Die PSD2 bewegt Europa und Open Banking schafft neue Spielregeln. Auch in der Schweiz? Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) hat ihre Haltung gefunden, definiert und kürzlich mit einem Positionspapier konkret Stellung bezogen. Unsere Redaktion nimmt aktuell den Puls der Branche – wir haben Experten aus verschiedenen Lagern um ihre Meinung zum Thema gebeten.
Exponenten aus dem Umfeld von Banken, FinTechs, Verbänden, Beratung, Medien und Recht nehmen Stellung. Ihre Statements bringen wir laufend in unserer Serie:
Fokus Schweiz | Meinungen zur PSD2 und zu Open Banking
Fünf Fragen an Dr. Adriano B. Lucatelli von Descartes Finance
Welche Auswirkungen hat nach Ihrer Betrachtung die EU-Regulierung PSD2 für die Schweiz?
Die PSD2 gilt für die Schweiz nicht, doch werden Schweizer Banken die Auswirkungen indirekt spüren – und zwar über ihre SEPA-Mitgliedschaft. Die Frage stellt sich, ob der Schweizer Finanzplatz nicht früher oder später nachziehen muss.
Welche Bedeutung messen Sie Open Banking für den Finanzplatz Schweiz zu?
Wenn der Schweizer Finanzplatz seine führende Rolle beibehalten und der neuen Konkurrenz von Fintechs gewachsen sein möchte, muss er sich dem Open Banking über sichere und robuste Schnittstellen sprichwörtlich "öffnen". Nur so können Schweizer Banken künftige Kundenbedürfnisse befriedigen und von den entstehenden Ökosystemen profitieren.
Die SBVg bezieht Stellung und lehnt eine PSD2-analoge Regulierung für die Schweiz ab. Welche Signale werden dadurch gesetzt?
Man kann durchaus gegen die PSD2-Richtlinie sein. Man hätte aber mit einer PSD2-analogen Regulierung die Unterstützung fürs Open Banking signalisieren können. So erweckt die SBVg den Eindruck, dass sich der Finanzplatz abschotten möchte. Das ist nie eine schlaue Strategie.
Ist das ein Vorteil, ein Nachteil oder bleibt eine fehlende PSD2-analoge Regulierung ohne Auswirkungen für die Schweiz?
Die fehlende PSD2-Regulierung wird keine unmittelbaren Nachteile bringen. Es ist aber eine verpasste Chance, zu zeigen, dass das Swiss Banking die Zukunft im Open Banking sieht. Es besteht also die Gefahr, dass die innovativen Ideen im Ausland statt in der Schweiz umgesetzt werden, und die Schweiz den Zug verpasst.
Wird die PSD2 in ihren Auswirkungen generell überbewertet oder ist es tatsächlich eine umwälzende Neuerung?
Die Auswirkungen der PSD2-Richtlinie sollten nicht überschätzt werden. Mit dem PSD2 ist aber der erste Schritt in Richtung Open Banking gemacht worden.
Welche Rolle wird Open Banking in fünf Jahren in Europa im Allgemeinen und in der Schweiz im Besonderen spielen?
Die Schweiz wird da keine spezielle Rolle spielen. Open Banking kennt keinen "Heimatschutz". Der Markt wird in fünf Jahren vielfältiger und modularisierter sein. Neue Firmen werden sich darauf spezialisiert haben, zusammen mit den etablierten Banken, neue Bankdienstleistungen und -produkte anzubieten. Die Kunden werden zu den Gewinnern gehören.
Was wir nicht gefragt haben, was jedoch Ihrer Meinung nach zum Thema PSD2 oder Open Banking unbedingt gesagt gehört:
PSD2 ist nicht gleich "Open Banking". Und es geht nicht nur um die Schnittstellen bzw. APIs, sondern um die Entwicklung von innovativen und individuellen Dienstleistungen, die neues Ertragspotenzial bieten und das Kundenerlebnis massgeblich verbessern.