Neo-Banken

Wie sind die ersten Zahlen der Neo-Bank Radicant zu bewerten?

Bunte Schirme auf der Website der Neo-Bank Radicant
Strategie- und Kurskorrektur auch visuell (Bild: Website Radicant)

Mit der neuen Strategie von Radicant kommen auch die ersten Zahlen – die sind nicht berauschend, aber die neue Strategie ist noch jung.

Mit ihrer neuen Strategie hat die Neo-Bank Radicant den einstmals absoluten Nachhaltigkeits-Anspruch nicht völlig über Bord geworfen, aber stark in den Hintergrund geschoben. Auch im visuellen Auftritt hat das schwere Dunkelgrün einer neuen Leichtigkeit und Vielfarbigkeit Platz gemacht.

Aggressive Preisgestaltung im Vordergrund

Im Vordergrund der neuen Strategie steht ein aggressives Pricing. Radicant operiert in den Gebühren sehr tief, zum Beispiel null Prozent Gebühren bei Kartentransaktionen in jeder Währung. Mit den gewährten Zinsen agiert die Neo-Bank ebenso offensiv, 1 Prozent ohne Abhebungsbeschränkungen und 1.25 Prozent bei der eben erst lancierten Säule 3a. 

Die neue Strategie und das eingeführte Pricing haben dazu geführt, dass Radicant im aktuellen Kostenvergleich der Schweizer Neo-Banken die bisher günstigsten Player von ihren Spitzenplätzen verdrängt hat, wir haben berichtet, hier. Die Mitbewerber sind nicht teurer geworden, Radicant hat mit ihrem Gebühren- und Zinsenmix einfach alle sehr deutlich unterboten und präsentiert sich im Moment als unschlagbar günstige Neo-Bank.

Ist die neue Strategie tragfähig?

Das grüne Image ist neuer Vielfarbigkeit gewichen und Radicant verfolgt sichtbar und spürbar einen neuen Kurs. Diese massive Kurskorrektur macht Sinn – allerdings nur, wenn sie durchgehalten werden kann – und dürfte aus der Küche von Anton Stadelmann kommen. Der neue CEO hat im November 2023 auf dem heissen Stuhl Platz genommen, vier Monate nach dem Markteintritt von Radicant. 

Diese kurzen vier Monate dürften jedoch bereits gezeigt haben, dass mit Nachhaltigkeits-Appellen und grünen Angeboten allein weder Massen zu bewegen sind noch sehenswerte Erträge generiert werden können. Zumindest nicht schnell. Dazu ist Radicant jedoch angehalten, die hoch finanzierte Neo-Bank steht unter Druck und von verschiedenen Seiten im Gegenwind, wir haben berichtet, hier

Der Strategiewechsel kam insofern zum richtigen Zeitpunkt, als er im Markt keine grossen Wellen schlägt – Mitbewerber ausgenommen. Die rigorose Kurskorrektur wird von Kundinnen und Kunden praktisch nicht registriert. Aus dem einfachen Grund, weil Radicant noch keine nennenswerte Kundenbasis hat, der eine Kurskorrektur erklärt werden müsste.

Die ersten Zahlen von Radicant

Die von der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB) gelieferten Zahlen zu ihrer Neo-Banken-Tochter sind noch nicht berauschend: 6'500 Kundinnen und Kunden haben bisher 80 Millionen Franken bei der Neo-Bank angelegt. 

Die tiefen Werte werden mit «einem aktuell sehr anspruchsvollen Marktumfeld» begründet. Stimmt, nur: Schnell wachsende Mitbewerber operieren im selben Marktumfeld. Immerhin, die der Neo-Bank anvertrauten Kundengelder hätten sich im ersten Halbjahr 2024 vervielfacht, meldet die BLKB. Das ist erfreulich, zeigt jedoch vor allem, dass Radicant vor dieser Vervielfachung in Sachen Neukunden-Produktion auf sehr tiefem Niveau unterwegs war.

Dennoch zeitigt der Strategiewechsel in Ansätzen bereits Wirkung und das aggressive Pricing könnte tatsächlich dazu führen, dass Radicant schnell und in respektabler Anzahl neue Kunden gewinnen kann. Insofern haben die aktuellen Zahlen noch keine grosse Aussagekraft, die Neo-Bank braucht jetzt etwas Zeit, um ihren neuen Kurs fortzusetzen.

Der Bankrat der BLKB hält Radicant die Stange und bekräftigt, hinter den getätigten Investitionen und der neuen strategischen Ausrichtung zu stehen. Deshalb beissen die Verantwortlichen auch in den sauren Abschreibungs-Apfel, die BLKB verbucht auf Radicant eine weitere Bewertungskorrektur in der Höhe von 9 Millionen Franken. Damit sind auf die teure Neo-Banken-Tochter insgesamt bereits 31 Millionen abgeschrieben worden.

Die BLKB geht weiterhin davon aus, dass ihre Tochter Radicant 2027/2028 Break-even erreichen wird. Ohne Strategiewechsel und Kurskorrektur wäre das kaum zu schaffen gewesen. Mit der neuen Strategie und mit neuen Ideen und Innovationen scheint die gesetzte Zielmarke zumindest nicht mehr Lichtjahre entfernt.

Ob und wann genau die Neo-Bank Radicant profitabel arbeiten wird, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Die Neo-Banken-Tochter der BLKB hat jedoch neu einen Weg eingeschlagen, der die Chancen tatsächlich erhöht, Radicant zu einer sichtbaren und spürbaren Mitbewerberin im Neo-Banken-Markt Schweiz werden zu lassen. Immer vorausgesetzt, BLKB-Spitze, Bankrat und politische Kreise lassen Radicant arbeiten und geben der jungen Neo-Bank weiterhin den Raum, um möglicherweise das zu erreichen, was alle Involvierten sich wünschen.