Neo-Banken sind heute sichtbarer als noch vor ein, zwei Jahren. Deshalb spielen die FinTechs und Challenger-Banken auch in der Berichterstattung von Medien eine zunehmend grössere Rolle.
Was für Fachmedien immer schon auf der Agenda stand, ist seit einiger Zeit auch für breitstreuende Publikumsmedien Teil des ständigen Redaktionsprogramms geworden. Ein Blick in die Online- und Print-Spalten von Tages-Anzeiger, 20 Minuten, Blick, Handelszeitung oder auch FAZ, Handelsblatt, Süddeutsche und Hunderten von anderen Medien zeigen das Gewicht, das dem Thema inzwischen redaktionell eingeräumt wird.
Die Bevölkerung sitzt mit im Boot
Dadurch rücken die Angebote von Neo-Banken auch für weniger technologieaffine Bevölkerungskreise in den Vordergrund. Das schafft ein neues Bewusstsein und verändert zudem die bisher gewohnten Kräfteverhältnisse der verschiedenen Marktteilnehmer.
Ein Grossteil der Konsumenten interessiert sich nicht für Technologie – für Komfort, Einfachheit, geniale Features und Gebühren im Zusammenhang mit Banking aber schon. Deshalb geht's um nichts weniger als darum, das Banking der Zukunft gemeinsam neu zu gestalten.
Bankkunden werden zu Juroren
Der Begriff "gemeinsam" ist nicht zufällig gesetzt. Konsumenten und Bankkunden bleiben nicht länger passive Teilnehmer dieser Entwicklung, sie alle sitzen in der Jury. Wie genau das Banking der Zukunft aussehen wird, entscheiden in letzter Konsequenz weder die Neo-Banken noch die traditionellen Finanzinstitute, das bestimmen allein Nutzer und Kunden.
Die Entscheidung der Kunden erfolgt in Schritten und wirkt sich erst mittel- und längerfristig aus: durch die breite Nutzung bestimmter Angebote, Apps und Leistungen oder indem durchgefallenen Lösungen die kalte Schulter gezeigt wird.
Entwickler und Anbieter aus allen Lagern stehen im Pitch und machen Angebote. Welche Modelle, Angebote und Funktionen Chancen haben, zu geforderten Standards zu werden und damit das Banking der Zukunft zu definieren, wird sich erst später zeigen. Deshalb ist die aktuelle Phase sehr spannend. Alle Anbieter, traditionelle Banken, Neo-Banken und andere Finanzdiensteister, stellen bereits heute die Weichen für ihre eigene Zukunft und für ihre Position im neuen Banking.
Neo-Banken stehen aktuell verstärkt im Fokus der Medien
Einerseits kommt die erhöhte Aufmerksamkeit daher, weil Challenger-Banken mit neuen Angeboten, neuen Funktionen und teilweise mit Gebühren-Modellen überraschen, die gegen Null tendieren. Das mediale Interesse hängt jedoch auch mit "Nebengeräuschen" zusammen, welche die neuen Banken im Aufbau produzieren. Ein kurzer Überblick der aktuellen "Nebengeräusche", beschränkt auf die Challenger-Banken, welche in der Schweiz und im deutschsprachigen Europa eine Rolle spielen.
Neon
Die App von Neon ist erst vor wenigen Tagen offiziell gestartet, deshalb gibt's zurzeit noch keine akuten Nebengeräusche. Zu reden gegeben hat in der Startphase die forsche Kampagne mit dem gezeigten Stinkefinger. Kampagne und konkrete Leistungen von Neon waren Blick, 20 Minuten, Tages-Anzeiger und zahlreichen weiteren Medien gleich mehrere Geschichten wert – oftmals im Kontext von anderen Neo-Banken und Leistungsvergleichen mit Revolut, N26 oder Yapeal.
N26
Die Smartphone-Bank N26 wächst explosiv in ganz Europa, wird demnächst in der Schweiz starten, hat auch die USA im Visier, ist in kurzer Zeit zum Unicorn geworden und hat in den letzten Tagen mit dem Nebengeräusch von mangelhaftem Kundenservice und Support gekämpft.
Fokus: Kundenservice und Erreichbarkeit
Kurz gesagt war es einem Kunden, dessen N26-Konto durch Betrüger um 80'000 Euro erleichtert worden ist, nicht möglich, mit einem Menschen im Kundenservice persönlich zu sprechen. Die Idee von N26, Supportanfragen ausschliesslich über Chat zu organisieren, stösst dann an seine Grenzen, wenn's wirklich brennt.
N26, dauerpräsent in zahlreichen Medien mit eher positiver Berichterstattung, war dann für einmal mit dem unrühmlichen Beispiel in den Schlagzeigen.
Co-Gründer Valentin Stalf hat sich der Kritik gestellt und in mehreren Interviews nicht nur Fehler eingestanden, sondern auch konkret aufgezeigt, wie die Lücke im Support optimiert werden soll. Deshalb ist dieses Nebengeräusch aktuell fast nicht mehr hörbar und bereits nahezu vom Tisch.
Revolut
Die britische Challenger-Bank Revolut gehört ebenfalls zu den schnell wachsenden Neo-Banken, ist in ganz Europa präsent, will in die USA expandieren, hat Unicorn-Level, besticht durch ein Null-Gebühren-Modell und ausgebaute Leistungen, hat in der Schweiz bereits über 50'000 Kunden und ist in den letzten Monaten gleich durch mehrere Nebengeräusche aufgefallen.
Fokus: Fragwürdige Methoden bei der Personal-Rekrutierung
Eine ziemlich schräge Nummer bei der Anwerbung von neuen Mitarbeitern (Oktober 2018), wir haben berichtet, scheint inzwischen durch Gegenmassnahmen gelöst und vom Tisch.
Fokus: Toxic Culture im Unternehmen
Aktuelle Berichte, dass Revolut seine Crew mit knallharten Methoden ausbeuten würde und deshalb mit einer hohen Fluktuation zu kämpfen hätte, sind aktuell noch hörbar, werden jedoch durch Co-Gründer und CEO Nikolay Storonsky pariert, der sich den Vorwürfen der "Toxic Culture" bei Revolut persönlich stellt.
Fokus: Lascher Umgang mit Compliance
Zahlreiche Medien haben in den vergangenen Wochen berichtet, dass Revolut bestehende regulatorische Vorschriften nicht korrekt einhalten würde, was die britische Finanzaufsicht FCA hätte aktiv werden lassen. Was an den Vorwürfen dran ist, wird sich zeigen. Nikolay Storonsky bezieht auch hier Stellung zum Thema und liefert seine Sicht der Dinge.
Fokus: Banklizenz in Gefahr
Das jüngste Nebengeräusch kommt von Baltic News Network und erzählt die Geschichte, wie Revolut zur litauischen Banklizenz gekommen sei, wer dabei eine Rolle gespielt habe, dass sinngemäss nicht alles mit rechten Dingen zugegangen wäre und überhaupt Zweifel an Revolut bestehen würden.
Die Geschichte liest sich etwas wirr, weil offensichtlich auch politische Querelen, Fehden und Antipathien zwischen dem Parlamentarier Stasys Janeliūnas, dem CEO der litauischen Zentralbank Vitas Vasiliauskas sowie Premierminister Saulius Skvernelis eine Rolle zu spielen scheinen.
Ob und wie viel Fleisch an diesem Gezänke- und Gerüchteknochen bleibt, wird sich zeigen, das kann im Moment von aussen nicht nüchtern und sachlich beurteilt werden.
Yapeal
Die neuste Challenger-Bank, Yapeal, geht mit ihren Alphas (nicht öffentliche Gruppe) noch vor den Sommerferien 2019 in die Beta-Phase und startet im Frühherbst 2019 mit der ersten Version ihrer App im Markt. Als Digitalbank in Entwicklung macht Yapeal wohl hörbare Geräusche, aktuell jedoch noch keine Nebengeräusche.
Über ein bemerkenswertes Geräusch der Yapeal-Entwickler haben wir letzte Woche exklusiv berichtet:
In diesem Zusammenhang und weil das digitale Onboarding zu den zentral wichtigen Prozessen gehört, ein spannender und aktueller Erfahrungsbericht von der NZZ. Olga Scheer hat das digitale Onboarding von N26 und von Revolut getestet, vergibt einmal eher gute Noten, sagt ein weiteres Mal "Die Identitätsüberprüfung per Video-Call ist ein Graus" und wer's im Detail wissen möchte, kann hier nachlesen:
Eine pointierte Meinung und persönliche Betrachtung zum Schluss
Im Gespräch mit Lukas Hässig von Inside Paradeplatz vertritt Hans Geiger die Meinung, dass "Neon und Konsorten ein Kasperlitheater aufführen" und dass Neo-Banken allesamt wieder verschwinden würden, weil kein Mensch eine Bank auf dem Smartphone braucht. Ob der Bankenprofessor mit seiner Meinung richtig oder falsch liegt, wird die Zukunft zeigen. Gut möglich jedoch, dass Kunden in Anbetracht der schnell wachsenden Marktanteile von Neo-Banken bei Neukonto-Eröffnungen die Rolle des Kasperli von sich aus neu besetzen werden.