Das Projekt einer Digital Identity für die Schweiz ist seit längerem in Arbeit und wird von verschiedenen Gruppierungen vorangetrieben. Gestützt vom Bundesrat, der in seinem Vorentwurf zum neuen E-ID-Gesetz explizit davon ausgeht, dass Staat und Wirtschaft kooperieren und sich die Aufgaben teilen.
Konkret sollen Zulassungen von einer Anerkennungsstelle auf Bundesebene an private und öffentliche Identifizierungs-Dienstleister vergeben werden, an sogenannte "Identity Provider (IdP)". Diese wären dann dafür zuständig, die E-ID auszustellen, nach den Vorgaben und aufgrund der gelieferten Personendaten des Bundes.
Der Bundesrat hat in seiner Botschaft zur Vernehmlassung des neuen E-ID-Gesetzes am 22. Februar 2017 konkret mögliche Exponenten benannt, welche zu diesem Zeitpunkt bereits Projekte in Arbeit hatten:
"Dabei sollen beispielsweise auch bereits existierende oder sich im Aufbau befindende Systeme, wie etwa die Projekte von Post und SBB sowie Banken und Swisscom, vom Bund anerkannt werden können."
Mitspieler und involvierte Parteien
Mehrere Gruppierungen und Unternehmen haben die digitale Identität für die Schweiz konkret in Planung. Dabei treffen unterschiedliche Konzepte, Interessen und auch Ausrichtungen aufeinander. Mit an vorderster Front agieren unter anderen:
- UBS, Credit Suisse und Swisscom in Kooperation mit dem lettischen Startup Notakey
- Post und SBB (SwissSign) mit der SwissID
- Procivis mit eID+ und der Plattform e-Government as a Service
- Stadt Zug mit einer blockchainbasierten Digital Identity für die Einwohner von Zug (Entwicklung in Kooperation mit dem Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern sowie den Technologie-Unternehmen Consensys-uPort und TI&M)
- Kanton Schaffhausen mit einer Bürger-ID für die Bewohner des Kantons (Entwicklung in Kooperation mit Procivis)
- Swiss FinTech Innovations mit der Vision einer einzigen digitalen Identität für die Schweiz (Initiative, welche alle involvierten Parteien an einen Tisch bringen will)
Daneben gibt's auch Stimmen, welche die Verantwortung für sämtliche Prozesse rund um die Digital Identity nicht aufteilen, sondern exklusiv beim Bund anbinden möchten. Entgegen dem bundesrätlichen Vorschlag, private Identity Provider mit der Ausstellung der E-ID zu betrauen. Zum Beispiel der Regierungsrat des Kantons Zürich, welcher die Vernehmlassung genutzt hat, um einen Gegenvorschlag einzubringen, der einzig die Entwicklung der notwendigen Software an Private ausgliedern möchte. Oder Procivis, das Unternehmen vertritt die Haltung, dass ausschliesslich der Staat für die Ausstellung und Verwaltung von digitalen Identitäten verantwortlich bleiben soll.
Die Rolle von Swiss FinTech Innovations
Der Branchenverband hat im Mai die Rolle einer koordinierenden Drehscheibe übernommen und eine Initiative gestartet, um bisher involvierte Parteien an einen Tisch zu bringen. Konkret Post und SBB sowie UBS, Credit Suisse und Swisscom plus weitere Partner – mit der Vision, eine einzige Schweizer Digital Identity zu schaffen.
Swiss FinTech Innovations informiert aktuell über Ziele und Pläne rund um die Initiative und Vision der digitalen Indentität.
Patrick Baumberger, Vice President SFTI: «Wir koordinieren die unterschiedlichsten Interessen und Initiativen. Bei der eID-Thematik geht es beispielsweise darum, ein abgestimmtes Modell zu erarbeiten, das allen Ansprüchen gerecht wird.»
Zur Frage der staatlichen oder privatwirtschaftlichen Lösung vertritt Swiss FinTech Innovations die Haltung seiner Mitglieder mit folgendem Statement:
"Wenn Banken in das staatlich organisierte eID-System eingebunden werden, könnte die eID kostengünstig und rasch in der gesamten Schweiz eingeführt werden. Banken haben eine hohe Kundenabdeckung und können so für eine rasche Verbreitung der digitalen Identität sorgen. Zudem verfügen sie über sichere Authentifizierungsmittel und -Prozesse. Der Endkunde weiss, wie er die Authentifizierungsmittel nutzen muss und hat grosses Vertrauen in seine Bank. Entsprechend sind die Bankkunden verifiziert. Die digitale Identität könnte in der Schweiz auf diesem Weg bereits im Jahre 2019 Realität werden."
Der Verband verweist in diesem Zusammenhang auf andere europäische Länder, welche mit Banken als Identitätsprovider gute Erfahrungen gemacht haben. Zum Beispiel Holland (iDIN), Finnland (TUPAS) oder Schweden (BankID). Die Digital Identity ist in diesen Ländern weit verbreitet und geniesst eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung.
Was meint die Schweizer Bevölkerung?
Um Grundlagen und Fakten zu schaffen, hat SFTI die Schweizer Bevölkerung zur digitalen Identität befragt. Wir haben die aktuelle Studie im Detail bereits vorgestellt, deshalb hier nur ein zentrales Resultat aus der Befragung:
Als Anbieter der digitalen Identität wird die öffentliche Hand präferiert, für 87 Prozent der Befragten kommen jedoch auch private Unternehmen als E-ID-Anbieter infrage.
Bestätigt durch dieses Resultat, fasst Jürg Anderegg, Leiter der Expertengruppe Digital Identity des SFTI, zusammen, was nach seiner Ansicht für eine Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft sowie für die vom Bundesrat geplante Aufteilung der Aufgaben spricht:
«Die Schweizer Banken eignen sich besonders als qualifizierte Identitätsprovider. Sie geniessen bezüglich Sicherheit das Vertrauen der Bevölkerung. Bereits seit vielen Jahren investieren die Banken laufend in die Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit ihrer Banken-Logins, ohne dass jemals der Regulator bestimmt hätte, welche Anforderungen ein Banken-Login zu erfüllen hat – einzig aus dem Interesse, ihren Kunden die bestmögliche Sicherheit zu gewährleisten und das Vertrauen zu rechtfertigen. Gemeinsam decken die Banken annähernd 100 Prozent der Internet-affinen Bevölkerung ab. Dieses Potential kann für die Digitalisierung der Gesellschaft sofort genutzt werden. Der Staat behält die hoheitliche Aufgabe der Aufsicht und Kontrolle, und der Steuerzahler muss nicht die vielen Millionen berappen, die für den Aufbau und Betrieb einer rein staatlichen Lösung erforderlich wären.»
Wie geht es weiter?
Swiss FinTech Innovations wird aufgrund dieser Erkenntnisse und Überlegungen ein Modell für eine digitale Identität für die Schweiz ausarbeiten und als Empfehlung für die bedeutenden Firmen und Organisationen präsentieren. Zudem konzentriert man sich auf vorausgedachte mögliche Services und Use Cases im finanznahen Umfeld, welche erst durch die Einführung der digitalen Identität möglich werden. Liegen entsprechende Strategien und Konzepte bereit, können notwendige Lösungen wirkungsvoll unterstützt, begleitet und schneller realisiert werden.
Konkret können die nächsten Weichen im Oktober 2017 gestellt werden – zu diesem Zeitpunkt wird der Bundesratsbeschluss zum E-ID-Gesetz erwartet. Bleibt der Bundesrat bei seiner Haltung der Aufgabenteilung, werden Konkretisierung und Umsetzung der digitalen Identität zügig angepackt. Damit die Digital Identity für die Schweiz bis 2019 Realität werden kann.
E-ID-Gesetz: Vorentwurf im Originaltext
Chronologie der Ereignisse: Digital Identity Schweiz
Stichworte zum Thema im Lexikon: Digital Identity | E-ID | E-ID-Gesetz | Swiss FinTech Innovations