Wer einen Audi, Seat, Škoda oder Volkswagen mit Dieselmotor besitzt und im Zusammenhang mit dem Abgasskandal (Dieselgate) gegen VW klagen möchte, hat ein Problem: die Grössenverhältnisse von Kläger und Konzern sind etwas ungleich. Dieser beunruhigende Unterschied zwischen Kläger und den Beklagten gilt auch für weitere Hersteller, deren Fahrzeuge in den Diesel-Skandal involviert sind – klein sind sie alle nicht.
Was einem frustrierten Dieselfahrer in Prozesslaune den Schneid abkaufen kann, hat das Hamburger LegalTech Iubel zum Geschäftsmodell gemacht. "Sofort-Rechtsschutz für deine Klage im Diesel-Skandal", verspricht Iubel.
Algorithmus prognostiziert die Erfolgschancen
Die beiden Gründer und Plattformbetreiber, die Brüder und Juristen Jan Stemplewski und Niclas Stemplewski, haben einen Algorithmus entwickelt, der prüft, ob für das fragliche Fahrzeug ein Anspruch auf Entschädigung besteht.
Klagewillige Konsumenten erfassen online über die Website die zentralen Daten zu Ihrem Wagen, innerhalb von 24 Stunden kommt der Bescheid, ob Iubel mit dem Fall zu Gericht zieht. Dieser Bescheid wird auch beeinflusst von hunderten Diesel-Fällen und bereits gefallenen Entscheidungen, welche der Algorithmus "kennt" – und mit jedem neuen Fall lernt er dazu.
Liefert der Algorithmus eine positive Antwort, überträgt Iubel den Fall einer der zahlreichen Anwalts-Kanzleien in Deutschland, mit denen das LegalTech zusammenarbeitet.
Das Kostenrisiko liegt beim Anbieter, Provision nur bei Erfolg
Der Clou am "rückwirkenden Sofort-Rechtsschutz ohne Wartezeit im Diesel-Skandal", wie Iubel diesen Service nennt: der klagewillige Konsument trägt kein Kostenrisiko und zahlt (direkt) keinen Cent für seine "Diesel-Skandal-Klage". Das Startup hilft dem Kunden erstmal kostenlos, seinen Anspruch durchzusetzen: Geld zurück für das Auto oder eine Entschädigung für die Wertminderung.
Das LegalTech streckt sämtliche Kosten vor und bekommt nur dann Geld, wenn der Kunde den Kaufpreis seines Wagen zurückerstattet bekommt oder wenn das Gericht ihm eine Entschädigung zuspricht. Iubel erhält nach erfolgreich geschlagener Schlacht eine Erfolgsbeteiligung, die sich an der Entschädigung des Kunden orientiert:
15 Prozent der Entschädigung gehen an das LegalTech, sofern der Kunde seinen Diesel zurückgeben will oder 29 Prozent, falls der Kunde den Diesel behalten möchte und die Entschädigung dann geringer ausfällt.
Bleibt die Klage erfolglos und verliert der Kunde den für ihn geführten Prozess, dann trägt das LegalTech sämtliche Kosten. Konkret also zum Beispiel die Kosten für die beteiligten Anwälte und die Gerichtskosten. Der klagende Kunde bekommst nichts, zahlt aber auch nichts.
Das Konzept "Provision nur bei Erfolg" dürfte weiterhin Schule machen
Der Diesel-Skandal öffnet ein weites Feld, weil sehr viele Betroffene mit demselben Problem zur Gruppe der Kläger gehören können. Leader in diesem Bereich ist das Startup MyRight, das sich mit der Zahl von 55'000 Kunden für seine Dieselklagen schmückt, "ohne auch nur einen rechtskräftig verlorenen Fall".
Der Anspruch von MyRight ist denn auch nach eigenen Aussagen, Kunden schnell und einfach jederzeit zu ihrem Recht zu verhelfen. "So einfach wie Online-Shopping". Die Angebotspalette des seit 2016 aktiven Startups umfasst denn auch Bereiche wie Bussgeld abwehren, Abfindung einfordern oder Schadenersatz-Forderungen bei Auto- und Fahrradunfall. So wie Leader MyRight bewirtschaftet auch Iubel weitere Felder, wie zum Beispiel Arbeitsrecht und Mietrecht.
Was wie im Falle der Diesel-Skandal-Klagen über Algorithmen und digitale Prozesse von LegalTechs mehr und mehr standardisiert wird, dürfte in Form von Prozesslawinen für Gerichte und deren menschliche Ressourcen zunehmend zum Problem werden. Es sei denn, findige LegalTechs beackern auch hier Anwendungsfelder, welche Gerichte und Richter entlasten.
Klappt's, dann können irgendwann Kläger, Beklagte, Anwälte und Richter zuhause bleiben, Algorithmen, Prozesse und Künstliche Intelligenz machen den Job und treten gegeneinander an.