Der europäische Banking Report der Strategieberatung Oliver Wyman wirft einen Blick auf die Verfassung der europäischen Banken. Der Report “Aim For Revival. Not Just Survival.” wagt auch eine Prognose zu den Kreditverlusten als Folge der Covid-19-Krise und kommt zum Schluss:
Kreditausfälle von 400 Milliarden bei europäischen Banken
Die Corona-Krise wird auch im Bankensektor ihre Spuren hinterlassen. Die Experten von Oliver Wyman glauben: Die Krise führt dazu, dass die europäischen Banken in den nächsten drei Jahren mit Kreditverlusten von über 400 Milliarden Euro rechnen müssen. Sollte ein zweiter, ähnlich weitreichender Lockdown aufgrund einer stark wachsenden Anzahl Covid-19-Infizierter in Europa nötig sein, könnten sich die Verluste auf 800 Milliarden Euro verdoppeln.
«Die zu erwartenden Verluste von 400 Milliarden Euro wären zweieinhalb Mal so hoch wie die gesamten Kreditverluste in der Branche in den vergangenen drei Jahren», sagt Tobias Würgler, Partner und Leiter der Financial Services Practice in der Schweiz. «Jedoch entspricht das weniger als 40 Prozent der Verluste, die in der globalen Finanzkrise 2008-10 verzeichnet wurden».
«Die gute Nachricht ist, dass die Banken im Jahr 2020 deutlich besser kapitalisiert sind als in der letzten Krise. Die Kreditverluste werden daher nach heutiger Einschätzung das System nicht zum Umfallen bringen», ergänzt Robert Buess, Partner und Bankexperte bei Oliver Wyman in Zürich. «Was die Situation aber kompliziert macht, sind niedrigere Margen sowohl im Privat- als auch im europäischen Firmenkundengeschäft. Wir rechnen mit einem Rückgang der Erträge von 30 Milliarden Euro bis 2022».
Im Bericht legt Oliver Wyman dar, dass sich im Jahr 2020 aufgrund dieser Entwicklungen über die Hälfte des Systems – gemessen am gebundenen Kapital – in einer Grauzone bewegen könnte. In dieser Grauzone können zwar regulatorische Kapitalvorgaben noch eingehalten werden. Die geringe Profitabilität führt jedoch zu hoher Krisenanfälligkeit und Investitionen in transformatorische Vorhaben werden deutlich erschwert oder gar unmöglich. Fünf Prozent der Banken werden sogar in einem Bereich rutschen, in dem die Kapitalisierung unter das regulatorische Minimum sinkt und die Profitabilität nicht für eine Re-Kapitalisierung ausreicht.
«Die Bankenbranche muss zweifelsohne sehr grosse Anstrengungen unternehmen. Um aber erfolgreich sein zu können, wird die enge Begleitung und das Engagement von Aufsicht und Politik notwendig sein, etwa in den Bereichen der Konsolidierung und der Europäischen Bank- und Kapitalmarktunion. Ansonsten droht ein weiter geschwächter Bankensektor, der nicht mehr in der Lage ist, Wachstum zu finanzieren und hinter den Rest der Welt zurückfällt», sagt Buess.
Und die Schweiz?
Mit Blick auf die Schweizer Banken ergänzt Robert Buess: «Auch wenn aufgrund der gemeinsamen Anstrengungen des Staatswesens und den Banken die Kreditverluste in der Schweiz in der kurzen Frist geringer ausfallen dürften als in anderen Ländern, müssen die Schweizer Banken ihre Anstrengungen bei der Begleitung ihrer Kunden hoch halten. Denn aufgrund der hohen Exportlastigkeit Schweizer Unternehmen werden Kreditausfälle mittelfristig als Folge der Einbrüche in den Exportmärkten deutlich zunehmen».
Über den Report
Der European Banking Report von Oliver Wyman nutzt eigene Modelle zur Schätzung der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung von Banken unter Berücksichtigung von Ausfallraten bei Privat- und Firmenkunden, Rückstellungen, risikogewichteten Aktiva, Erträgen und anderen Bankenkennzahlen. Die Gesamtzahlen werden auf europäischer Ebene (Grossbritannien und EU) dargestellt, ebenso wie ein Ausblick auf die Erträge der Geschäftsbereiche und die Granularität der Auswirkungen auf die Erträge und Bilanzen der Banken in neun europäischen Ländern – Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, Spanien, den Niederlanden, Italien, Schweden, Griechenland und Portugal.
Die Studie zum Runterladen
Die Studie wirft, neben den prognostizierten Kreditausfällen, einen generellen Blick auf die Verfassung der Finanz- und Banken-Industrie. Der Report in englischer Sprache kann kostenlos direkt bei Oliver Wyman runtergeladen werden, gleich hier.