Kryptowelt

Estland hat die Zahl seiner Krypto-Unternehmen auf ein Fünftel reduziert

Das Türschild des estländischen Amtes für Geldwäsche-Daten
Das Amt für Geldwäsche-Daten in Estland (Bild: Aron Urb)

Estland greift durch und will die grundsätzlich willkommene Krypto-Szene im eigenen Land "sauber" und gesetzeskonform halten.

Estland gehört zu den Vorzeigenationen, wenn's um Digitalisierung geht. Der baltische Staat ist deshalb auch ein Magnet für Unternehmen, die in digitalen Bereichen operieren, Krypto-Unternehmen inklusive. Das ist grundsätzlich erwünscht und wird von Estland mit entsprechenden Programmen auch gefördert.

Warum die Krypto-Szene in Estland deutlich kleiner geworden ist

Im Sommer 2021 zählte das kleine Land rund 650 Unternehmen mit Gewerbelizenzen für die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der virtuellen Währungen. Nachdem Matis Mäeker die Leitung des Amtes für Geldwäsche-Daten (Money Laundering Data Bureau) übernommen hatte, hat sich diese Zahl nach und nach auf rund 500 Unternehmen reduziert.  

Mäeker hat durch die nationale Risikobewertung, die Analysen seiner eigenen Behörde und durch die Einschätzung des internationalen Expertengremiums Moneyval (Expertenausschuss des Europarates) das hohe Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsrisiko der Branche deutlich gemacht – durch die Identifizierung einer eher hohen Zahl schwarzer Schafe.

Krypto-Unternehmen waren und sind nach dieser ersten Marktbereinigung weiterhin willkommen in Estland – aber eben nur jene, die sich an Regularien und Vorschriften halten und seriös arbeiten. Das heisst konkret, das Rahapesu Andmebüroo, also das Amt für Geldwäsche-Daten, schaut sehr genau hin und trennt die Spreu vom Weizen. 

Weitere Schrumpfkur nach Gesetzesänderung

Am 15. März 2022 sind die Änderungen des Gesetzes zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in Kraft getreten. Waren zu diesem Zeitpunkt in Estland noch rund 500 Krypto-Unternehmen aktiv, ist deren Zahl seither nochmals massiv geschrumpft.

Durch das verschärfte Gesetz sind weitere 389 Gewerbelizenzen gestrichen oder nicht mehr erneuert worden. Wie die Behörde aktuell bekanntgab, haben fast 200 Krypto-Unternehmen ihr Gewerbe von sich aus aufgegeben, weil sie die Bedingungen nicht erfüllen können. Rund 200 weitere Unternehmen hat die Behörde vom Markt genommen, indem sie früher erteilte Betriebsgenehmigungen wegen Nichteinhaltung von Vorschriften für ungültig erklärt hat.

Regulatorische und administrative Rosskur mit Folgen

Hatte sich durch das straffere Regime schon vor der Gesetzesänderung die Zahl der Krypto-Unternehmen von 650 auf 500 reduziert, hat die Behörde in den letzten Monaten auf der Basis der verschärften Anforderungen zusätzlich mit eisernem Besen ausgekehrt – mit drastischen Folgen.

Vier Fünftel der bisherigen Unternehmen sind raus aus dem Spiel, am 1. Mai 2023 sind in Estland noch 100 gültige Geschäftslizenzen für die Bereitstellung von virtuellen Währungsdiensten gezählt worden.

Was sagt der Leiter der Behörde zur rigorosen Marktbereinigung?

Bevor Matis Mäeker die Leitung des Amtes für Geldwäsche-Daten übernommen hat, war es offenbar einfacher, in Estland zu einer Betriebsbewilligung zu kommen. Bei der Überprüfung und Erneuerung (oder Nicht-Erneuerung) der Bewilligungen ist die Behörde nach Aussagen von Mäeker auf zahlreiche Unstimmigkeiten gestossen:

Wir haben in den Bewerbungen zu verschiedenen Themen viele verdächtige Sachverhalte gefunden, die teilweise überraschend waren

So identifizierte die Geldwäschereistelle in mehreren Fällen zu Vorständen oder Ansprechpartnern ernannte Personen, die selbst keine Kenntnis davon hatten, deren Lebensläufe gefälscht waren oder die keinen tadellosen geschäftlichen Ruf hatten. Zudem hätten die von mehreren Unternehmen vorgelegten Businesspläne und Finanzprognosen jegliche Logik vermissen lassen.

Der Chef der Behörde reagiert auch auf Dilettantismus und Traumtänzereien eher negativ, die in einem hochentwickelten Markt wie Estland keinen Platz haben. Als Beispiel benennt Mäeker ein maltesisches Unternehmen mit polnischen Eigentümern und Managern, das mit einem völlig trivialen und teuren Service nach Estland kommen wollte, um 90 Prozent seines Geschäfts an estnische Bürger zu richten, ohne Marktforschung betrieben oder echte Mitarbeiter in Estland eingestellt zu haben. Das ist nicht verboten, aber "unqualifiziert und teuer" scheint in Estland ebenfalls nicht erwünscht zu sein.

Die teilweise miserablen Bewerbungsunterlagen, meint Mäeker, würden die Ernsthaftigkeit der Unternehmen, die nach Estland kommen wollen, infrage stellen. Und damit ihren glaubwürdigen Wunsch, gute Dienstleistungen in Estland anzubieten. Oder im Gegenteil, bestimmte Personen wollten das estnische Wirtschafts- und Finanzsystem für illegale Aktivitäten nutzen.

Die Massnahmen des Gesetzgebers und der Aufsichtsbehörde der letzten Monate empfindet Mäeker als notwendig und angemessen, in Anbetracht der erstaunlich hohen Zahl von Unternehmen, die ihre Gewerbeerlaubnis verloren haben, aufgrund der vorgelegten Unterlagen sowie der Art und Weise ihrer Tätigkeit und der damit verbundenen Risiken.

Der Kryptomarkt profitiert von klaren und fairen Regulierungen

Die durchgeführten Massnahmen der Estländer zur Marktbereinigung greifen die seriösen Krypto-Unternehmen nicht an, im Gegenteil. Estland bleibt ein guter Standort für die Krypto-Szene und ist durch das Durchgreifen der Behörden sogar zu einem besseren Standoret geworden. Zumal die geprüften und regulierten Unternehmen mit der erteilen Betriebsbewilligung auch ein gutes Zeugnis ausgestellt bekommen. Werden die schwarzen Schafe laufend aussortiert, gehören die Unternehmen mit dem Stempel der Behörde zu den Guten. Das schafft Vertrauen und eine gewisse Sicherheit für Kundinnen und Kunden dieser Unternehmen. 

Länder wie die Schweiz und Liechtenstein sind seit längerem mit durchdachten und tragfähigen Regulierungen unterwegs. Estland hat jetzt aufgeräumt und wird weiterhin am Ball bleiben. Die EU hat sich mit MiCA einen guten Rechtsrahmen für den Kryptomarkt gegeben. Die USA sind aktuell etwas chaotisch am Werk und erst auf dem Weg, klare Verhältnisse zu schaffen. 

Regulatorische Anstrengungen, die zu einem verbindlichen Rechtsrahmen und zu klaren Spielregeln für alle Beteiligten führen, brauchen seriöse Krypto-Unternehmen nicht zu fürchten, langfristig profitieren sie davon. Die gesamte Kryptobranche ebenfalls, die sich nur reguliert weiterentwickeln und wachsen kann.