Die Idee ist nicht neu, vielmehr ein Konzept, das Unternehmen wie Apple, Spotify und zahlreiche andere digitale Grössen seit Jahren erfolgreich fahren. Neu ist, dass ein Versicherer auf das Freemium-Geschäftsmodell setzt und sich dabei von einem der erfolgreichsten Anbieter weltweit inspirieren lässt: Ping An, der chinesische Versicherungs- und Finanzdienstleister ist ein digitaler Plattform-Gigant.
Das erste Freemium-Modell der Versicherungs-Industrie
Direktversicherer Smile lächelt auf der neuen Freemium App für alle, insbesondere für Nicht-Kunden. Diese erhalten über die App kostenlose Services und Produkte, zum Beispiel eine Gratis-Shopping-Versicherung. Oder auch den "Smile Drive Coach", das ist ein App Service, mit dem Nutzerinnen und Nutzer ihr Fahrverhalten sicherer gestalten können und dafür mit Punkten belohnt werden. Mit zur App gehört auch der Zugang zum neuen Marktplatz mit Partnerangeboten aus dem Ökosystem von Smile.
Das alles kommt im Umfeld von Gamification-, Content- und Community-Elementen, welche die Tochter des Versicherer Helvetia mit in die Smile App gepackt hat.
Knallhartes Marketing oder ein Füllhorn mit netten Gesten und Geschenken?
Beides. Wobei das Marketing sich nicht knallhart anfühlt, sondern durch Gamification-Elemente und viele Emojis in Produkten, Leistungen und in der Werbung das Lächeln immer beibehält. Mit Smile Freemium sollen User kostenlos und ohne Anmeldung in die Erlebniswelt von Smile eintauchen können, sagt der Versicherer. Durch die Öffnung der App für Nicht-Kunden will Smile nach eigenen Aussagen bestehende Barrieren entlang der User und Customer Journey beseitigen und dadurch ein digitales Lifestyle-Erlebnis bieten – auch ohne unmittelbares Versicherungsbedürfnis.
Smile wird allerdings mit Sicherheit dafür sorgen, dass das "unmittelbare Versicherungsbedürfnis" nicht allzu lange im Tiefschlaf verharrt. Erwachendes Interesse und wachsende Neugier finden denn auch sofort Anschluss, sämtliche Freemium-Services und Produkte sind natürlich vollständig in die Kernprozesse von Smile eingebettet, das heisst: die Kern-Dienstleistungen des Digitalversicherers sind jeweils nur einen Klick entfernt. Nutzerinnen und Nutzer können jederzeit in der App konkrete Offerten rechnen und gewünschte Versicherungen direkt und ohne Umwege vollständig digital abschliessen.
Joséphine Chamoulaud, Head of Marketing und E-Commerce bei Smile, zur Strategie der Kunden-Gewinnung über kostenlose Services und Angebote:
«In erster Linie wollen wir die Nähe und das Vertrauen unserer Zielgruppe gewinnen und durch positive Erlebnisse überzeugen. Mehr Smile für alle lautet das Motto, mit einem transparenten Versicherungsangebot ohne Verpflichtungen oder langen Vertragslaufzeiten.»
Data for Value – neu auch die Strategie von Versicherern?
Was Nutzerinnen und Nutzer in der Fremium App auch tun, sie liefern Daten und erhalten kostenlose Leistungen. Ein Modell, das praktisch allen Big Techs zu Erfolg und Grösse verholfen hat. Smile betont, dass jeweils nur wenige Daten eingegeben werden müssten, unterstreicht jedoch auch, dass der Deal der kostenlosen Services und Produkte gegen die Angabe ausgewählter Daten ein Novum für die Versicherungsbranche darstellen würde.
Der CEO von Smile, Pierangelo Campopiano, ist überzeugt davon, dass User und Kunden bereit sind ihre Daten zu teilen, solang sie einen Mehrwert erhalten. Er verweist darauf, dass das Modell "Data for Value" in anderen Branchen bereits stark verbreitet wäre.
Smile will sich mit der Freemium-Strategie einen neuen Markt eröffnen, der in der Versicherungs-Industrie bisher unberührt geblieben ist. Campopiano räumt ein:
Mit Smile Freemium brechen wir ein paar ungeschriebene Gesetze und machen den nächsten Sprung in unserem Business Modell sowie in der User und Customer Journey
Die Ziele von Smile: Als digitaler Lifestyle Brand will der Versicherer im ersten Schritt die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer steigern, vertiefte Kundenkenntnisse gewinnen und die Interaktionsfrequenz erhöhen. Mittelfristig soll die Smile User Community dadurch für das Prime Angebot begeistert werden. Pierangelo Campopiano sieht grosse Chancen im neuen Konzept:
«Kunden kaufen heute vielfach nicht nur ein Produkt, sondern einen Lifestyle, den sie mit dem Brand assoziieren. Genau dieses Markenerlebnis schafft Smile mit der neuen Lifestyle App.»
Kann das klappen?
Ob die Rechnung für "die erste Versicherung ohne Blabla" aufgeht, wird sich zeigen. Sind wirklich attraktive Angebote im Spiel und wird der Mix von kostenlosen Leistungen im Umfeld von Gamification und Community Groove gut ausgestaltet, kann das klappen.
An der Hürde der persönlichen Daten wird das Konzept jedenfalls nicht scheitern. Nutzerinnen und Nutzer beweisen im Umgang mit Facebook, Google, Twitter und zahlreichen weiteren Diensten seit Jahren schon, dass sie zu nahezu jedem "Datenopfer" bereit sind, wenn das Angebot der kostenlosen Leistungen für sie stimmt. Macht Smile hier auf Dauer einen guten Job, dürften Nutzerinnen und Nutzer die Datenhürde locker überspringen, ohne ihr Lächeln zu verlieren.
Insofern ein interessanter Modellfall für die Versicherungsbranche. Sollte sich der vom Smile-CEO angeführte Tabubruch zum erfolgreichen Neukunden-Generator entwickeln, wird Smile mit der Schiene "Data for Value" nicht lange allein auf weiter Flur bleiben.