Die FINMA verweist in ihrer Publikation darauf, dass der markante Anstieg von Initial Coin Offerings (ICOs) in der Schweiz auch die Zahl der Unterstellungsanfragen stark erhöht hat. Die Schweiz, insbesondere das Crypto Valley, gehört weltweit zu den führenden Destinationen, wenn es darum geht, auf Basis der Blockchain-Technologie in digitaler Form öffentlich Kapital für unternehmerische Zwecke zu beschaffen.
Mit der aktuell, am Freitag, 16. Februar 2018, publizierten Wegleitung für Unterstellungsanfragen betreffend Initial Coin Offerings (ICOs) ergänzt die FINMA die bereits im September 2017 veröffentlichte Aufsichtsmitteilung 04/2017 – Aufsichtsrechtliche Behandlung von Initial Coin Offerings. Beide Dokumente können direkt im Anschluss an diesen Artikel runtergeladen werden.
Die Einzelfallbetrachtung bleibt entscheidend
Die FINMA hält fest, dass nicht bei allen ICOs Finanzmarktrecht anwendbar und eine Unterstellungspflicht gegeben ist, weil ICOs sehr unterschiedlich ausgestaltet sind. Deshalb müssen jeweils die Umstände im Einzelfall berücksichtigt werden. In ihrer Aufsichtsmitteilung 04/2017 hat die FINMA bereits dargelegt, dass verschiedene Berührungspunkte von ICOs zum geltenden allgemeinen Finanzmarktrecht bestehen, ohne dass jedoch spezifische regulatorische Anforderungen zu ICOs vorliegen. Es gibt bisher auch weder eine einschlägige Rechtsprechung noch eine übereinstimmende juristische Lehrmeinung.
FINMA-Prinzipien fokussieren auf Funktionalität und Übertragbarkeit der Token
Bei ihrer aufsichtsrechtlichen Beurteilung von ICOs folgt die FINMA einem Ansatz, der auf die wirtschaftliche Funktion und den Zweck der Token fokussiert, also der Blockchain-basierten Einheiten, die vom ICO-Organisator ausgegeben werden. Zentral dabei ist die Klassifizierung der Token und die Frage, ob diese Token bereits von Beginn des ICOs an handel- oder übertragbar sind. Es besteht derzeit weder in der Schweiz noch international eine allgemein anerkannte Klassifizierung von Token. Die FINMA unterscheidet funktional drei Arten, wobei auch Mischformen auftreten können:
- Zahlungs-Token sind mit reinen Kryptowährungen gleichzusetzen, ohne mit weiteren Funktionalitäten oder Projekten verknüpft zu sein. Token können in gewissen Fällen erst mit der Zeit die notwendige Funktionalität und Akzeptanz als Zahlungsmittel entwickeln.
- Nutzungs-Token sind Token, die Zugang zu einer digitalen Nutzung oder Dienstleistung vermitteln sollen.
- Anlage-Token repräsentieren Vermögenswerte wie Anteile an Realwerten, Unternehmen, Erträgen oder Anspruch auf Dividenden oder Zinszahlungen. Der Token ist damit hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Funktion wie eine Aktie, Obligation oder ein derivatives Finanzinstrument zu werten.
Regeln zu Geldwäscherei und Effektenhandel stehen im Zentrum
Bei ihrer Analyse hat die FINMA festgestellt, dass ICOs die häufigsten Berührungspunkte zu den Finanzmarktgesetzen im Bereich der Geldwäschereibekämpfung und des Effektenhandels haben. Anwendungen, die eine Unterstellung unter das Bankengesetz oder das Kollektivanlagengesetz erfordern würden, sind nicht typisch.
Das Geldwäschereigesetz sieht für Finanzintermediäre Pflichten wie die Feststellung der wirtschaftlich Berechtigten vor. Ziel des Gesetzes ist es, das Finanzsystem vor Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung zu schützen. In einem dezentral organisierten System auf Basis der Blockchain, in dem sich Vermögenswerte anonym übertragen lassen, sind Geldwäschereirisiken besonders hoch.
Regeln zum Effektenhandel sollen sicherstellen, dass Marktteilnehmer ihre Entscheide für Anlagen wie Aktien oder Anleihen auf der Grundlage verlässlicher Mindestangaben treffen können. Darüber hinaus soll erreicht werden, dass der Handel fair, zuverlässig und mit einer effizienten Preisbildung abläuft.
Die aufsichtsrechtliche Beurteilung von ICOs
Auf der Basis der erwähnten Kriterien Funktionalität und Übertragbarkeit kommt die FINMA zu folgender aufsichtsrechtlicher Beurteilung von ICOs:
- Zahlungs-ICOs: Die FINMA sieht für ICOs, deren Token die wirtschaftliche Funktion als Zahlungsmittel haben und bereits übertragbar sind, eine Unterstellung unter die Geldwäschereibestimmungen als gegeben an. Die FINMA wird solche Token aber nicht als Effekten behandeln.
- Nutzungs-ICOs: Nutzungs-Token qualifizieren nicht als Effekten, wenn der Token ausschliesslich einen Anspruch auf Zugang zu einer digitalen Nutzung oder Dienstleistung vermittelt und der Nutzung-Token im Zeitpunkt der Ausgabe in diesem Sinne einsetzbar ist. In allen Fällen, in der nur oder auch die wirtschaftliche Funktion als Anlage besteht, behandelt die FINMA diese als Effekte (wie Anlage-Token).
- Anlage-ICOs: Anlage-Token betrachtet die FINMA als Effekten mit entsprechenden finanzmarktrechtlichen Konsequenzen im Hinblick auf den Handel damit. Diese Betrachtungsweise schliesst für ICOs in der Regel auch entsprechende obligationenrechtliche Pflichten mit ein (z.B. Prospektpflichten).
ICOs können auch Mischformen von diesen Kategorien bilden. Beispielsweise kann eine Unterstellung unter das Geldwäschereigesetz zudem vorliegen, wenn ein Nutzungs-Token auch breit als Zahlungsmittel einsetzbar ist oder breit einsetzbar werden soll.
Transparenz für Marktteilnehmer
Soweit die Ausführungen der FINMA in der Zusammenfassung, welche für alle Beteiligten mehr Klarheit und einen ersten Rahmen schaffen sollen. Die FINMA betrachtet auch diesen Schritt als Teil eines dynamischen Prozesses – Einsichten und Erfahrungswerte erweitern sich im Laufe der Zeit über die Aufsichtspraxis. Neue Erkenntnisse werden deshalb in nächsten Schritten die Praxis ergänzen und jeweils über Rundschreiben publiziert.
Die FINMA hat bereits mehrfach betont, dass sie das Innovationspotenzial der Blockchain-Technologie anerkennt. Deshalb unterstützt sie auch als Teilnehmerin die Arbeitsgruppe Blockchain/ICO, welche vom SIF (Staatssekretariat für internationale Finanzfragen) Mitte Januar 2018 gegründet und installiert worden ist. Die FINMA hält fest, dass Klarheit über die zivilrechtlichen Rahmenbedingungen eine entscheidende Voraussetzung dafür sein wird, um diese Technologie nachhaltig und erfolgreich in der Schweiz zu etablieren.
FINMA-Direktor Mark Branson bringt die Position der FINMA zur Blockchain und zu ICOs mit folgenden Worten auf den Punkt:
Die Blockchain-Technologie bietet Innovationspotenzial für die Finanzmärkte und weit darüber hinaus. Blockchain-Projekte, die analog zu bewilligungspflichtigen Aktivitäten funktionieren, dürfen aber nicht den bewährten regulatorischen Rahmen umgehen. Unser ausgewogener Ansatz, ICO-Projekte und Anfragen zu behandeln, erlaubt es seriösen Innovatoren, sich in der Regulierungslandschaft zurechtzufinden und ihre Projekte so zu lancieren, dass die bestehenden Gesetze respektiert und somit die Investoren wie auch die Integrität des Finanzplatzes geschützt werden.
Die Rolle der Schweiz im internationalen ICO-Konzert
ICOs schaffen herausragende Möglichkeiten zur Finanzierung von Unternehmen und Projekten, sie bieten allerdings auch zahlreiche Probleme und Fallstricke. Einerseits für Macher und Absender von ICOs, auf der anderen Seite auch für Anleger und Investoren. Dazu kommt, dass weltweit mehrere Fälle von betrügerischen ICOs, welche in Wildwest-Manier platziert und durchgezogen worden sind, dem Thema und dem Instrument schaden. Die mediale Verbreitung dieser Fälle bewirkt, dass ein Schatten auf ICO's fällt. Dieser Schatten hat allerdings weniger mit dem Instrument selbst zu tun hat, vielmehr mit Kriminellen und Raubrittern, welche jedes verfügbare Instrument für ihre Zwecke missbrauchen. Zugegebenermassen bieten aktuell ICOs Möglichkeiten für die Guten und für die Bösen. Deshalb ist Regulierung notwendig, um ICOs als Instrument zu schützen. Das grundsätzliche Prinzip ist grossartig und darf nicht zur Spielwiese krimineller Elemente werden.
Bemerkenswert deshalb, dass Bundesrat, FINMA und involvierte Departemente nicht den Weg von China, Südkorea und anderen Staaten gehen, welche mit Verboten agieren. Die Schweiz würgt eine grossartige Technologie, deren Instrumente und Potenziale nicht ab, im Gegenteil. Sie schafft Raum und Boden, um Erfahrungen zu sammeln, um in der Praxis die besten Modelle zu entwickeln und sie räumt auch dem nicht vermeidbaren "Lehrgeld-Zahlen" etwas Spielraum ein.
Parallel dazu, gewissermassen im laufenden Prozess, wird die Regulierung dynamisch mitentwickelt. Das ist stark. Und ein Beispiel dafür, welchen Boden Ideen brauchen, damit aus Ansätzen wirkliche Innovationen werden, welche zu tragfähigen Modellen entwickelt werden können.
Das festigt die Rolle der Schweiz im internationalen Konzert der ICOs und stärkt auch ihre Position im Vergleich zur unterschiedlichen Haltung von Regierungen gegenüber neuen Instrumenten und Innovationen.