Die grössten Sorgen der Schweizer Bevölkerung sind materialistischer geprägt als früher. Stark zugelegt haben auch Themen wie Zuwanderung und Sicherheit.
Der Sorgenbarometer misst bereits seit 48 Jahren den Puls der Schweizer Stimmbevölkerung. Die repräsentative Studie erfasst jährlich die Sorgenwahrnehmung sowie das Vertrauen in die Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Vor fast fünf Jahrzehnten von der Credit Suisse aufgelegt, wird die tiefschürfende Analyse von der UBS im selben Rahmen weitergeführt – geändert hat sich lediglich das Logo des Absenders.
«Das UBS Sorgenbarometer gibt ein gutes Bild dessen, was die Menschen in unserem Land beschäftigt und leistet damit einen Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte», sagt Sabine Keller- Busse, President UBS Switzerland.
Wie steht es um die persönliche finanzielle Sicherheit? Welche Gedanken machen sich Schweizerinnen und Schweizer über ihre AHV und das Vorsorgesystem? Wie denken sie über die Themen Umwelt, Migration oder Sicherheit? Die Studie stellt jährlich all diese Fragen und zeigt übersichtlich auf, wie sich die Meinungen der Bevölkerung mit den Jahren entwickeln.
Sorgenbarometer 2024 in der Zusammenfassung
In der diesjährigen Umfrage wurde zunächst die Sorgenwahrnehmung anhand von verschiedenen Bereichen abgefragt.
Die 20 grössten Sorgenbereiche sind demnach materialistischer geprägt als früher. Die Sorge vor finanzieller Unsicherheit und erhöhten Lebenskosten spiegelt sich in rund einem Drittel der Top 10 wider.
Dazu zählt auch die klare Nummer eins: Mit Abstand die grössten Sorgen machen sich die Schweizer Stimmberechtigten im Jahr 2024 rund um das Thema Gesundheitsfragen, Krankenkassen und Prämien (48%).
Auf Platz zwei folgt die Sorge um die Umwelt (32%), die im Vergleich zu den Jahren 2021 bis 2023 jedoch abnimmt. Knapp dahinter, auf Platz drei, liegt die Sorge rund um das Thema AHV und Altersvorsorge (29%).
Zu den Themenkomplexen, die dieses Jahr im Vergleich zum Vorjahr signifikant an Bedeutung gewonnen haben, gehören neben den Themen Gesundheit, Migration und Wohnkosten auch das Thema Sicherheit und Kriminalität (15%, vom 20. Rang im Vorjahr nun auf Platz zehn vorgerückt).
Die folgende Grafik zeigt die Top-10-Sorgen, welche Schweizerinnen und Schweizer am meisten beschäftigen. Und auch, wie sich einzelne Sorgenbereiche im Vergleich zum Vorjahr verändert haben.
Sorgenkind Gesundheitswesen und Krankenkassenprämien
Fast die Hälfte der Stimmberechtigten zählt die Themen rund um das Gesundheitswesen im Jahr 2024 zu den fünf grössten Problemen der Schweiz. So hohe Zustimmungswerte wurden zuletzt Mitte der 2000er-Jahre erreicht.
In den Medien waren die Gesundheitskosten dieses Jahr durch die beiden Volksinitiativen zur Prämienentlastung und zur Kostenbremse sowie durch die Abstimmung zur einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) sehr präsent.
Zudem steigen die Krankenkassenprämien seit 2023 wieder stark an, was ebenfalls zur Priorisierung des Themas beigetragen haben könnte.
Wirtschaftliche Sorgen im Wandel
Unter den Wirtschaftssorgen, welche den Alltag direkt tangieren, hat vor allem das Thema Wohnkosten (25%) an Relevanz gewonnen. Seit 2022 steigt der Anteil derer, die sich über die steigenden Mietpreise sorgen.
Auf der anderen Seite verringert sich die Sorge um Arbeitslosigkeit. Während die Angst um die eigene Stelle bis Mitte der 2010er-Jahre noch einen grossen Teil der Stimmbevölkerung bewegte und seit den 1980er-Jahren regelmässig den ersten Platz belegte, ist sie inzwischen zu einem Randphänomen geworden (5%). Die einstige Top-Sorge ist damit nicht einmal mehr in den Top 20 vertreten.
Ebenfalls nicht unter den Top-Sorgen ist die Stabilität des Finanzsystems. Nur gerade 3 Prozent der Schweizerinnen und Schweizern zählen dieses Thema zu ihren Hauptsorgen und somit rangiert es auf Platz 39 von 41.
Migration und Zuwanderung bereiten mehr Sorgen
Ein weiteres Themenfeld, das die Problemwahrnehmung wieder vermehrt prägt, sind die Herausforderungen im Asylwesen (28%) sowie die Zuwanderung im Allgemeinen (26%). Der Vorjahresvergleich unterstreicht die zunehmende Bedeutung des Flüchtlingsthemas (plus fünf Plätze von Rang neun auf vier).
Über das Thema der Personenfreizügigkeit ist auch die Frage zur (neuen) Ausgestaltung der Beziehungen zwischen der Schweiz und Europa indirekt mit der Migrationsfrage verbunden. Die Sorge rund um Europa (18%) muss aber auch im Kontext geopolitischer Veränderungen betrachtet werden.
Zu diesem Block zählen neben der Ausgestaltung der Beziehungen zur EU auch die Sorgen um den Verlust der Neutralität der Schweiz (13%) und um das Aufkommen einer neuen Weltordnung, in welcher der Westen zunehmend unter Druck gerät (10%).
Demografische Unterschiede: Gräben zwischen den Generationen
Neben den allgemeinen Trends erfasst der Sorgenbarometer auch eine Reihe demografischer Unterschiede. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sorgt sich die Generation Z etwa deutlich mehr um die Themen Umweltschutz und Klima.
Auch die Themen Altersvorsorge, Wohnkosten und Teuerung beschäftigen junge Menschen deutlich mehr, während Migrationsfragen, die Beziehungen zu Europa oder die persönliche Sicherheit dieser Gruppe im Vergleich zu älteren Generationen weniger Sorgen bereitet.
Zudem sind geschlechtsspezifische Unterschiede festzumachen: Frauen nennen Gesundheitsfragen häufiger, während Männer Energiefragen, Migrations- und Sicherheitsthemen mehr beschäftigen.
Hohe Lebenszufriedenheit heute, aber: mehr Pessimismus für die Zukunft
Im weiteren Verlauf wurden die Stimmberechtigten zu ihrer persönlichen Zufriedenheit, wirtschaftlichen Situation sowie Einstellung befragt. Fast die Hälfte vergibt auf einer Skala von 0 bis 10 für ihre Lebenszufriedenheit einen Wert von mindestens 8 (47%).
Auch die eigene wirtschaftliche Lage wird ähnlich positiv beurteilt wie in den Vorjahren: Knapp zwei Drittel der Menschen geben an, dass es ihnen selbst aktuell wirtschaftlich gut (51%) oder sogar sehr gut (15%) geht. Gut ein Viertel beurteilt ihre eigene wirtschaftliche Situation als recht (27%) und nur wenige als schlecht (6%) oder sehr schlecht (1%).
Trotz der aktuellen Krisen, der grossen Unsicherheiten und Umbrüche hat sich in den letzten fünf Jahren bei der Einschätzung der persönlichen Situation wenig geändert.
Im Vergleich zu den letzten 30 Jahren geht es den Menschen gefühlt sogar eher besser als früher. Der Anteil, der nicht nur die heutige Situation als gut beurteilt, sondern auch mit Optimismus in die Zukunft blickt, hat jedoch in den letzten Jahren deutlich abgenommen.