Klassische Banken wissen in aller Regel wie Banking geht. Sind sie mit tauglicher und moderner Software unterwegs, im Idealfall modular ausgelegt, stehen sie der Machbarkeit von Banking as a Service (BaaS) schon ganz nahe. Und damit auch der Möglichkeit, verschiedenen Kundengruppen Embedded Finance-Lösungen anzubieten.
FinTechs waren schneller
Dass FinTechs im BaaS die Nase vorn haben, liegt in der Natur des Bankgeschäfts. Klassische Banken möchten den Kuchen traditionellerweise alleine essen und folgen nicht in ausgeprägtem Masse der Tendenz, Know-how und Technologie zu teilen. Das ist verständlich, aber in heutigen Marktumfeldern viel zu kurz gedacht.
Mit BaaS und Embedded Finance-Lösungen sind neue Kundengruppen zu gewinnen, die ohnehin weder zu verhindern noch zu bremsen sind. Die Frage ist nur, wer das Geschäft macht. Im Moment machen dieses Geschäft FinTechs, welche zwei Trends schon vor Jahren erkannt und dann selbst aktiv vorangetrieben und beschleunigt haben.
Zum einen: FinTechs und anderen Kundengruppen brauchen für ihre Geschäftsmodelle Know-how, Prozesse und einsatzfertige Software. Manchmal auch einen Partner mit Banklizenz, um die gewünschte Finanzdienstleistung anbieten zu können. Deshalb Banking as a Service.
Zum anderen: Nicht-Banken und Unternehmen aus verschiedensten Branchen binden in ihre Geschäftsmodelle Finanzdienstleistungen ein, um ohne Medienbruch zum Beispiel den Kredit für die neue Wohnungseinrichtung anbieten zu können. Deshalb Embedded Finance-Lösungen.
Die deutsche Solarisbank, ein FinTech mit Banklizenz, ist mit diesem Geschäftsmodell gross geworden und wächst laufend. Neu ist das FinTech-Unicorn Raisin DS mit im Spiel, das vor drei Jahren eine Bank gekauft hat und nun über die Tochter Raisin Bank BaaS und über die Banklizenz White Label Banking Services anbietet. Die britische Neo-Bank Starling holt Anlauf und will bald in Deutschland und Frankreich starten – interessanterweise erstmal nicht als Neo-Bank, sondern als BaaS-Anbieterin. Tuum, die frühere Modularbank, scharrt in Estland mit den Hufen und hat neu ihre Zelte auch in Deutschland aufgeschlagen. Weitere Player gibts auch, der Markt ist dennoch nicht überlaufen und bietet in Europa genügend Raum für bestehende und für neue Anbieter.
In der Schweiz ist das Terrain weitgehend unbesetzt, abgesehen von einigen Software-Anbietern, FinTechs und ganz wenigen Banken, die sich auf Open Finance spezialisiert haben und modulare Banking Services anbieten. So richtig im Fokus stehen Banking as a Service als modulare Leistungs-Pakete und Embedded Finance-Lösungen in der Schweiz aktuell aber bei niemandem.
Wo bleiben die klassischen Banken, die nicht klassisch denken?
Eine klassische Bank verdient an allen Geschäften, die sie direkt durchführen kann. Eine BaaS-Bank, die sich zusätzlich auf Embedded Finance ausrichtet, verdient an sämtlichen Geschäften und Transaktionen mit, die andere durchführen. Zum Beispiel am Onboarding, am Kreditgeschäft, am Konto- und Kartenmanagement, am Zahlungsverkehr, am Krypto- oder Aktienhandel und mehr. Die Kannibalisierungs-Effekte dürften sich in Grenzen halten, die Erweiterungsmöglichkeiten der eigenen Geschäftsfelder hingegen sind nahezu grenzenlos.
Deshalb nochmals die Frage: Warum springen klassische Banken mit ihrem Know-how und ihrem technologischen Vorsprung nicht in eine Lücke, die irgendwann keine mehr sein wird?
Banking as a Service öffnet den Zugang zu neuen Kundengruppen
Ein Blick auf die zentralen Kundengruppen, die BaaS und Embedded Finance-Lösungen heute nutzen und morgen zu einem riesigen Markt erweitern werden:
Banken und Finanzinstitute (Kunden mit Banklizenz)
Banken nutzen Module und Konfigurationen für digitales Retail Banking oder für gewünschte Zusatzbereiche. Der Vorteil für die Bank liegt darin, dass erprobte Ready-to-use-Module in wählbarer Kombination zum Einsatz kommen. In der Regel werden dadurch die Zeiträume für Integration und Inbetriebnahme massiv verkürzt.
FinTechs und Finanzdienstleister (Kunden teilweise ohne Banklizenz)
Diese Kundengruppe nutzt wählbare Module für das gewünschte Geschäftsmodell. Geht's um Geschäftsmodelle, die eine Banklizenz erfordern, übernehmen spezialisierte Anbieter auch die Rolle einer White Label-Bank. Indem sie zum Beispiel ihre Infrastruktur zur Verfügung stellen und jene Bankprozesse, die regulatorischen Anforderungen unterliegen, als gebuchte Dienstleistungen im Auftrag des Kunden im Hintergrund übernehmen.
Nicht-Banken und Unternehmen ausserhalb der Finanzindustrie (Kunden ohne Banklizenz)
Big Techs wie Amazon, Apple oder Uber bieten ihren Kunden Finanzdienstleistungen wie Konten, Kreditkarten, Kredite und mehr an. Diese Möglichkeien stehen auch anderen und deutlich kleineren Unternehmen offen. Praktisch jedes Unternehmen kann heute über BaaS gewünschte Finanzservices direkt in seine Angebotspalette und in seine Prozesse nahtlos integrieren. Diese zukunftsorientierte Ausrichtung von Finanzdienstleistungen segelt unter dem Begriff Embedded Finance.
Ist das Naheliegende zu nah, um wahrgenommen zu werden?
Klar, im Moment stehen Hypes wie Metaverse im Vordergrund der Überlegungen. Das ist überhaupt nicht falsch, das Metaversum hat alle Chancen, sich in den nächsten Jahren vom Hype zum realen Milliardenmarkt zu entwickeln.
Gerade deshalb ein guter Moment, die Zeit zu nutzen und in die heutigen Machbarkeiten zu investieren. Weil: die erste Bank im Metaverse wird aller Voraussicht nach keine klassische Bank sein, eher ein Fin- oder Big Tech ohne taugliche Technologie und ohne Banklizenz. Gut möglich deshalb, dass der Partner mit Banklizenz im Hintergrund sich mit BaaS-Modulen, White Label Banking und Embedded Finance-Lösungen im Metaverse einen neuen Wachstumsmarkt öffnet. Hat dieser Partner inzwischen auch gelernt, mit Kryptowährungen, Tokens und DeFi umzugehen, wird er in der analogen Welt bestehen und in der virtuellen Welt Erfolge feiern können.
Dieser Partner kann ein FinTech sein. Oder auch eine klassische Bank mit Know-how und Technologie. Eine Bank, die sich mit einem zweiten Bein als FinTech und als Lösungsanbieter für andere FinTechs und Unternehmen etabliert hat, die mit BaaS-Leistungen und Embedded Finance-Lösungen in der analogen wie auch in der virtuellen Welt starten wollen.