FinTech-Szene

Wie schlagen sich Schweizer FinTechs in Zeiten von Corona?

Zwei Mitarbeiter im Büro mit Schutzmasken
Bild: alvarez | Getty Images

Swiss FinTech hat sich in der Szene umgehört und bei einigen FinTechs den Puls genommen – stellvertretend für die Branche.

Die Umstände sind seit Ausbruch der Corona-Pandemie für alle Unternehmen deutlich schwieriger geworden – und deshalb auch herausfordernd. Die Schweizer FinTech-Branche stellt sich diesen Herausforderungen, sieht und packt auch neue Chancen.

Christina Kehl, Managing Director der Branchenvereinigung Swiss FinTech, fasst zusammen:

«Insbesondere fehlende Networking- und Business- Development-Plattformen gehören zu den viel genannten Herausforderungen. Zwar sind die FinTech-Unternehmen als digitale Vorreiter selbst auch auf Online-Veranstaltungen zu Hause, aber auf Kunden- und Partnerseite ist diese Form der Veranstaltung auch ein Jahr nach Beginn der Pandemie noch nicht überall eine Selbstverständlichkeit. Auf der anderen Seite wird von den Befragten ein gewisser Wandel wahrgenommen. Auch Grossunternehmen scheinen inzwischen eine verstärkte Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit sogenannten Remote-Teams zu entwickeln. Dies eröffnet Chancen für erfolgreiche Kooperationen mit Startups.»

Was sagen Schweizer FinTechs zum schwierigen Corona-Jahr?

Wie FinTechs mit den Herausforderungen umgehen zeigen die Statements aus der Praxis. Von unüberwindlichen Hürden und Resignation ist nichts zu spüren, im Gegenteil. Lesen Sie selbst.

«Die COVID-Krise führt bei der öffentlichen Hand zu erhöhtem Finanzbedarf, unter anderem aufgrund drohender Steuerausfälle und der Unterstützung der lokalen KMU. Das hat sich in unseren Zahlen widergespiegelt: Im 2020 wurde ein Volumen von CHF 7.1 Milliarden über unsere Plattform abgeschlossen – 50 Prozent mehr als im Vorjahr», so Martina Bühler von Loanboox. «In Deutschland hat die Nachfrage am stärksten zugenommen – das Jahres-Abschlussvolumen wurde vervierfacht. Es freut uns sehr, dass wir in diesen unsicheren Zeiten einen kleinen Beitrag zur Finanzierung der öffentlichen Hand, des Transportwesens und des Energiesektors leisten durften.»

«Volatile Märkte und viel Zeit zu Hause, um Ordnung zu schaffen: Das war für unsere Altoo Wealth Plattform eine ideale Situation, um den Mehrwert unter Beweis zu stellen. Unsere Userzahlen haben sich mehr als vervierfacht im letzten Jahr. Zudem war auch das Thema "Nachfolgeplanung" prominent, um der Familie einen Überblick über alle Vermögenswerte inklusive Immobilien oder Beteiligungen mit allen relevanten Informationen und Dokumenten zu verschaffen, falls der Ernstfall eintrifft», sagt Martin Stadler, CEO von Altoo. «Auch die Internationalisierung unseres Geschäfts hat sich trotz Reisestopp überraschend positiv entwickelt: Wir konnten Kunden aus 14 verschiedenen Ländern gewinnen, alles rein digital, was vor einem Jahr noch unvorstellbar war.»

Oliver Johannsen, CEO von Adamant Lane, erklärt: «Durch den wachsenden Bedarf an einer geeigneten Plattform für die Supply Chain Finance (SCF) haben wir die Zeit der Pandemie genutzt, um Liquidity Hub for Corporates zu entwickeln. Mit den Lösungen für SCF (Reverse Factoring) sowie Dynamic Discounting ist es uns gelungen, die neue Kundengruppe der Corporates zu erschliessen. Deshalb freuen wir uns aktuell über spannende Gespräche mit namenhaften Unternehmen, die die Zeit zur Umstrukturierung nutzen und sich besonders im Hinblick auf nie dagewesene Anforderungen des Marktes und steigende Volumina mit adäquater Software ausstatten.»

«Die Verbreitung von COVID-19 und die damit verbundenen Massnahmen veranlasste viele Unternehmen auf den Online-Vertrieb umzustellen. Durch unsere vollumfängliche Zahlungsplattform konnten wir vor allem KMU bei dieser Umstellung helfen», erklärt Ivan Schmid, CEO von Payrexx. «Zudem haben wir im letzten Jahr ein neues COVID-19-sicheres QR Tool entwickelt, das kontaktloses Zahlen vor Ort ermöglicht. Jeden Monat registrieren sich rund 650 Händler auf unserer Plattform. Das Gesamttransaktionsvolumen ist im Vergleich zum Vorjahr um 95 Prozent gestiegen und wir konnten eine Umsatzsteigerung von 120 Prozent generieren.»

«Die COVID-Krise hat dazu geführt, dass sich das Vertrauen und das Bewusstsein für digitale Dienstleistungen in der Schweiz nachhaltig verändert hat. Dies gilt ganz besonders für die Finanzbranche», erzählt Patrik Schär, CEO von Selma Finance. «Digitale Kontoeröffnungen, Live-Chat-Support oder ein rund-um-die-Uhr-Zugang via Apps wurde so zum neuen Standard. Trotz Corona konnten wir mit Selma im vergangenen Jahr mehr als 2’800 neue Konten eröffnen und haben uns damit mehr als verdreifacht. Wir sehen nun, dass dieses Wachstum auch nachhaltig anhält: Im Jahr 2021 alleine konnten wir bereits mehr als 1'000 neue Konten bei Selma eröffnen.» 

«Die Corona-Pandemie verschärfte besonders bei Treuhandunternehmen mit einer analogen Arbeitsweise den Digitalisierungsdruck massiv», sagt Alessandro Micera Co-CEO von Accounto. «Digitale und innovative Lösungen, wie jene von Accounto, erfreuten sich dadurch einer äusserst grossen Nachfrage. In zahlreichen Live-Demos mit KMU und Treuhandunternehmen gelang es Accounto, innert kürzester Zeit einen soliden Kundenstamm aufzubauen. Einziger Wermutstropfen: Abgesagte Anlässe und somit entgangene Möglichkeiten, die einzige voll automatisierte Buchhaltungssoftware der Schweiz noch mehr Interessentinnen und Interessenten zu präsentieren.» 


Swiss FinTech Fair 2021

Um die FinTech-Branche bei der Vernetzung und im Business Development aktiv zu unterstützen, veranstaltet die Vereinigung Swiss FinTech am 8. September 2021 wieder die Swiss FinTech Fair, die grösste FinTech-Messe der Schweiz. Nachdem die Veranstaltung 2020 in den virtuellen Raum verlegt werden musste, steht die Swiss Fintech Fair 2021 unter dem Motto #backtogether21 und findet im SIX Convention Point in Zürich statt.