Die PSD2 bewegt Europa und Open Banking schafft neue Spielregeln. Auch in der Schweiz? Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) hat ihre Haltung gefunden, definiert und kürzlich mit einem Positionspapier konkret Stellung bezogen. Unsere Redaktion nimmt aktuell den Puls der Branche – wir haben Experten aus verschiedenen Lagern um ihre Meinung zum Thema gebeten.
Exponenten aus dem Umfeld von Banken, FinTechs, Verbänden, Beratung, Medien und Recht nehmen Stellung. Ihre Statements bringen wir laufend in unserer Serie:
Fokus Schweiz | Meinungen zur PSD2 und zu Open Banking
Fünf Fragen an Sven Goeggel & Roger Disch von EY Schweiz
Welche Auswirkungen hat nach Ihrer Betrachtung die EU-Regulierung PSD2 für die Schweiz?
Auch wenn PSD2 in der Schweiz nicht direkt rechtskräftig ist und Anwendung findet, gehen wir davon aus, dass indirekt wesentliche Auswirkungen bestehen. Der Schweizer Finanzplatz kann sich dem Druck der Entwicklungen im Ausland nicht ganz entziehen. Zudem müssen EU-ansässige Tochtergesellschaften von Schweizer Banken die jeweiligen nationalen Umsetzungsvorschriften beachten und sind daher direkt davon betroffen.
Ob daraus allerdings Regulierungen zu übernehmen sind, ob eine PSD2 mit "Swiss Finish" ausgearbeitet wird oder ob es der Markt schafft, die Öffnung der Banken ohne Regulierung zu bewerkstelligen, wird sich noch zeigen. Gegenwärtig bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schweizer Banken aufgrund ihrer Beteiligung an der Single Euro Payments Area (SEPA) die PSD2 beachten müssten.
Welche Bedeutung messen Sie Open Banking für den Finanzplatz Schweiz zu?
Die Banken sind gerade dabei, sich neu zu erfinden, um mit den schnellen Entwicklungen in der Digitalisierung Schritt zu halten. Open Banking spielt dabei eine zentrale Rolle – und die Schweizer Banken sind hier schon sehr aktiv. Das "Fehlen" der Regulierung ermöglicht den Schweizer Banken noch strategische Entscheide zu treffen, wie sie mit Drittanbietern von Finanzdienstleistungen (FinTechs) umgehen und den Zugang auf (Kunden-) Daten ermöglichen.
Wir glauben, dass Open Banking den notwendigen Rückenwind für die weiteren Entwicklungen für die Vision und die Ziele einer digitalen Schweiz geben wird – sowohl für den Finanzbereich wie auch für die Industrie.
Und was nicht unterschätzt werden darf, ist die grundlegend bessere Erfüllung von Kundenbedürfnissen entlang der gesamten Wertschöpfungskette – und letztlich die Bindung des Kunden an ein Bankinstitut.
Die SBVg bezieht Stellung und lehnt eine PSD2-analoge Regulierung für die Schweiz ab. Welche Signale werden dadurch gesetzt? Ist das ein Vorteil, ein Nachteil oder bleibt eine fehlende PSD2-analoge Regulierung ohne Auswirkungen für die Schweiz?
Die Haltung der SBVg ist nachvollziehbar und sendet das Signal eines reaktiven Vorgehens, was es ermöglicht, von den Erfahrungen aus der EU mit der Implementierung der PSD2 zu profitieren.
Das Positionspapier betont, dass in der Schweiz der Wettbewerb soweit spielt, dass keine regulatorische Umsetzung nötig sei. Diese Aussage würde auch auf die anderen EU-Länder zutreffen, da Banken auch im EU-Raum schon aktiv sind. Die Frage wird nun sein, ob PSD2 die Öffnung der Bankenschnittstellen und damit die Entwicklungen der FinTechs beschleunigt. Ist dies der Fall, wird der Schweizer Finanzplatz beweisen müssen, dass der Markt vergleichbare Ergebnisse mit derselben Geschwindigkeit oder schneller umsetzen kann, um hier konkurrenzfähig zu bleiben.
Wird die PSD2 in ihren Auswirkungen generell überbewertet oder ist es tatsächlich eine umwälzende Neuerung?
Das Thema "Open Banking" ist sowohl in der EU als auch in der Schweiz bereits weit vorangeschritten. Viele Institute arbeiten an der Öffnung der Banksysteme durch Schnittstellen (APIs).
Der Druck auf die Banken wird durch neue Anbieter auch immer grösser. Das heisst, PSD2 greift ein Thema auf, das bereits im Gange ist. Der grosse Vorteil liegt darin, dass PSD2 Standards setzt und somit die Entwicklungen erleichtert, beschleunigt und vereinheitlicht. Im Gegenzug reduziert die Regulierung allerdings auch die individuelle Flexibilität der Banken.
Welche Rolle wird Open Banking in fünf Jahren in Europa im Allgemeinen und in der Schweiz im Besonderen spielen?
Die Märkte werden sich weiter verändern und neue Intermediäre werden die Wertschöpfungsketten zunehmend aufbrechen. Dadurch steigt die Komplexität und die Rechtssicherheit sinkt, was wiederum mehr vertrauensfördernde Massnahmen verlangt (zum Beispiel Attestations).
Ob wir in fünf Jahren überhaupt noch von Open Banking sprechen oder ob Banking auf einem ganz anderen Level stattfinden wird, ist nicht mit Sicherheit vorauszusagen. Die Geschwindigkeit der Entwicklungen in diesem Bereich lassen aber erahnen, dass sich Banking in fünf Jahren fundamental verändern und Open Banking der Standard sein wird.
Was wir nicht gefragt haben, was jedoch Ihrer Meinung nach zum Thema PSD2 oder Open Banking unbedingt gesagt gehört:
Open Banking ist ein Zahnrad im Digitalisierungsmotor. Durch das Öffnen der Schnittstellen und dem Definieren von Standards werden neue Geschäftsformen entstehen, was den fundamentalen Strukturwandel in der Finanzbranche weiter vorantreiben wird. Für die Banken ist die Öffnung der Schnittstellen daher Chance und Gefahr in einem. Einerseits bietet es die Möglichkeit, Kunden den Zugang zu innovativen Angeboten von Drittanbietern zu ermöglichen. Das verbessert das Kundenerlebnis und erhöht somit die Kundenbindung. Gleichzeitig werden aber eben diese Drittanbieter die Banken auch im klassischen Kerngeschäft konkurrenzieren. Im Vordergrund stehen hier derzeit der Zahlungsverkehr, die Anlageberatung und zunehmend auch die Kreditintermediation.