Stimmungs- und Meinungswechsel halten die Spannung hoch bis zum 13. Juni 2021. Die Schweizer Bevölkerung stimmt über fünf nationale Vorlagen ab – entschieden ist zum jetzigen Zeitpunkt in weiten Teilen allerdings noch gar nichts.
Die aktuellen Resultate zur zweiten Befragungswelle bringen wir weiter unten, zuerst ein Blick auf die Menschen, welche mit ihrem Ja oder Nein diese fünf Vorlagen gutheissen oder bachab schicken.
Die direkte Demokratie und ihre Beteiligten
In der Schweiz entscheidet das Volk sehr direkt über Sachfragen, über politische, wirtschaftliche, soziale und auch über gesellschaftliche Themen. Volksabstimmungen gehören zu den Instrumenten, über die Schweizerinnen und Schweizer ihr Ja oder ihr Nein zu bestimmten Vorlagen abgeben.
Interessant ist deshalb ein Blick auf das Schweizer Stimmvolk, auf die Menschen, welche mit ihrer Stimme die Geschicke des Landes aktiv mitgestalten. Auch und gerade im Hinblick auf die fünf wichtigen Vorlagen, über die am 13. Juni 2021 abgestimmt wird. – Nein, keine grosse Analyse, nur ein Überblick mit erstaunlichen Einsichten.
Mitbestimmen oder die anderen machen lassen?
Die Beteiligung an den eidgenössischen Volksabstimmungen hat im 20. Jahrhundert laufend abgenommen. Der Rückgang ist allerdings von starken Ausschlägen nach unten und nach oben geprägt. So lagen seit 1990 die Extremwerte für einzelne Vorlagen bei 28 Prozent und bei 79 Prozent.
Der Abwärtstrend hat sich jedoch zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht weiter fortgesetzt. Eine Schubumkehr ist nicht in Sicht, aber immerhin: die durchschnittliche Stimmbeteiligung ist wieder leicht angestiegen (von 42 Prozent in den 1980er-/1990er-Jahren auf aktuell 46 Prozent).
Dennoch weiterhin erstaunlich, dass auch heute noch jede und jeder Zweite sich damit begnügt, die anderen abstimmen und machen zu lassen. Dieses Desinteresse führt dazu, dass noch nicht mal die Hälfte der Schweizer Bevölkerung zentrale Entscheidungen fällt, die das ganze Land betreffen – und damit die ganze Bevölkerung. Also auch jene 54 Prozent, die selbst nicht mitentscheiden wollen.
Die Stimmbeteiligung in Zahlen
Das Bundesamt für Statistik hat die Entwicklung der Stimmbeteiligung zwischen 1911 und 2020 in eine aufschlussreiche Übersicht gepackt – hier die Zahlen auf einen Blick.
Interessant sind die gewaltigen Unterschiede bei den Kantonen. Sind die Stimmberechtigten der Kantone Glarus (37.7 Prozent), Appenzell IR (39.8 Prozent) sowie Uri und Jura (je 40.5 Prozent) an eidgenössischen Volksabstimmungen nur mässig interessiert, steht ein Kanton unangefochten an der Spitze:
Schaffhauserinnen und Schaffhauser sind im Durchschnitt aller Urnengänge der letzten zehn Jahre mit 64.9 Prozent voll im Spiel der gemachten und abgegebenen Meinung. – Wie kommt's, dass sich fast zwei Drittel der Bevölkerung aktiv am politischen und demokratischen Prozess beteiligen? Sind die Schaffhauserinnen und Schaffhauser einfach interessierter, sollte man Blumen schicken, sind sie die besseren Schweizer, sollten wir die Schaffhauser Mundart zur Amtssprache erheben?
Wie's die Einwohnerinnen und Einwohner der anderen Kantone halten, hat das Bundesamt für Statistik ebenso übersichtlich zusammengestellt – hier als PDF.
Legt man die Durchschnittswerte zugrunde, werden 54 Prozent der Schweizer Bevölkerung auch zu den aktuellen Vorlagen vom 13. Juni schweigen, 46 Prozent werden ihre Stimme abgeben und sagen, wo's langgeht.
Die Resultate der zweiten Befragungswelle zu den aktuellen Vorlagen
20 Minuten und Tamedia haben auf ihren Newsportalen die zweite Welle der titelübergreifenden Umfrage im Vorfeld der eidgenössischen Abstimmungen vom 13. Juni 2021 durchgeführt. 19’378 Personen aus der ganzen Schweiz haben am 11. und 12. Mai online an der Umfrage teilgenommen. Der Fehlerbereich liegt bei 1,1 Prozentpunkten.
CO2-Gesetz: Nur noch eine sehr knappe Mehrheit für das Ja-Lager
Knapp fünf Wochen vor der Abstimmung beträgt die Zustimmung für das CO2-Gesetz nur noch 50 Prozent. Auch die Pestizid- und die Trinkwasser-Initiative büssen an Unterstützung ein, weniger als die Hälfte der Wählerinnen und Wähler sagen Ja zu den Vorlagen.
Einzig das Covid-19-Gesetz und das Gesetz über polizeiliche Massnahmen gegen Terrorismus werden von stabilen Zweidrittelmehrheiten unterstützt.
Die Momentaufnahmen von Stimmung und Haltung zu den einzelnen Vorlagen
Trinkwasser-Initiative: Die Zustimmung bröckelt
Gemäss der zweiten Umfragewelle sprechen sich nur noch 48 Prozent für die Trinkwasser-Initiative aus, 50 Prozent würden die Vorlage derzeit ablehnen. Die Zustimmung ist damit um sechs Prozentpunkte eingebrochen im Vergleich zur ersten Welle. Die Vorlage hat in allen Parteilagern an Zustimmung verloren, die Polarisierung bleibt aber unverändert stark: Wählerinnen und Wähler der linken Parteien und der GLP sind für die Initiative, während sich Wählerinnen und Wähler von SVP, FDP und der Mitte gegen die Vorlage aussprechen.
Auch die wichtigsten Argumente sind dieselben geblieben: Befürworterinnen und Befürworter sind überzeugt, dass über eine Million Menschen Trinkwasser konsumieren, welches mit Pestiziden aus der Landwirtschaft verschmutzt sei. Die Ablehnung der Gegnerinnen und Gegner gründet insbesondere in der Ansicht, dass die Initiative die Landwirtschaft schwächen würde, weil sie weniger Lebensmittel produzieren könnte.
Kopf-an-Kopf beim Pestizidverbot
Auch die knappe Mehrheit für das Pestizidverbot ist seit der ersten Welle geschmolzen: Mittlerweile sind 49 Prozent für die Initiative und 49 dagegen. Es zeigt sich ein praktisch deckungsgleiches Muster wie bei der Trinkwasser-Initiative: Eine hohe Zustimmung findet die Vorlage bei den Wählerinnen und Wählern der GLP und im linken Lager, die Wählerschaft von FDP, SVP und der Mitte lehnen sie deutlich ab.
Das Hauptargument der Befürworterinnen und Befürworter ist, dass Pestizide eine Gefahr für die Gesundheit seien, weil es einen Zusammenhang zwischen Pestiziden und bestimmten Krebsarten oder der Abnahme der Fruchtbarkeit gebe. Die Gegnerinnen und Gegner sind der Meinung, dass die Initiative eine Gefahr für die Versorgungssicherheit darstelle und zu steigenden Lebensmittelpreisen führe, weil die Produktion und die Importe verkompliziert würden.
Weiterhin stabile Mehrheit für das Covid-19-Gesetz
Eine komfortable Mehrheit geniesst weiterhin das Covid-19-Gesetz. Aktuell wollen 67 Prozent der Vorlage zustimmen. Die Vorlage wird von allen Parteien ausser der SVP unterstützt. Die Befürworterinnen und Befürworter betonen insbesondere, dass das Gesetz nötig sei, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufedern. Gegnerinnen und Gegner argumentieren damit, dass das Gesetz Ungeimpfte diskriminiere und die Macht von Bundesrat und Verwaltung stärke.
CO2-Gesetz steht auf der Kippe
Das CO2-Gesetz wird nur noch von einer sehr knappen Mehrheit unterstützt: 50 Prozent sprechen sich für, 46 gegen die Vorlage aus. 4 Prozent machen keine Angabe zu ihren Stimmabsichten. Auch diese Vorlage teilt Befürworterinnen und Befürworter und Gegnerinnen und Gegner in klare Lager: SVP und FDP sind dagegen, Grüne, SP und GLP sprechen sich sehr deutlich für das Gesetz aus. Bei dieser klaren Polarisierung werden die Mobilisierung in den beiden Lagern und das Stimmverhalten in der Mitte entscheidend sein.
Städterinnen und Städter sprechen sich eher für das Gesetz aus, Bewohnerinnen und Bewohner auf dem Land sind dagegen (61 respektive 42 Prozent Ja-Anteil). Die Unterstützerinnen und Unterstützer sind überzeugt, dass das Gesetz eine lenkende Wirkung habe, welche klimafreundliches Verhalten belohne, da diejenigen mehr bezahlten, die mehr CO2 verursachten. Gegnerinnen und Gegner argumentieren, dass das Klimaproblem nicht über Steuern und Abgaben gelöst werden solle, sondern über Innovation.
Weiter stabile Mehrheit für Gesetz über polizeiliche Massnahmen gegen den Terrorismus (PMT)
Nach wie vor unterstützen zwei Drittel (67 Prozent) der Wählerinnen und Wähler das PMT-Gesetz. Die Polarisierung hat sich im Vergleich zur ersten Wellen etwas abgeschwächt: Gemäss der zweiten Befragung sprechen sich mittlerweile lediglich die Wählerinnen und Wähler der Grünen gegen die Vorlage aus – es ist aber noch ein relativ grosser Anteil an Unentschiedenen auszumachen.
Die Gegnerinnen und Gegner sind der Meinung, dass das Gesetz der Willkür Tür und Tor öffne und unbescholtene Bürger unter falschen Verdacht geraten könnten. Auf der anderen Seite sind die Befürworterinnen und Befürworter der Überzeugung, dass die Polizei heute zu wenig Möglichkeiten habe, um präventiv gegen potenzielle Terroristen vorzugehen.