Die Pandemie leistet der Digitalisierung Vorschub. Schweizer Banken investieren sehr stark in die Digitalisierung und können im europäischen Vergleich gut mithalten. Das ist eine der Erkenntnisse, die das Swiss Finance Institut (SFI) in einer Studie zum Digitalisierungsstatus Schweizer und europäischer Banken gewonnen hat. Laut der Studie schneidet die Schweiz im Bereich Management und Organisation im europäischen Vergleich besser ab, im Bereich Prozesse, Daten und IT liegt sie aber deutlich zurück. Die Organisationsstruktur vieler Institutionen ist immer noch zu starr. Einige Banken sind mit der digitalen Transformation überfordert. Auch in der Schweiz stossen herkömmliche Geschäftsmodelle traditioneller Banken an ihre Grenzen.
Die durch die Pandemie angeschobene digitale Transformation hat im europäischen Finanzsektor nicht die Zugkraft erreicht, die sich Verbraucher gewünscht hätten. Das zeigt eine aktuelle Umfrage von VMware unter mehr als 6'000 europäischen Konsumenten. So sind nur knapp ein Drittel der Befragten (34 Prozent) der Meinung, dass Finanzinstitute heute einen besseren Service bieten als vor der Pandemie. Das spiegelt sich auch darin wider, dass noch immer mehr Befragte (42 Prozent) persönlich in die Filiale gehen würden, anstatt die Angelegenheiten über eine App zu klären (31 Prozent).
Nehmen wir das Beispiel Digital Pay. Schon heute ist das Mobiltelefon für 36 Prozent der Verbraucher wichtiger als die Brieftasche. Bei den zwischen 18- und 24-Jährigen sind es sogar 47 Prozent. Laut der Studie bezeichnen sich drei Viertel der 18- bis 24-Jährigen, also der Generation Z, als "digital neugierig" oder "digitale Entdecker". Sie sind mit der Technologie aufgewachsen und wollen aktiv lernen und ihr Wissen erweitern. Apps werden zur neuen Bankfiliale. Die neue niederländische Bank Bunq will FinTech revolutionieren und bezeichnet sich selbst als "das Schweizer Taschenmesser des Geldes". Sie bedient Markttrends wie Öko-Bewusstsein, stillt das Bedürfnis nach digitalen Socialising-Funktionen sowie nach Funktionen für das Tracking von Finanzen und erlaubt es, Ausgaben zu kategorisieren. Die wohl wichtigste Erkenntnis aber ist, dass fast die Hälfte der Konsumenten zu einem Konkurrenten wechseln würde, wenn das digitale Erlebnis nicht ihren Erwartungen entspricht. Das sollte ein Weckruf für Unternehmen sein.
Ein Grund für diese aktuelle mangelnde Bereitschaft ist nach wie vor der Faktor Sicherheit. Dabei geht es aber nicht um die eigene Gesundheit, sondern um die Sicherheit der eigenen Daten. Dieses Sicherheitsbedürfnis spielt bei den Verbrauchern nach wie vor die grösste Rolle, wenn es darum geht, welchen Finanzdienstleister sie wählen. Das geben 77 Prozent der Befragten an. Allerdings empfinden nur 45 Prozent von ihren Finanzinstituten ein sicheres Gefühl vermittelt zu bekommen, wenn es um die Sicherheit ihrer Daten und Informationen geht. 37 Prozent der Befragten fühlen sich noch immer unwohl dabei, wenn die Banken Zugriff auf Daten ihrer privaten Lebensbereiche haben, wie zum Beispiel Ausgabegewohnheiten, Ernährung oder Reisen. Die Skepsis vor neuer Technologie geht also so weit, dass die Verbraucher eine schlechtere Beratung in Kauf nehmen würden, um ihre privaten Daten zu schützen.
Zum Glück haben die Schweizer Banken schon vor Jahren erkannt, dass digitale Innovationen eine Voraussetzung für die Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz sind. Um den Schweizer Finanzplatz weiterhin an der internationalen Spitze zu halten, müssen die Rahmenbedingungen für technologische Innovationen global erstklassig sein. Digitalisierung ist für die Schweizer Bankiervereinigung ein strategisches Kernthema. Ein gutes Beispiel dafür ist die Bank am Bellevue. Die IT war der entscheidende Erfolgsfaktor, um sich von einer Investmentbank zu einem Private Banking Institut zu entwickeln. Mit der neuen IT-Infrastruktur hat die Bank am Bellevue massiv in das Sicherheitskonzept investiert, kann agiler handeln und damit ihre Marktposition im neuen Geschäftsfeld Private Banking stärken.
Einige Unternehmen anderer Branchen oder Finanzinstitute anderer Länder hingegen haben in den vergangenen zwölf Monaten mit viel Aktionismus versucht aufzuholen, was jahrelang nicht genügend Priorität erfahren hatte. Und trotzdem begeistern viele der digitalen Konzepte die Kunden nicht. Es reicht einfach nicht mehr aus, sporadisch digitale Verbesserungen vorzunehmen oder die Digitalisierung halbherzig anzupacken. Sie muss im Zentrum der Unternehmensstrategie stehen, um Kunden eine echte und umfassende digitale Erfahrung bieten zu können.
Für die Finanzdienstleister war es während der vergangenen Monate enorm wichtig, in punkto Digitalisierung aufzuholen, damit der Betrieb auch unter den besonderen Belastungen durch Covid-19 effizient weiterlaufen konnte. Langfristig werden sicher nur die Organisationen erfolgreich sein, die es schaffen, digitale Konzepte umzusetzen und so dem Kostendruck im Finanzwesen sowie der steigenden Notwendigkeit von Effizienz zu begegnen. 2021 müssen digitale Services so gestaltet werden, dass sie den Erwartungen und dem Sicherheitsbedürfnis der Kunden entsprechen. Für Banken und Versicherungen bedeutet das, erstklassige Apps und Angebote für digital aufgeschlossene Verbraucher zu entwickeln und diese schnell bereitzustellen – natürlich immer unter Berücksichtigung des Datenschutzes.