Banken sind nicht innovations-abstinent. Sie spielen bei Innovationen jedoch selten bis gar nicht an vorderster Front mit. Das gilt auch für Schweizer Banken. Erstaunlich, weil Banken über Brain, Technologie, Geld und alle anderen Mittel verfügen, um Innovationen aus eigener Kraft zu lancieren. Innovationen, welche die Schweiz, den Rest der Welt und damit auch Kundinnen und Kunden überraschen könnten.
Zwischen Selbstwahrnehmung und sichtbarer Realität besteht eine Kluft. Banken selbst besingen oftmals in höchsten Tönen die Innovationskraft und Fortschrittlichkeit des Schweizer Finanzplatzes. Man kann sich des Eindrucks und Verdachts jedoch nicht ganz erwehren, dass bei diesen Lobgesängen möglicherweise Verdienste und tendenziell verblassender Lorbeer vergangener Tage Pate stehen.
In den letzten Jahren sind Schweizer Banken jedenfalls nicht durch forsches Tempo bei der Entwicklung bankenübergreifender Innovationen aufgefallen. Vielmehr durch vornehmene Zurückhaltung, Bremsmanöver und abwartende Haltung. Sichtbare Entwicklungen von "ausserhalb" in Frühphasen werden oftmals nicht aufgenommen, mitgestaltet und vorangetrieben. Entwicklungen dieser Art spielen erst in fortgeschrittenen Stadien eine Rolle, wenn es nicht mehr anders geht.
Agieren und gestalten – oder aus der Defensive heraus reagieren?
Banken, nicht nur in der Schweiz, manövrieren sich durch Passivität und Abwarten oftmals in defensive Positionen. Das zeigt sich zum Beispiel bei Open Banking und Open Finance. In der EU haben Banken gemauert, es brauchte eine verpflichtende PSD2-Regulierung, um in diesen Bereichen vorwärts zu machen. In der Schweiz den manifesten Druck des Bundesrates, aufgesetzt Ende 2022, nachzulesen hier, hier und hier – verbunden mit der Androhung, regulierende Nägel mit Köpfen zu machen, wenn die Banken sich nicht bewegen.
In den Bereichen Banking as a Service und Embedded-Finance-Lösungen haben Banken lange Zeit spezialisierten FinTechs das Feld überlassen, obschon Banken prädestiniert wären, hier die erste Geige zu spielen.
Instant Payments sind ein weiteres Beispiel für die Unlust der Banken, Innovationen zu lancieren und Kundenfreundlichkeit zu leben. In der EU sind die schnellen Zahlungen Ende 2017 auf die Gleise gestellt worden. Gut sechs Jahre später sind Sofortzahlungen von Konto zu Konto immer noch nicht flächendeckend möglich. Das wird erst mit der Regulierung durch das Europäische Parlament Realität, welche der Not gehorchend sämtliche Banken in der EU dazu verpflichtet hat, Sofortzahlungen als Standard rund um die Uhr anzubieten, kostenlos.
Woran liegt es, dass Innovationen und absolut zentrale Entwicklungen für die Finanzindustrie nicht von Banken selbst iniziiert werden, sondern erst auf Druck von Regulatoren oder Regierungen den Weg in die Praxis finden?
Auch Schweizer Banken zeigten wenig Interesse, Instant Payments auf ihre Agenda zu setzen. Waren Sofortzahlungen 2016 noch eher eine Innovation, die als künftiges "neues Normal" gehandelt wurde, sind Instant Payments heute eine erwartete Selbstverständlichkeit. Niemand versteht im digitalen Zeitalter, warum alles in Sekunden funktioniert, nur Bankzahlungen Stunden und Tage benötigen, bis das Geld beim Empfänger ankommt.
Wiederholt die Schweiz bei Instant Payments die Fehler der EU?
Diese Frage haben wir bereits Anfang Jahr gestellt und in Teilen beantwortet, hier. Verweigerung, Umwege über Halblösungen und die Idee, mit gebührenpflichtigen Sofortzahlungen neue Erträge zu generieren, führen zur Bauchlandung. Das hat die EU eindrücklich durchgespielt. Deshalb der regulatorische Druck und Zwang, ohne scheint es nicht zu funktionieren.
Auch in der Schweiz taten und tun sich Banken mit dem Thema Instant Payments schwer. Eine durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) ausgesprochene Verpflichtung war notwendig, um Bewegung in die Branche zu bringen. Instant Payments werden auch in der Schweiz obligatorisch, vorerst allerdings nur in eine Richtung: Schweizer Banken werden zum Empfang von Instant Payments verpflichtet. Sie bleiben jedoch frei in der Entscheidung, ob sie auch die ausgehenden schnellen Zahlungen ihren Kundinnen und Kunden als Service oder als Standard anbieten wollen.
Die 50 grössten Schweizer Banken mit mehr als 500'000 Kundenzahlungen pro Jahr müssen diese Vorgaben bis August 2024 erfüllen, alle anderen Banken haben Zeit bis Ende 2026.
Die Schweiz hätte nun die Chance, aus den Erfahrungen der EU zu lernen. Das würde Zeit und Umwege sparen und zu den richtigen Lösungen führen.
Welche Banken haben die Notwendigkeit von Instant Payments begriffen?
Ob Banken nun widerwillig die geforderte Minimal-Lösung einführen oder auch ausgehende Zahlungen möglich machen, wird sich erst zeigen. Bisher eingefangene Stimmungen aus der Branche lassen nicht unbedingt auf Einigkeit und Begeisterung schliessen.
In der EU hat sich in den letzten sechs Jahren bewiesen, dass Kundinnen und Kunden von Banken nicht bereit sind, für die längst erwartete Selbstverständlichkeit von Sofortzahlungen extra zu bezahlen.
In der Schweiz ist diese Einsicht noch nicht durchwegs angekommen. Erste Banken haben ihr Gebührenreglement für Instant Payments bereits vorgestellt. Sofortzahlungen werden jedoch als Gebührengenerator nicht funktionieren. Auch Schweizerinnen und Schweizer empfinden Instant Payments nicht (mehr) als unglaubliche Innovation, Big Techs und FinTechs haben die schnellen Zahlungen längst als Standard etabliert. Und Standard kostet nicht extra. Es hilft nicht, die neue Leistung mit Premium zu etikettieren – Zeit und berechtigte Erwartungen haben die Premium-Etikette längst überholt.
Einmal mehr: die Hypothekarbank Lenzburg setzt den Massstab in der Schweiz
Die Hypothekarbank Lenzburg (HBL) ist ready für Instant Payments und bietet Privaten und Firmen ein- und ausgehende Sofortzahlungen ab Sommer 2024 kostenlos an. Sie macht damit Instant Payments zum Standard für Zahlungen von Konto zu Konto innerhalb von zehn Sekunden. Überweisungen stehen Empfängern in Echtzeit zur Verfügung. Der Service läuft über die SIC5-Plattform der SIX – bereits seit Dezember 2023 produktiv in Betrieb – und steht sieben Tage die Woche rund um die Uhr zur Verfügung.
Genau genommen war die HBL schon vor eineinhalb Jahren bereit. Die Bank hatte Instant Payments auf ihrer Finstar-Plattform bereits Ende 2022 für Zahlungen ihrer Kundinnen und Kunden untereinander oder mit einem der FinTech-Partner eingeführt. Nun ist das System aufgerüstet, um übergreifend zu funktionieren. Manuela Spillmann, Leiterin HBL Solutions und Bereichsleiterin Services, fasst den Vorsprung der HBL kurz und knapp zusammen:
Wir sind technisch ready für Instant Payment mit allen Banken, die Instant Payments abwickeln können
Die Bank ist überzeugt, dass sie mit ihrem neuen Angebot einem echten Bedürfnis der Kundschaft entspricht: «Von Kundenseite spüren wir insbesondere im Zusammenhang mit mobilen Apps schon länger den Wunsch hin zu schnelleren Abwicklungsprozessen», sagt Spillmann weiter. Und sie legt den Finger auf einen zentralen Punkt, der Instant Payments für Händler und Shop-Betreiberinnen zum bevorzugten Zahlungs-Option machen könnte:
Instantzahlungen bringen nicht nur Tempo, sagt die HBL, sie sind auch mit Kostenvorteilen verbunden. Im Vergleich zu Zahlungen mit Debit- oder Kreditkarten fallen weder Transaktionsgebühren noch sonstige Fees an. Machen grosse Banken hier nicht mit, dürfte mit heftigem Druck von Händlern und der gesamten E-Commerce-Branche zu rechnen sein.
Mit Spillmans Aussage, «Wir freuen uns, dass wir den neuen Zahlungsstandard für unsere Kundinnen und Kunden kostenlos anbieten können», setzt die HBL als Wegbereiterin für Gratis-Sofortzahlungen auch andere Banken unter Zugzwang.
Die Rolle der Pionierin ist sich die Bank aus dem Aargau allerdings längst gewohnt. Sie setzt seit Jahren schon als Vorreiterin und Taktgeberin in den Bereichen Open Banking, Open Finance, Banking as a Service und Embedded-Finance-Lösungen Massstäbe. Nun eben auch mit Instant Payments.