Interview: Marc Landis | Redaktion: Kevin Fischer
Mit Seba will Bühler Kryptowährungen und digitale Anlagen im voll regulierten Bankenumfeld zum Durchbruch verhelfen und mit der traditionellen Finanzwelt zusammenführen.
Welche Bedeutung haben Blockchain und Kryptowährungen zukünftig in der Schweiz?
Guido Bühler: Ich bin sicher, dass die Blockchain als Distributed-Ledger-Technologie (DLT) ein grosses Potenzial birgt und in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird. Sie kann in der Finanzindustrie vieles vereinfachen, insbesondere das Settlement von Finanzflüssen, und sie eignet sich perfekt zum Übertragen von Werten. Zudem bringen Blockchain und Kryptowährungen Warenhandel, Servicehandel und den Finanzfluss zusammen.
Ebenso glaube ich, dass DLT und digitale Anlagen, speziell Währungen, auch auf Staatsebene und sozialpolitisch vieles verändern können. Die neue Technologie kann Transparenz in jeden Verwaltungsakt bzw. jeden Geschäftsvorgang bringen, sowohl vom Bürger zum Staat wie auch vom Staat zum Bürger. Eine digitale Identität stellt die Integrität einer Person sicher und lässt diese gleichzeitig Einfluss auf das Netzwerk nehmen. Die darunterliegenden Daten können in Zukunft auch als Vermögenswert gehandelt und von der jeweiligen Person verwaltet werden. Beispielsweise würde der Wert persönlicher Daten zum effektiven Besitzer zurückgeführt.
Zudem denke ich auch, dass die Blockchain die sogenannte Shared Economy weiter beflügeln wird. Denn auf der Blockchain können Nutzungsrechte für eine Dienstleistung oder ein Angebot für eine bestimmte Zeiteinheit hinterlegt werden. Der dezentrale Gedanke von DLT passt sehr gut zum Regierungssystem der Schweiz und dem Föderalismus, wo die Verantwortlichkeiten auf Bund, Kantone und Gemeinden verteilt sind: Alle Teilnehmer haben quasi eine gemeinsame Schreib- und Leseberechtigung.
DLT erlaubt es nun, das Thema Geld zurückzunehmen und die Wertschöpfung wieder in den Vordergrund zu stellen
Welche Eigenschaften machen die Blockchain so interessant für die Finanzindustrie?
Die Blockchain eignet sich einerseits für Digitalisierung von Assets, also von Vermögenswerten. Das kann eine Kryptowährung wie Bitcoin sein, der erste Anwendungsfall einer Distributed-Ledger-Technologie. Neben Bitcoin rollt eine nächste Welle, die Digitalisierung von materiellen und immateriellen Vermögenswerten an. Verschiedene Berichte gehen davon aus, dass das Marktvolumen in den nächsten fünf Jahren auf 20 Billionen Dollar wachsen wird.
Zweitens eignet sich die DLT für die rechtssichere Übertragung von Eigentum. Der springende Punkt daran ist: «The trade equals the settlement». Und das ist das eigentlich Revolutionäre: Im Moment der Übertragung etwa einer digitalisierten Aktie ist auch der Prozess des «Verschiebens der Aktien» von einem Depot ins andere erledigt. Es gibt keine Nachhandelsaktivitäten aus und keine Wartezeiten. Der dritte Vorteil: Wer mit Krypto-Assets handelt, erhält einen privaten Key für den Zugang zum entsprechenden Kryptowallet. Die Hinterlegung des Private Key kann als optimale Sicherheit, etwa bei Kreditgeschäften, verwendet werden.
Die vierte und wichtigste Eigenschaft ist die Tokenisierung selbst. Dieser Akt der «Origination» von digitalen Vermögenswerten ermöglicht erst die Distribution und damit die Marktkapitalisierung. Technisch gesehen ist aber nicht die Tokenisierung die Herausforderung, sondern zu verstehen, wie man Wert generieren kann, wenn man etwas tokenisiert. Hier befinden wir uns zum Teil noch etwas auf einer naiven Ebene. Es wird wild drauflos tokenisiert, weil man es kann, statt weil es sinnvoll ist. Wenn man tokenisiert, um Liquidität zu kreieren, muss man einen Markt mit mindestens 100 Millionen Schweizer Franken haben. Das ist nicht automatisch immer der Fall. Ausserdem denken viele, dass sie tendenziell uninteressante Assets auf einfache Weise liquidieren können, nur weil sie sie tokenisieren können.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Seba zu gründen?
Ich komme aus der Finanzindustrie und habe jahrelange Erfahrung in der internationalen Unternehmensfinanzierung. Mit einem Geschäftspartner habe ich vor Seba ein Family-Office für Industrie-Familien geführt. Unsere Kunden interessierten sich damals für Technologie-Investments, Blockchain und wollten auch Kryptowährungen in ihren Portfolios. Und so habe ich begonnen, mich intensiv damit auseinanderzusetzen. Dabei habe ich auch die Stärken der Blockchain bzw. DLT für das Finanzsystem erkannt. Mir wurde zudem klar, dass wir mit diesem Thema nur dann Erfolg haben, wenn wir das ganze Finanzsystem inklusive Regulator in unsere Überlegungen miteinbeziehen. Denn wenn man Vermögenswerte von einem Kunden zum anderen verschieben möchte, ist man schnell im regulierten Bereich unterwegs.
Zudem vertraut ein vermögender Kunde sein Geld nicht einem x-beliebigen, unregulierten FinTech-Start-up an. Regulierung bedeutet auch die Sicherheit, dass Branchenstandards eingehalten werden und die Geschäftsprozesse entsprechend ausgestaltet sind. Da kam mir die Idee, Seba zu gründen mit allem, was es für eine «richtige Bank» braucht. Und mir wurde auch klar, dass ich die «Mutter aller Banklizenzen» haben wollte. Und diese vergibt die eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma.
Was genau bietet Seba an?
Ich stehe zu meinen Wurzeln und habe mit Seba eine Art kleine Universalbank gebaut (lacht). Wir haben mit Seba eine vollintegrierte Bank gebaut; eine Bank, die den primären wie auch den sekundären Markt abdeckt und sowohl institutionelle wie auch professionelle Privatinvestoren bedienen kann. Retailbanking bieten wir nicht an, ausser für Blockchain-Firmen und deren Mitarbeiter. Wir nennen Seba «the bank for the new economy», ohne Grenzen zwischen Fiat- und Kryptowährungen, mit einem umfassenden Angebot für Primär- und Sekundärmarkt, ohne Grenzen zwischen traditionellen und digitalen Assets. Über die Seba Wallet App können traditionelle gegen Kryptowährungen und umgekehrt getauscht werden. Mit der Seba Card kann global überall, wo man mit Kreditkarte bezahlen kann, bezahlt werden.
Seba hat im August die Banklizenz erhalten. Was bedeutet das für Sie?
Die Banklizenz ist das Eintrittsticket, um ganzheitlich und ohne Restriktionen auf Augenhöhe mit den anderen Teilnehmern im Schweizer Finanzmarkt zu agieren. Nur mit Lizenz können wir die Brücke zwischen der neuen digitalen und der traditionellen Finanzwelt schlagen und unseren Kunden die höchstmögliche Sicherheit und Vorteile in einem anspruchsvollen Marktumfeld geben. Wir können vollwertig tätig sein und bewährte Modelle auf die neue Anlageklasse überführen. So haben wir beispielsweise einen dynamischen Index für Kryptowährungen auf den Markt gebracht und folgen dem Trend des Index Investing im traditionellen Banking.
Wie unterscheidet sich Seba von einer traditionellen Bank?
Wir sind extrem gut positioniert auf dem Markt und aktuell die einzigen, die digitale Vermögenswerte über den gesamten Lebenszyklus – das heisst Custody Storage, Zahlungsverkehr, Handel, Asset und Wealth Management und zukünftig auch Tokenisierung – für institutionelle und private professionelle Kunden anbieten und mit traditionellen Assets zusammenbringen können. Wir möchten ein neues Kundenerlebnis schaffen mit digitalen Lösungen, aber auch als physische Bank. Die Interaktion mit uns soll emotional, transparent und kosteneffizient sein. Wir sehen uns im Vergleich zu traditionellen Banken nicht als «Gatekeeper», sondern als Verstärker von Vermögen und Marktwissen.
Wie viele Kunden haben Sie?
Seit dem Beginn im Oktober haben wir 15 dedizierte Kunden an Bord geholt. Seit Anfang November sind wir für alle Kundensegmente der Schweiz offen und fleissig am Onboarden. Im Dezember öffnen wir uns dann auch für internationale Kunden.
Wie sieht die Seba-Roadmap aus?
Die meisten Produkte und Dienstleistungen, die wir auf den Markt bringen wollen, sind bereit – darunter auch die Seba-Karte, die Trading-Plattform und das erste Investment-Produkt. Weitere technologische Features und Produktideen sind in Planung.
Wie sehen Sie die Zukunft des Schweizer Finanzplatzes? Welche Veränderungen stehen mittel- und langfristig ins Haus?
Die Schweiz hat immer schon das Image von Vertrauen, Qualität, Neutralität und Seriosität gehabt. DLT erlaubt es nun, das Thema Geld zurückzunehmen und die Wertschöpfung wieder in den Vordergrund zu stellen. Am Standort Schweiz sind wir dafür bestens positioniert. DLT wird extrem wichtig werden und neue globale Player kreieren. Wir werden hoffentlich einer dieser Player sein.