Mit Xoom bringt PayPal neue und zusätzliche Bewegung in den Milliardenmarkt der internationalen Geldtransfers. Die Freude von Banken und insbesondere von Dienstleistern wie Western Union oder Moneygram sowie FinTechs wie Transferwise dürfte sich in Grenzen halten.
Offenbar will PayPal seine frühere Akquisition zur weiteren Blüte bringen – das Tech-Unternehmen hat Xoom bereits vor vier Jahren für rund 1 Milliarde US-Dollar gekauft.
In 32 europäischen Ländern am Start
Mit dem gestrigen Start von Xoom in Europa will Payal nach eigenen Aussagen "das Bewegen von Geld bequemer, sicherer, leichter zugänglich und erschwinglicher machen".
PayPal rechnet am Beispiel von Deutschland vor und beschreibt den Markt:
Weltweit umfasst der Markt für Heimatüberweisungen (Remittances) schätzungsweise 689 Milliarden US-Dollar, wobei allein aus Deutschland jährlich über 24,6 Milliarden US-Dollar in Heimatländer fliessen. 2017 lebten in Deutschland 19,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, davon rund 9,4 Millionen ohne deutschen Pass. Viele davon unterstützen ihre Familienmitglieder im Ausland finanziell, zum Beispiel beim Begleichen von Arzt- und Stromrechnungen oder Ausgaben für Aus- und Weiterbildung.
Laut den neuesten Zahlen der Weltbank gehen rund ein Fünftel (18,4 Prozent) aller privaten Überweisungen von Deutschland aus nach Polen, Tschechien, Vietnam und China. Diese vier Länder zählen damit zu den wichtigsten Empfängerländern von Überweisungen aus Deutschland. Insgesamt wurden im Jahr 2017 Gelder in Höhe von 4,55 Milliarden US-Dollar dorthin gesendet. Mit Xoom erhalten Familienmitglieder in diesen Ländern das gesendete Geld in der Regel innerhalb weniger Minuten auf ihrem Bankkonto oder können es an einem Partnerstandort abholen.
Dan Schulman, President und CEO von PayPal, dramatisiert den Nutzen der internationalen Geldtransfers über Xoom mit folgenden Worten:
Mit Xoom ist es nun möglich, einfach vom Smartphone aus Geld zu senden, während man in Berlin im Bus sitzt, welches dann innerhalb weniger Minuten in Hanoi abgerufen werden kann, um damit für einen medizinischen Notfall oder die offene Stromrechnung der Familie aufzukommen
Was Xoom macht und wie der Service funktioniert
Bestehende PayPal-Kunden können direkt über ihren Account auf den Service zugreifen. Neue Kunden eröffnen ein Konto über die App für iOS und Android oder auf der Website von Xoom.
Der Service ermöglicht Geldtransfers bis zu einer Höhe von 10'000 Euro pro Transaktion in aktuell über 130 Länder. Neben den Debit- und Kreditkartenoptionen können PayPal-Kunden auch ihre Bankkonten für die Überweisung von Geldbeträgen verwenden.
Je nach Empfängerland stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, wie das Geld beim Empfänger ankommt: Geld auf ein Bankkonto überweisen, Bargeld zur Abholung senden oder Bargeld direkt zum Empfänger nach Hause schicken.
Die initiierten Geldtransfers lassen sich über SMS- und E-Mail-Benachrichtigungen oder auch direkt über die mobile App sowie über die Website jederzeit verfolgen. Wenn's Fragen gibt, wird der Kunde verstanden – PayPal hat den Xoom Kundenservice auf inzwischen sieben Sprachen ausgebaut.
Und die Gebühren?
Auf der Website oder in der App wird die effektive Gebühr pro Transaktion immer angezeigt, ebenso der finale Betrag, der beim Empfänger ankommt. Das ist man sich auch von anderen Dienstleistern gewohnt, die internationale Geldtransfers anbieten.
Wie die Gebühren im Vergleich zur bestehenden Konkurrenz liegen, lässt sich global nicht festmachen, allerdings pro Transaktion vergleichen. Unsere Testklicks mit verschiedenen Beträgen in verschiedene Länder haben Ergebnisse gebracht, die gefühlt günstig daherkommen – Unterschiede gibt's jedoch bei der Zahlung mit Bankkonto, Debitkarte oder Kreditkarte. Zudem berechnet Xoom eine zusätzliche Wechselkursgebühr, die nicht direkt ausgewiesen wird. Und da bleiben Überraschungen möglich.
Vergleichsportale schaffen Transparenz
Für glasklare Transparenz sorgen hier Dienstleister wie Monito, welche als Preisvergleichsportale für internationale Geldtransfers operieren. Bei Monito werden, neben den ausgewiesenen Gebühren, auch die Unterschiede und Margen beim Wechselkurs angezeigt – und die sind beträchtlich, um nicht zu sagen: nicht mehr erklärbar.
Diesen Service nutzen inzwischen rund 2 Millionen User, welche sich über die Gebühren zwischen CHF 4.99 (Transferwise) und CHF 54.75 (Migros Bank) Gedanken machen, die zum Beispiel für eine Überweisung von CHF 500.00 in die Türkei fällig werden. Die Testabfrage haben wir am 16. Juli 2019 abends durchgeführt, die Preise variieren laufend.
Was bei PayPal auffällt
Das Tech-Unternehmen rüstet seit einiger Zeit schon auf, verstärkt seine Position in angestammten Bereichen oder betritt mit Finanzdienstleistungen auch neues Terrain. Die jüngsten "Auffälligkeiten" waren im November 2018 die Institutionalisierung des Angebots der Businesskredite für Onlinehändler, im April 2019 dann die Erweiterung des Kreditrahmen bis zu 100'000 Euro. Aktuell forciert PayPal über Xoom den Service der internationalen Geldtransfers. Zudem ist PayPal Mitglied der Libra Association, im Bereich Zahlungsdienstleistungen zusammen mit Mastercard, PayU, Stripe und Visa.
Damit ist das Ende der Fahnenstange mit Sicherheit noch nicht erreicht. Es macht den Anschein, als würde PayPal in verschiedenen Bereichen, für Konsumenten und für Geschäftskunden, mit starken Angeboten Köder auslegen, um Märkte und Zielgruppen zu testen. Was ankommt und funktioniert wird perfektioniert und auf weitere Märkte ausgedehnt.
So oder so gehört PayPal mit zu den Tech-Grössen, die in Zukunft wahrscheinlich verstärkt in den Kernmärkten von Banken, FinTechs (PayPal ist selbst eines) und anderen Finanzdienstleistern (das war PayPal immer schon) spürbarer werden und zusätzliche Marktanteile gewinnen wollen.
PayPal ist nur eines von mehreren Tech-Unternehmen, die aktuell ihre Werkzeuge schärfen. In den nächsten Monaten ist aus verschiedenen Ecken viel frischer Wind zu erwarten, der neue Bewegung in die Finanzbranche bringt.