"Der Tag geht, Johnnie Walker kommt", war die Botschaft in einer Serie von atmosphärischen und legendären TV-Spots der 1990er-Jahre. Mit diesen Spots ist Johnnie Walker zum meistverkauften Scotch Whisky der Welt geworden.
Die Migros macht es eine Nummer kleiner, sie verscheucht nicht den Tag, um ein neues Produkt auf die Bühne zu stellen. Es genügt, dass die Neo-Bank Coop Finance+ diese Bühne frei macht. Und das Finanzkind von Coop ist nicht durch die Migros verscheucht worden, die noch junge Neo-Bank der Detailhändlerin hat sich aufgrund nicht erfüllter Erwartungen nicht mal ein Jahr nach ihrer Lancierung etwas überstürzt freiwillig verabschiedet – wir haben berichtet, hier.
Kommt mit M+ eine neue Neo-Bank?
Nein, mit M+ kommt keine neue Neo-Bank, es kommt lediglich ein neues Konto der Migros Bank.
Coop Finance+ war eine Neo-Bank mit eigener App und notwendiger Kooperation mit einem externen Bankpartner, der Hypothekarbank Lenzburg. Bei Migros ist das anders. Der Detailhandelsriese hat selbst eine Bank und bietet auch keine neue App. M+ ist im Kern das, was die Migros Bank schon im Angebot hat, einfach in einer neuen Verpackung und mit neuem Label. Dadurch wirkt das Angebot frisch und smart.
Zur Marketingstrategie gehört, dass nicht die Migros Bank direkt, sondern die Detailhändlerin Migros für das neue Angebot steht. Dadurch lassen sich alle Marketingkanäle der Migros mit einem neuen Produkt bespielen. Die Migros kann mit all ihren Möglichkeiten für ihre Bankentochter neue Kundinnen und Kunden akquirieren. Oder mit einem smarten Konto M+ vielleicht sogar neue Kundensegmente interessieren und anziehen.
Im Übrigen ist diese "Arbeitsteilung" auch zwingend, der Migros Bank als Absenderin würden sehr schnell die Argumente für das neue Produkt ausgehen – M+ bietet so gut wie nichts, das die Migros Bank nicht bereits im Angebot hätte.
Ob Migros sich das freigewordene "+" nach dem "M" bei der abtretenden Coop Finance+ ausgeliehen hat oder ob das Plus Teil einer ausgebufften Markenstrategie ist, weiss im Moment noch niemand.
Was kann das neue Konto M+?
Abgesehen von wenigen kosmetischen und visuellen Unterschieden bietet M+ das, was die Migros Bank bereits seit April 2024 für ihre Kundinnen und Kunden im Angebot hat. Damals hat sich die Migros Bank entschieden, alle notwendigen Leistungen für das Alltags-Banking zu einem Gratis-Paket zu schnüren. Diese Gratis-Politik gilt auch für das neue Konto M+.
Wir sind jetzt nicht unnötig fleissig, sondern übernehmen den im Detail von der Migros beschriebenen Leistungsumfang für M+:
- Kostenloses Privatkonto: keine Kontoführungsgebühren und keine Buchungsspesen
- Kostenlose Debitkarte: keine Jahresgebühren
- Gratis-Kreditkarte (optional): Cumulus Kreditkarte ohne Jahresgebühr und ohne zusätzliche Bearbeitungsgebühr bei Transaktionen in Fremdwährungen
- Kostenloses Sparkonto (optional): attraktive Verzinsung
- Gebührenfreier Bargeldbezug: an den Kassen von über 1'500 Verkaufspunkten der Migros-Gruppe sowie an über 250 Bancomaten der Migros Bank
- Cumulus-Punkte: mit der Debit- und Kreditkarte noch einfacher Punkte sammeln beim Bonusprogramm der Migros
- Einfaches und bequemes E-Banking
- Beratung zu allen Finanzfragen: Online oder in einer Migros Bank Filiale
- Das Konto kann online eröffnet werden
Gebühren und Kosten fallen lediglich bei Bargeldbezügen an fremden Geldautomaten in der Schweiz oder im Ausland an. Zudem wird die Nutzung der Debitkarte im Ausland mit Gebühren belastet und Überweisungen vom Konto ins Ausland kosten extra.
Hat das neue Konto M+ doch etwas mit Neo-Banken zu tun?
Abgesehen von den beschriebenen wenigen Ausnahmen ist M+ so kostenlos wie ein Konto nur gratis sein kann. Damit folgt die Migros Bank einem Trend, den zahlreiche Neo-Banken wie Revolut, Neon, Yuh, Radicant, Wise und weitere gesetzt haben. Mit Gratis-Konten und zahlreichen kostenlosen Leistungen haben es diese Neo-Banken im Verbund zu einer Grösse gebracht, die für klassische Banken spürbar wird.
Deshalb ziehen immer mehr klassische Banken nach, um den weiterhin stark wachsenden Neo-Banken auch in den Gebühren etwas entgegenzusetzen. Dazu gehören inzwischen zahlreichen Kantonalbanken und auch die Migros Bank. Die Frage, ob das Virus der fallenden Gebühren ansteckend sein könnte, haben wir im Ansatz kürzlich beantwortet, hier.
Insofern ist M+ der Migros keine Neo-Bank, aber eine smarte Antwort auf die Angebote und auf die Gebührenpolitik der Neo-Banken. Ob die Migros mit ihren publikumsstarken Kanälen neue Kundinnen und Kunden generieren oder zusätzliche Kundensegmente begeistern kann, wird sich zeigen.
Wenn die Migros nicht nur auf ihre eigene Grösse vertraut, sondern intelligentes Marketing mit Grösse kombiniert, könnte das klappen. Die Chancen sind intakt, dass M+ es "ein M besser" machen könnte als Coop Finance+. Und vor allem: im Unterschied zur Konkurrentin Coop ist für Migros der Versuch absolut risikolos. Sollte der Migros mit ihrem Marketing-Produkt ebenfalls vorschnell der Schnauf ausgehen, wird es M+ weiterhin geben. Bei der Migros Bank, wie schon bis anhin, einfach ohne "+"