"The Merge" und mögliche Auswirkungen – unsere Gastautorin zur geplanten Umstellung der Proof-of-Work- auf die Proof-of-Stake-Methode von Ethereum.
Ein Upgrade soll Ethereum sicherer, günstiger und nachhaltiger machen. Viele Krypto-Fachleute gehen deshalb von steigenden Kursen aus. Der Schritt bedeute aber auch ein beträchtliches Risiko für die Nummer 2 unter den Kryptowährungen, mahnt Esty Dwek von FlowBank.
Ethereum, die zweitgrösste Kryptowährung, plant ein grosses Update. Der genaue Zeitpunkt ist noch unklar, doch die Umstellung sollte im zweiten Quartal 2022 abgeschlossen sein. Die Märkte versprechen sich bereits jetzt eine höhere Skalierbarkeit und Sicherheit davon.
«The Merge» – so heisst das Update – sieht die Umstellung der Proof-of-Work- auf die Proof-of-Stake-Methode vor und soll Ethereum dadurch nachhaltiger machen. Konkret bedeutet das, dass Transaktionen nicht mehr durch die Lösung komplexer und ressourcenintensiver Rechenaufgaben bestätigt werden müssen. Neu soll grundsätzlich jede Nutzerin oder jeder Nutzer eine Transaktion validieren können – vorausgesetzt, es befinden sich mindestens 32 Coins in der Wallet. Das entspricht aktuell rund 83'000 US-Dollar.
Steigendes Investoreninteresse erwartet
Das teure Mining wird somit überflüssig. Durch diese Umstellung wird erwartet, dass der Energieverbrauch um 99% sinken wird. Esty Dwek, CIO von FlowBank, geht deshalb von einem steigenden Investoreninteresse an der Ethereum-Blockchain aus: «Ein Beispiel dafür ist Tesla. Das Unternehmen hat aus Nachhaltigkeitsüberlegungen bisher gezögert, mehr Kryptowährungen zu kaufen. Künftig könnte sich Tesla aber verstärkt Ethereum zuwenden.» Der Umstieg auf die Proof-of-Stake-Methode dürfte Ethereum auch für viele institutionelle Investoren interessanter machen.
Durch diese Umstellung wird erwartet, dass der Energieverbrauch um 99% sinken wird
Bisher wurden nur die Miner entschädigt. Künftig sollen aber die Nutzerinnen und Nutzer, die Transaktionen validieren, finanziell davon profitieren. Durch eine passive Investition in das Netzwerk sollten sie gemäss Dwek eine jährliche Rendite von 10 bis 15% erzielen können. Sie erwartet, dass einige versuchen werden, so ein regelmässiges Einkommen zu erzielen. Einige erfahrene Anleger könnten gemäss Dwek sogar Kredite in USD aufnehmen, um bis zu einem gewissen Grad das Abwärtspotenzial abzusichern und von der Rendite auf das Ethereum-Investment zu profitieren.
Schneller, sicherer, günstiger
Je mehr Nutzerinnen und Nutzer sich am Proof-of-Work-System beteiligen, desto stärker werden zudem die Gesamtkosten sinken. Gleichzeitig hat das Update einen positiven Effekt auf die Sicherheit der Blockchain. Denn die Validierer müssen damit rechnen, dass ihre Coins im Falle von betrügerischen Aktivitäten zerstört werden. Dazu kommt, dass sie verschiedenen Teilen der Blockchain zugewiesen werden, was eine Absprache zwischen ihnen praktisch unmöglich macht.
«Schliesslich dürfte das Staking, das weniger kostspielig ist als das Mining, mehr Menschen dazu motivieren, Transaktionen zu überprüfen. Dadurch wird die Dezentralisierung des Netzwerks erhöht», erklärt Dwek.
Das Upgrade soll Ethereum ausserdem zu mehr Geschwindigkeit verhelfen, da die Prüfer nur ihren eigenen Teil der Blockchain überprüfen müssen. Anstatt wie bisher nur 15, sollten künftig bis zu 45 Transaktionen pro Sekunde möglich sein.
Je mehr Nutzerinnen und Nutzer sich am Proof-of-Work-System beteiligen, desto stärker werden die Gesamtkosten sinken
Ethereum-Ökosystem sollte profitieren
Dank diesen Verbesserungen dürfte der Kurs der Kryptowährung trotz belastender Faktoren wie dem Krieg in der Ukraine oder des verlangsamten Wachstums ansteigen. Verschiedenen Schätzungen zufolge könnte der Ethereum-Kurs Ende des Jahres zwischen 4'000 und rund 10'000 USD liegen. «Obwohl diese Ansichten sehr bullish sind, ist es wichtig zu beachten, dass Krypto-Enthusiasten oft aggressive Preisziele haben, die möglicherweise nicht realistisch sind», relativiert die Anlagestrategin.
Auch das gesamte auf Ethereum basierende Ökosystem dürfte vom Upgrade profitieren. Dazu zählen neben Krypto-Coins auch NFTs und andere verschlüsselte Technologien.
Es kann einiges schiefgehen
Das Upgrade sei aber nicht ohne Risiken. «Denkbar sind beispielsweise ein Softwarefehler oder Hacks – oder Miner können gleich ein ganzes alternatives Ethereum-Netzwerk aufbauen», erklärt Dwek. 2020 beispielsweise führte ein Update dazu, dass sich Ethereum in zwei Teile spaltete und damit das gesamte Decentralized-Finance-Ökosystem in Aufruhr versetzte.
Ebenfalls gravierend könnte es sein, falls Ethereum-Miner ihre Aktivitäten wegen mangelnder Anreize kurz vor dem Upgrade einstellen. Ein solcher plötzlicher Rückgang der Mining-Leistung könnte zu einem Sicherheitsproblem führen. Um das zu verhindern, erwartet Dwek, dass Ethereum nach dem Upgrade für einige Zeit sowohl auf der Proof-of-Work- und Proof-of-Stake-Logik basieren dürfte.