbewusstsein entwickelt haben.
Finanzmarktregulierung – das Gröbste überstanden?
Die Regulierungsflut seit der Finanzkrise und damit strenge Auflagen beschäftigen Banken sehr stark, welche unter anderem Kapital, Liquidität, Derivatehandel oder Anlegerschutz betreffen. Die kostenintensive Compliance hat über Jahre Ressourcen beansprucht, die dann zum Beispiel weniger in Bereiche wie Innovation oder Digitalisierung investiert werden konnten.
Finanzinstitute sind heute klar der Ansicht, dass die verschärfte regulatorische Agenda die gewünschte Wirkung entfaltet hat: 87 Prozent der Banken vertreten die Meinung, dass der Finanzmarkt heute stabiler ist als vor der Finanzkrise. Zudem gehen 37 Prozent (Vorjahr 11 Prozent) der befragten Banken davon aus, dass die Regulierung nicht mehr weiter zunehmen wird – das ist der höchste Wert seit Durchführung dieser Studie.
Zweifel meldet Olaf Toepfer, Leiter Banking & Capital Markets bei EY Schweiz, an:
Die verbleibende Kernfrage ist jedoch, ob das Finanzsystem in seiner heutigen Form auch ausreichend stabil ist für zukünftige, derzeit noch unbekannte Herausforderungen und Krisen
Innovation und Wachstum im Vordergrund
Wie gesagt, in den letzten Jahre waren Banken stark mit der Umsetzung neuer Regulierungsvorschriften beschäftigt. Trifft die Vermutung der Banken einer Normalisierung der regulatorischen Rahmenbedingungen zu, wollen die Finanzinstitute auch ihre Fokusthemen neu positionieren:
43 Prozent (Vorjahr 27 Prozent) der befragten Banken wollen für das laufende Jahr den strategischen Fokus wieder vermehrt auf Innovation und Wachstum legen. Diese Absicht und Entscheidung ist von zentraler Bedeutung, weil Strukturwandel und Digitalisierung gerade die Finanzbranche sehr stark tangieren. Neben Investitionen in neue Vertriebskanäle sowie neue Technologien stehen dabei vermehrt auch Partnerschaften mit Nicht-Banken, beispielsweise FinTech-Unternehmen, im Vordergrund.
Ausmass und Auswirkungen der Digitalisierung erkannt
Waren letztes Jahr Bedeutung, Potenzial und Auswirkungen der Digitalisierung noch beunruhigend tief gewichtet, hat sich diese Betrachtung gewandelt:
53 Prozent (Vorjahr 26 Prozent) der befragten Banken rechnen damit, dass die technologische Entwicklung letztlich auch in ihrer Branche eine fundamentale Auswirkung auf Strategien, Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse haben wird.
Nicht-Banken sind dabei, Terrain zu besetzen, das ursprünglich Finanzinstituten vorbehalten war. Rund drei Viertel der Banken erkennen denn auch eine Zunahme der branchenfremden Konkurrenz. Noch vor wenigen Jahren lag dieser Wert bei lediglich einem Drittel.
Veritabler Meinungsumschwung
Noch in den Vorjahren sah die Mehrheit der Banken in der Digitalisierung vor allem einen zusätzlichen Vertriebskanal, welcher das bestehende Geschäft ergänzt. Heute sind nahezu drei Viertel der befragten Banken der Meinung, dass sich die Schweizer Finanzindustrie in einem Strukturwandel befindet.
«Die Digitalisierung ist der wichtigste Treiber für einen langfristigen Strukturwandel. Aus der Einschätzung der Banken lässt sich ablesen, dass die Digitalisierung längst nicht mehr nur ein Trend ist, sondern eine zunehmende Realität», meint Olaf Toepfer.
Als Reaktion auf diese Entwicklung investieren die Banken in den Aufbau von digitalen Think Tanks oder in Innovations-Hubs, in welchen neue Lösungen getestet und weiterentwickelt werden.
Zahlungsverkehr nicht mehr profitabel?
Unsicherheit besteht bei Banken aktuell noch darin, die konkreten Auswirkungen des Strukturwandels für sich selbst zu erkennen. Klarheit und Einigkeit besteht hingegen bei der Einschätzung, welcher Geschäftsbereich am stärksten vom Strukturwandel betroffen ist: der Zahlungsverkehr.
Eine deutliche Mehrheit der Finanzinstitute geht davon aus, dass Schweizer Banken den Zahlungsverkehr langfristig nicht mehr profitabel betreiben können.
Diese klare Haltung überrascht, sind doch bisher mögliche Auswirkungen einer PSD2 oder die Öffnung für Drittanbieter im Zusammenhang mit Open Banking von keiner Seite in dieser Deutlichkeit benannt worden.
Wo erkennen Banken eine Bedrohung für etablierte Finanzinstitute?
In der Reihenfolge der Nennungen sehen Banken Gefahrenpotenzial in der Blockchain, in webbasierten und mobilen Zahlungssystemen, in Marktplätzen (Bereich Kredite), Robo Advisors sowie in Kryptowährungen.
Lediglich 10 Prozent der befragten Banken fühlen sich sicher und sehen in keinem der genannten Phänomene eine Gefahr.
Interessant und eher überraschend sind die teilweise eklatanten Unterschiede zwischen verschiedenen Bankengruppen in der Beurteilung einzelner Phänomene. Erkennen zum Beispiel 35 Prozent der Regionalbanken eine erhebliche Gefahr in den neuen Marktplätzen, welche ihnen das Kreditgeschäft streitig machen, wird diese Ansicht von nur gerade 14 Prozent der Kantonalbanken geteilt.
Cybersecurity als wichtigstes Fokusthema 2018
Wenig überraschend haben die Banken in der aktuellen Umfrage das Thema "Cybersecurity" als wichtigstes Fokusthema für das laufende Jahr bezeichnet. Die Digitalisierung und vor allem auch das Tempo der Digitalisierung schaffen neue Risiken bei der IT-Sicherheit. Mobile Banking öffnet zusätzliche Einfallstore für Hacker und generell mehren sich Medienberichte über Cyberangriffe, welche auf Unternehmen und Banken zielen.
Die immensen Gefahren rund um die Datensicherheit setzen dieses Thema für 2018 ganz oben auf die Agenda der Banken.
Der EY Bankenbarometer 2018 zum Runterladen
Die von uns besprochenen Resultate zeigen lediglich einen kleinen Ausschnitt der Studie, der Bericht beleuchtet eine Vielzahl weiterer Themen und Bereiche.
Der jährliche Bankenbarometer von EY ist aus zwei Gründen hochinteressant: Einerseits geht der Bericht auf 62 Seiten spannenden Seiten zu zahlreichen Themen in die Breite und die Tiefe, zudem vermittelt die Studie eine scharfgezeichnete Momentaufnahme zu Problemen, Einschätzungen, Haltungen und Zukunftsprognosen aus heutiger Sicht.