Nach einem Bericht des Wall Street Journal ist Facebook offensiv mit grossen US-Banken im Gespräch.
Thema: Facebook möchte mit Banken detaillierte Finanzinformationen austauschen. Der Social Media-Riese möchte die Finanzdaten nutzen, um Usern neue Services anzubieten.
Die Zeitung beruft sich auf Insider-Informationen, demnach sind unter anderen die Banken JPMorgan Chase, Wells Fargo, Citigroup und U.S. Bancorp von Facebook konkret angefragt worden.
Was sagen die Banken?
Dieselben Insider geben an, dass sich die Gespräche eher schwierig gestalten, weil die Banken Bedenken beim Datenschutz in den Vordergrund stellen würden. Gegenüber dem Wall Street Journal versucht Elisabeth Diana, Head of Global Corporate Communications bei Facebook, in diesem Punkt zu beschwichtigen: «Wir verwenden keine Kaufdaten von Banken oder Kreditkartenunternehmen für Anzeigen», sagt Diana.
Die Banken bleiben skeptisch. Die Bedenken zum Thema Datenschutz sind nachvollziehbar, zumal der Datenskandal im Zusammenhang mit Cambridge Analytica erst kurze Zeit zurückliegt und immer noch Nachbeben erzeugt. Datenschutz-Überlegungen dürften jedoch nicht der einzige Grund für die Zurückhaltung sein. Der Gedanke, Kunden- und Finanzdaten an Big Techs auszuliefern, ist neu, gewöhnungsbedürftig und muss auf weitere mögliche Konsequenzen geprüft werden.
Was sagt Facebook?
Die Social Media-Plattform wünscht sich Finanzdaten im Detail von den Banken. Zum Beispiel den Kontostand, um über ein neues Feature im Facebook Messenger eingeloggten Usern jeweils den aktuellen Kontostand anzuzeigen. Aber auch Transaktionen und Kartentransaktionen sollen im Vordergrund stehen, Facebook möchte wissen, wo User einkaufen. Dass mit diesem Wissen Käuferströme neu kanalisiert werden können, liegt auf der Hand.
Facebook möchte den Rahmen der Chat- und Like-Plattform sprengen und erweitern, auf Facebook sollen Menschen zunehmend auch Waren und Dienstleistungen kaufen und verkaufen können.
Elisabeth Diana von Facebook hält sich bedeckt und positioniert die aktuelle Initiative auf einer sehr allgemeinen Ebene: «So wie viele andere Online-Unternehmen sprechen auch wir routinemässig mit Finanzinstituten darüber, wie wir das Einkaufserlebnis der Menschen verbessern können».
Facebook argumentiert mit klaren Mehrwerten für Nutzer und möchte die grossen Banken mit ins Boot holen, um den Ausbau zur Handelsplattform zu forcieren.
Was heisst das für Facebook-Nutzer?
Ohne die Nutzer läuft nichts, weil Banken, auch wenn sie wollten, Kundendaten nur dann ausliefern dürfen, wenn Kunden das ausdrücklich wünschen. Ist diese Bereitschaft tendenziell vorhanden?
In diesem Punkt dürfte mittelfristig die immer schon bestehende Ambivalenz der Facebook-Nutzer und Bankkunden durchschlagen. Jede Studie zeigt, dass Nutzer und Kunden dem Schutz ihrer Daten einen sehr hohen Stellenwert zumessen. Sicher bei Banken, besonders jedoch bei Social Media-Plattformen oder zahlreichen Ökosystem-Angeboten anderer Big Techs.
Nur: Studien und vor allem das gelebte Verhalten von Nutzern und Kunden zeigen ebenfalls, dass der Wunsch nach Datenschutz extrem schnell in den Hintergrund tritt, wenn im Tausch gegen die persönlichen Daten grossartige Leistungen, Komfort und kostenlose Tools zu haben sind.
Plattformen wie Facebook oder Messengers wie Whats App und andere haben ihre gigantische Grösse nur deshalb erreicht und den laufenden Ausbau nur deshalb finanzieren können, weil ein klares und bekanntes Geschäftsmodell im Vordergund steht, das jeden User zur wertvollen Datenquelle macht.
Das Geschäftsmodell des digitalen Tauschhandels
Nutzern liefern grosszügig (oder gedankenlos?) ihre persönlichen Daten und erhalten im Austausch kostenlose Apps, tolle Services und Plattformen, die in ihrem Alltag längst unverzichtbar geworden sind. Mit den laufend erweiterten und riesigen Datenschätzen lässt sich Geld verdienen – ein Prinzip, dem sämtliche Big Techs folgen, Facebook, Google, Amazon, Apple und andere.
Seit einiger Zeit und auch im aktuellen Beispiel stehen Banken im Fokus der Interessen der Big Techs, weil Banken über Daten verfügen, welche Facebook und Co. noch fehlen. Zudem, und das ist der nächste logische Schritt, klassische Finanzinstitute verfügen über Know-how, Infrastruktur und Netzwerke, wenn's um den Bereich Zahlungsverkehr, Abwicklung und Prozesse geht. Mit ein Grund, weshalb Amazon Banken kürzlich hat pitchen lassen. Damit lotet Amazon die Möglichkeiten aus, Nicht-Bank zu bleiben, aber als Bank agieren zu können.
Wie nahe stehen sich Banken und Big Techs?
In absehbarer Zeit möglicherweise sehr viel näher, als es heute den Anschein macht. Die Frage ist nur, wer in Zukunft welche Rolle spielen wird. Kooperation auf Augenhöhe? Oder übernehmen Banken die eher undankbare Rolle des Infrastruktur-Anbieters und Zahlungsabwicklungs-Dienstleisters? Oder sind ganz andere Modelle denkbar?
Wenig überraschend: Der Bericht des Wall Street Journal erwähnt ebenfalls, dass Facebook nicht allein auf weiter Flur steht, auch Amazon und Google wollen die Kundendaten der Banken und sind deshalb ebenfalls in der Bankenszene unterwegs und in Abklärungen.
Was im Moment in den USA im Gespräch ist, wird auch in Europa zum Thema. Innerhalb der EU mit teilweise vorgefertigen Rezepturen, die PSD2 regelt die Möglichkeiten rund um Bankkundendaten und Open Banking.
Sicher ein guter Zeitpunkt für Banken, gemeinsam mit Big Techs auszuloten, welche Modelle beiden Seiten und vor allem ihren Kunden Nutzen bringen können. Eine abwehrende Haltung aus Prinzip dürfte als Strategie auf Dauer nicht funktionieren, weil die Erfahrung zeigt:
Kunden und Nutzer haben sich in der Vergangenheit immer nachgiebig gezeigt und sind sich mit Big Techs sehr schnell einig geworden. Die Bereitschaft, persönliche Daten gegen Komfort, Apps und kostenlose Leistungen zur Verfügung zu stellen, wird weiterhin die Basis für das höchst ertragreiche Geschäftsmodell der Big Techs bleiben.