Ein Rückblick auf die Swiss Digital Finance Conference 2020 – Notizen von Rishi Chattopadhyay zu Speakern, Themen und pointierten Betrachtungen.
An der Hochschule Luzern – Informatik in Rotkreuz trafen sich am 1. Oktober 2020 ausgewiesene Experten und Gäste zu einem Austausch über die Digitale Transformation in der Finanzindustrie. Im Mittelpunkt standen Möglichkeiten und Gefahren zu den neuen Technologien und Entwicklungen in der Schweiz in Richtung Open Banking, Ökosysteme und dezentrale Finanzlösungen.
Georges Grivas über die aktuellen Trends
Prof. Dr. Georges Grivas ging in der Begrüssung auf die aktuellen Trends ein, welche dieses Jahr natürlich durch COVID-10 geprägt sind. Dadurch haben sich Unsicherheiten und Armut weltweit akzentuiert. Asien entwickelt sich zum Hub für technologiegetriebene Innovation. Beliebt sind zunehmend plattformbasierte Ökosysteme, digitale Zahlungslösungen und Peer-to-Peer-Anbieter sowie auch Kryptowährungen, digitale Vermögenswerte und preiswerte Handels-Plattformen. Im gleichen Zuge lässt sich aufgrund der aktuellen Situation ein Re- und Upskilling der Beschäftigten auf dem Arbeitsmarkt feststellen. Georges Grivas plädiert für mehr Risikokapital in der Schweiz, wenn FinTech-Innovationen hier relevant bleiben sollen.
Spiros Margaris über Küchen, neue Rezepte, Tempo und Kurventechnik
Als "Donald Trump der FinTech-Twitterer" kündigt Oscar Neira, Moderator der diesjährigen Konferenz, den weltweit bekannten FinTech-Experten Spiros Margaris und seine Keynote an. Margaris referierte in eindrücklicher Art und Weise über die Chancen und Risiken von Big Data und Künstlicher Intelligenz (KI), unter anderem am Beispiel von Domino’s Pizza. Er meint, dass FinTech wie Kochen wäre: "Trotz gleichen Zutaten wie Salz und Pfeffer kocht jeder was anderes".
Unternehmen schützen jetzt, was sie schützen können, aber: "Wenn sie heute nicht in Technologien wie KI investieren, werden sie künftig verlieren". Gleichzeitig ist es wichtig, so Margaris, die Leute nicht zurückzulassen und in die Küche einzubinden. Die Schweizer Bescheidenheit könnte allerdings eine Bürde sein, um in Zukunft erfolgreich zu bleiben, denn es geht uns zu gut, um etwas am Menü zu ändern. Spiros Margaris fasst zusammen:
Wenn du nicht aus der Kurve fliegst, fährst du wahrscheinlich zu langsam
Markus Hartmann über dezentrale Finanzlösungen und die Nähe zu Lego
Markus Hartmann, Head Tokenization Sygnum, zeigte die Möglichkeiten von dezentralen Finanzlösungen und Verbriefung von Vermögenswerten auf. Er erklärt, "was wir machen, ist nicht anders als Lego spielen", zum Beispiel um Liquidität zu poolen, damit ein Handel stattfinden kann. Hartmann präsentiert, wie sich die klassische mit der neuen Finanzwelt von morgen vereinen lässt. Um hier erfolgreich mitmachen zu können, sollte man auch eine sorgfältige Due Diligence vornehmen, denn: "In der dezentralen Welt ist man nur so stark wie das schwächste Glied".
Ralph Hutter und Sven Biellmann über Open Banking und die Absenz der Rebellen
Pointiert stellen Ralph Hutter und Sven Biellmann (Product Management Ecosystem bei Finnova) ihre Sicht zu Open Banking und Plattformen in der Schweiz vor:
Mit Open Banking neue Wege zu gehen, ist wie Musik mit einem neuen Orchester zu spielen – es braucht Zeit, bis man sich abgestimmt hat und sich dem Publikum präsentieren kann
Es braucht neben rechtlichen Rahmenbedingungen zum Austausch von Finanzdaten zwischen den Parteien auch einen neuen gemeinsamen Schnittstellen-Standard, um Plattformen bereitzustellen, welche im Markt bestehen können. Ausserdem benötigen Finanzinstitute einen Paradigmenwechsel und Überlegungen, wo sie sich mit ihren Leistungen künftig beim Kunden einbringen wollen. Hutter und Biellmann meinen, dass Ökosysteme, in denen die Finanzorganisation den Orchestrator spielt, meist nicht gelingen und sie fragen sich, wo hier die Rebellen bleiben.
Urs Bernegger mit der Antwort auf "Spaghetti-Salat von Legacy Systemen"
Urs Bernegger, Head Trading & Credit Platform SEBA Bank, präsentierte seinen Ansatz der Neuorientierung der Finanzindustrie mit ihren Chancen und Herausforderungen. Die fragmentierten internationalen Regelungen und mangelhafte Infrastruktur in einem relativ kleinen Markt verlangen nach einer Lösung, die Vertrauen schafft und eine lizenzierte Organisation voraussetzt. Während traditionelle Banken einen "Spaghetti-Salat von Legacy Systemen" zu bewältigen haben, liegt der Vorteil von Neo-Banken darin, dass sie gleich von der grünen Wiese starten können. Damit sind dank der DLT (Distributed Ledger Technology) reibungslose, effiziente und neue Prozesse möglich, welche dem Kunden zusätzliche Optionen eröffnen.
Dominik Wurzer über Daten, Konversionen und zufriedene Kunden
Aus der Sicht von Dominik Wurzer, CEO Contovista, liegen die Chancen des ganzheitlichen Verstehens des Endkunden bei Realtime-Daten (Echtzeitdaten im Ökosystem), Personalisierung und Multibanking Angeboten. Er zeigt auf, wie sein Unternehmen mittels Maschine Learning und Partnerunternehmen neue Vertriebsangebote kreiert, welche dann zu höheren Konversionen und Zufriedenheit zwischen dem Kunden und dem Finanzpartner führen. Diese Chancen werden durch die aktuellen Trends in Data Analytics, Big Data und in gesellschaftlichen Veränderungen vorangetrieben.
Urs Bolt über Smart Economy und eine Ladehemmung in der Schweiz
Urs Bolt (Product Manager Digital Banking ti&m) nimmt die Teilnehmer mit auf eine Reise durch die FinTech-Ökosystemwelt in Südostasien. Dort haben im Alltag der Nutzer plattformgetriebene Businessmodelle bereits Einzug gehalten. Die Smart Economy (digitale Vermögenswerte, Identität und Automation) mit neuen Technologien hat diese Entwicklung ermöglicht. Obwohl in der Schweiz Institutionen und Talente vorhanden sind, so Bolt, tut sich das Land schwer mit der Smart Economy-Umsetzung.
Die Podiumsdiskussion zu Banken und zu Ökosystemen
Bei der anschliessender Podiumsdiskussion zum Thema "Banken vs. Ökosysteme – Chancen oder Gefahr für Schweizer Banken?" wurden die jüngsten Entwicklungen in diesem Gebiet engagiert diskutiert. Mit der Feststellung, dass die Öffnung der Banken auch einen Kulturwandel in den Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen bedingt, um digitale Ökosysteme und dezentrale Finanzlösungen mit Partnern aus dem In- und Ausland zuzulassen. Während einerseits gemeinsame Plattformen bzw. Zusammenarbeit zur operativen Kosteneffizienz führen, kann andererseits Interoperabilität die Kundenzufriedenheit und Kundenbindung steigern. Je nach Finanzinstitut bestehen hier jedoch verschiedene Anforderungen und Bedürfnisse.
Fazit mit einem letzten Blick in die Zutaten-Küche
Wie beim Kochen kommt es bei der Digitalen Transformation auf die richtigen Zutaten an, um überzeugende Ergebnisse zu erreichen. Je offener und früher die Unternehmen sich mit neuen Technologien und Schnittstellen auseinandersetzen, desto erfolgreicher können sie sich im Markt behaupten und dem Kunden ein attraktives Menü liefern.