In einem dürren und knappen Fünfzeiler hat die Bank Cler gestern Abend bekanntgegeben, dass CEO Mariateresa Vacalli die Bank verlassen wird – spätestens am 3. Mai 2022. Weitere drei Zeilen in verkleinerter Schrift waren für den ebenso dürren Dank des Verwaltungsrats an die Adresse der scheidenden CEO reserviert.
Gegenseitiger Abschiedsschmerz liest sich anders. Ein Indikator dafür, dass Vacalli und Verwaltungsrat das Heu seit einiger Zeit nicht mehr auf derselben Bühne haben. Der Haussegen dürfte in Schieflage geraten sein, als die Konzernleitung der BKB im Herbst 2021 mit der neuen Strategie für die Bank Cler und die Basler Kantonalbank konservative Ziele gesetzt und innovative Formate kurzerhand aus dem Massnahmenplan gekippt hat, MoneyToday.ch hat berichtet.
Zu den gekippten Formaten gehörte damals die Ideen- und Innovationswerkstatt Keen Innovation. Die von Mariateresa Vacalli vorangetriebenen Bitcoin-, Krypto- und Wallet-Pläne sind ebenfalls gestrichen und beerdigt worden. Keine erfreulichen Perspektiven für eine CEO, die mit der Bank Cler auch die Rolle des digitalen Kompetenzzentrums für den Konzern übernommen hat und deshalb genau das auf ihrer Agenda verfolgt: digitale Innovationen für die Bank Cler und für die Basler Kantonalbank.
Unsere Redaktion hat mit Mariateresa Vacalli nach ihren ersten zweihundert Tagen als CEO der Bank Cler ein Gespräch geführt – die Frage "Was ist die Strategie der Bank Cler?" beantwortete Vacalli mit folgendem Statement:
«Wir sind die digitale Bank mit physischer Präsenz, welche die Bedürfnisse der Kunden versteht und mittels Data Analytics und Innovationen genau die Angebote auf den Markt bringt, welche die Kunden brauchen und wollen»
Stehen neu beim BKB-Konzern konservative und eher bewahrende Ziele im Vordergrund und wird die digitale Innovations-Agenda zusammengestrichen, sind zweieinhalb Jahre an der Spitze der Bank Cler offenbar genug, Vacalli geht. Spätestens in einem Monat.
Goodbye Bank Cler, hello Post
Der etwas überstürzte Abgang hat (auch) mit der Schweizerischen Post zu tun, Vacalli soll bereits im Mai als aktuell nominierte Verwaltungsrätin die italienischsprachige Schweiz im Post-Führungsgremium vertreten. Schnöder Mammon dürfte nicht das Motiv für den Wechsel sein, die Tessinerin verdient bei der Post ungleich weniger als bei der Bank Cler, aber: Vacallis Intentionen und Fähigkeiten dürften bei der Post und auch der Postfinance auf einen deutlich fruchtbareren Boden fallen – die Noch-CEO der Bank Cler weiss, wie digitalisieren geht und wie Innovationen ein Unternehmen voranbringen können.
Ist das Banken-Umfeld für Digital-Expertinnen ein hartes Pflaster?
Im Januar 2022 hat die Grossbank UBS die Plattform- und Digital-Expertin Martha Boeckenfeld an den freien Markt verloren, MonayToday.ch hat berichtet. Nun lässt die Bank Cler Mariateresa Vacalli ziehen. Jeder Abgang hat seine eigene Geschichte und von epidemischen Zuständen kann auch nicht gesprochen werden, nur: kann es sein, dass Banken sich schwer tun damit, digitalen Macherinnen die Räume und Möglichkeiten zu schaffen, die Innovationen überhaupt erst zulassen? Das wäre dann ein Verlust für beide Seiten. Die digitalen Macherinnen brauchen ersteres (ja, geschenkt, die Macher natürlich auch), die Banken letzteres. Wer's nicht zulässt, verschwendet Ressourcen, Möglichkeiten und damit ein Stück Zukunft. Aber, schon klar, die Zukunft kommt ja ohnehin – mit oder ohne digitale Innovationen.