Kryptomarkt

Was ist bloss mit dem Bitcoin los?

Illustration mit einem Geschäftsmann, der versucht einen Pfeil nach unten aufzuhalten
Illustration: z_wei | Getty Images

Schlechte Nachrichten, nervöse Märkte und panische Anleger bestimmen die Kurse der Kryptowährungen – ein brisanter Mix bringt den Bitcoin aktuell zum Absturz.

Positiv eingestellte Analysten halten daran fest, dass der Bitcoin bald schon auf 100'000 US-Dollar klettern wird, überzeugte Maximalisten glauben an die Million in ferner Zukunft.

Ernüchterte Prognostiker sehen den nächste Krypto-Winter anrollen und befürchten, dass der Kurs des Bitcoin und anderer Coins und Tokens noch weiter einkellern wird.

Die einen oder die anderen mögen kurz- oder langfristig Recht bekommen – die Vergangenheit hat allerdings gezeigt: das einzig Verlässliche an kurzfristigen Prognosen ist, dass sie in aller Regel nichts taugen. Ereignisse und Reaktionen auf diese Ereignisse können nicht vorhergesagt werden.

Der Bitcoin tut weiterhin das, was er am besten kann: er ist extrem volatil

Das hängt damit zusammen, das der Bitcoin kein Eigenleben hat. Er wird gestärkt durch Vertrauen, positiv gestimmte Anlegerinnen und Anleger, durch gute Nachrichten und mehr. Oder er wird geschwächt durch das genaue Gegenteil. Im Moment überwiegt dieses Gegenteil.

Die Stimmung an Börsen und Kryptomärkten war aus verschiedenen Gründen bisher schon getrübt bis schlecht. Das hat den Bitcoin in den letzten Wochen im unentschlossenen Bereich um die 30'000 Dollar gehalten – ohne Lust auf Ausbruch nach oben oder nach unten.

Einige schlechte Nachrichten und Entwicklungen dazu haben dieses an-Ort-Treten nun aufgebrochen, der Bitcoin ist abgestürzt – und zusammen mit dem Bitcoin sämtliche Coins und Tokens, die nicht im Lager der Stable Coins angesiedelt sind. Dass Letztere übrigens nicht bedingungslos stable sind, gehört mit zu diesen schlechten Nachrichten.

Der brisante Mix der Ereignisse und schlechten Nachrichten

Im Kurzüberblick der letzten Wochen haben Inflation, durchgeführte oder angekündigte Anhebung der Leitzinsen, starke Korrekturen bei Tech-Werten an der Börse, das Debakel um den Kollaps von Terra und des Stable Coins UST, Rezessionsängste sowie Regulierungs-Initiativen in den USA und vor allem in der EU die Stimmung eingetrübt. 

Für grosse Unsicherheit im Markt sorgt weiterhin der Merge von Ethereum. Der Umstieg von Proof of Work auf Proof of Stake hat viele Vorteile und auch Nachhaltigkeitsaspekte, ist technisch allerdings alles andere als ein Spaziergang. Ob und wann genau der Wechsel über die Bühne gehen soll, ist noch offen, ob der Merge wirklich gelingt, ebenso.

Im Juni häuften sich die Meldungen, dass Krypto-Unternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. Nach all den schlechten Nachrichten könnte die aktuelle News der taumelnden (?) DeFi-Lending-Plattform Celsius das Fass zum Überlaufen und den Bitcoin zum Absturz gebracht haben. Das Schwergewicht Celsius hat am Montag angekündigt, Auszahlungen an Kunden zu stoppen, um innerhalb der aktuellen "extremen Marktbedingungen" die Liquidität zu stabilisieren. Die Ankündigung der blockierten Gelder riecht nach Insolvenz und Pleite und war offenbar zuviel für den bereits angespannten und gestressten Markt. Der Bitcoin ist abgestürzt, begleitet von sämtlichen anderen Coins und Tokens.

Gute Nachrichten gab's und gibt's auch, die haben jedoch im Moment keine Chancen auf Gehör, weil die negativen Stömungen und Stimmungen überwiegen und deshalb die Panik und den Ausverkauf befeuern.

Wie lässt sich die aktuelle Situation einordnen?

Eine Einschätzung unserer Redaktion zu den oft gehörten Fragen der letzten Tage. Ohne jeden Anspruch, genau richtig zu liegen

Ist der Bitcoin am Ende?
Kaum. Das Projekt Bitcoin ist auf Langfristigkeit angelegt. Kurzfristige Einbrüche, auch sehr heftige, inklusive nachfolgendem Krypto-Winter, haben Bitcoin sowie andere Coins und Tokens in der Vergangenheit schadlos überstanden. Schadlos heisst nicht ohne drastische Wertverluste. Allerdings auch nicht ohne sehr positive Entwicklungen nach dem Ende des Winters. Die weiterhin extrem hohe Volatilität gehört jedoch mit zum Phänomen Bitcoin und Kryptowährungen. Und diese Volatilität mit Überraschungen in jede Richtung wird den Bitcoin noch längere Zeit begleiten.

Was bedeutet der aktuelle Crash für Anlegerinnen und Anleger?
Langfristig orientierte Investoren spekulieren nicht auf schnelle Gewinne. Sie halten Kryptowährungen aus Überzeugung und weil sie glauben, dass Bitcoin das Potenzial hat, im Laufe der Zeit zum soliden Wertspeicher zu werden. Und auf dem Weg dahin auch an Wert gewinnen wird. Aber, wie gesagt, eben auf lange Sicht. Deshalb hat ein Crash oder auch ein Krypto-Winter keine nervenfressende Bedeutung für diese Kategorie von Anlegerinnen und Anlegern.

Kurzfristig orientierte Investoren wissen entweder was sie tun und nutzen die Volatilität für ihre Spekulationen. Das Heer der eher unerfahrenen Anlegerinnen und Anleger kann allerdings immer wieder in Schwierigkeiten geraten. Der Markt entwickelt sich regelmässig anders als sie erwarten. Das wird vorderhand auch so bleiben. FOMO-getriebene Kleinanleger laufen in die selbst gestellte Falle der eigenen Hoffnungen und werden zu Panik-Verkäufern, wenn die Kurse fallen.

Wer in der Hoffnung auf schnelle Gewinne Geld, das morgen oder übermorgen gebraucht wird, in Kryptos investiert, lebt extrem gefährlich. Investments in sämtliche Anlageklassen sind mit Risiken verbunden, im Kryptomarkt sind diese Risiken nach wie vor sehr hoch.

Steht der nächste Krypto-Winter vor der Türe?
Wie bereits erwähnt, Prognosen im Umfeld von Kryptowährungen taugen wenig bis gar nichts. Die Kurse könnten sich kurzfristig wieder erholen oder die nächsten Ereignisse mit schlechten Nachrichten um einen kollabierenden Stable Coin oder ein strauchelndes DeFi-Projekt könnten den Markt noch weiter runterreissen und den nächsten Krypto-Winter einläuten.

Das bedeutet nicht das Aus für den Kryptomarkt, für Bitcoin oder für DeFi, es wäre nur ein weiterer Winter auf dem Weg einer Entwicklung, die nun schon seit Jahren anhält und zahlreiche Einbrüche und Katastrophen überlebt hat.

Stürzt der Bitcoin ab, bekommt dann auch die Blockchain Dellen?
Nein. Blockchain ist eine Technologie mit hervorragenden Möglichkeiten, die in verschiedensten Bereichen eingesetzt werden kann. Die Bitcoin-Blockchain ist nur eine von zahlreichen Blockchains und Anwendungsmöglichkeiten. Vereinfacht gesagt: Fährt ein Auto gegen die Wand, ist dadurch nicht die robotergesteuerte Produktionsstrasse in Mitleidenschaft gezogen, die läuft weiterhin.

Ist der Traum von Bitcoin als Zahlungsmittel ausgeträumt?
Nein. War Bitcoin bisher eher als Wertspeicher und Anlageobjekt positioniert, holt die Entwicklung rund um Lightning erst richtig Anlauf. Nachzulesen in der Lightning Serie, zum Beispiel hier und hier. Oder am konkreten Beispiel der USA hier. Bitcoin wird als Zahlungsmittel in Zukunft wahrscheinlich eine zunehmend grössere und wichtigere Rolle spielen.

Schlechte Nachrichten um einen Coin reissen immer den ganzen Kryptomarkt in die Tiefe, warum?
Im Kern geht es um Vertrauen in den gesamten Markt und seine Entwicklung. Kryptomarkt und Kryptowährungen funktionieren hoch korreliert. Das heisst: die Katastrophe bei einem einzelnen Coin oder Projekt schlägt auf den ganzen Markt durch. Eine Art von Sippenhaft, erwischt's den einen, sind alle anderen auch dran. Das ist irrational, aber durch erschüttertes Vertrauen und aufkommende Ängste zu erklären.

Diese Korrelation ist seit einiger Zeit auch zwischen Wertpapierbörsen und Kryptomarkt zu beobachten. Gehen die Börsenkurse in den Keller, zieht die eingetrübte Stimmung auch den Kryptomarkt mit.

Wann geht es endlich wieder aufwärts?
Wer diese Frage ernsthaft stellt, hat den Kern des Themas noch nicht wirklich begriffen. Deshalb unsere unverbindlichen Empfehlungen: Weder Analysten noch Prognostikern trauen, die ganz genau zu wissen glauben, wohin die Reise kurzfristig gehen wird. Das weiss niemand. Im Bereich Bitcoin und Kryptos keine Experimente wagen mit Geld, das nicht als Spielgeld betrachtet werden kann. Die wundersame Vermehrung ist die Hoffnung, der gewaltige Verlust die jederzeit mögliche Alternative. Es gibt weder Garantien noch ein risikoloses Investieren. Realisierte Gewinne können durch Verluste ganz schnell wieder weggefressen werden. 

Gibt's auch gute Nachrichten?
Ja. Die haben im Moment jedoch wenig Chancen gegen die trübe Stimmung. Aber immerhin mit einem Blick in die Zukunft: Bitcoin, Kryptowährungen oder auch DeFi-Projekte sind Teil einer Bewegung und Entwicklung, die auf Dauer Bestand haben kann. Zumal diese Entwicklung in den letzten Jahren bereits sehr viel Unterstützung aus allen möglichen Richtungen erhalten hat. Das Phänomen ist inzwischen zu gross und zu breit abgestützt, um einfach zu verschwinden.

Die Frage ist vielmehr: Wie genau, mit welchen Mitspielern und Projekten und wann wird es in ruhigeren Gewässern ankommen?

Der Weg in die Zukunft mit Konsolidierung und Stabilisierung ist jedoch weiterhin mit Hürden und Hindernissen verbunden und könnte noch etwas länger und kurvenreicher sein, als gedacht.