Swiss Digital Finance Conference 2022

Web3 – zwischen Hype und Realität

Prof. Dr. Georges Grivas, Studien- und Projektleiter an der Hochschule Luzern – Informatik,
Prof. Dr. Georges Grivas, HSLU | Bild: Fabian Lehner

Welche Trends prägen und verändern die Finanzindustrie? Fabian Lehner war für unsere Redaktion an der DFC22 dabei – seine Notizen in der Zusammenfassung.

Die Swiss Digital Finance Conference feiert dieses Jahr bereits ihr zehnjähriges Jubiläum – unter dem Motto: "The New Way: Decentralized Finance". Oscar Neira eröffnet in gewohnt routinierter Manier die Konferenz und führte als Moderator durch den Nachmittag.

An der Swiss Digital Finance Conference trifft die klassische Finanzwelt auf ihre Herausforderer aus dem digitalen Zeitalter und verschafft dem Publikum einen Überblick über neueste Technologie-Trends und wie diese den Finanzsektor beeinflussen. Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen die digitalen Möglichkeiten und Werkzeuge der nächsten Generation besser kennen und begegnen sich auf Augenhöhe.

Traditionsgemäss präsentiert Prof. Dr. Georges Grivas, Studien- und Projektleiter an der Hochschule Luzern – Informatik, eine vorausschauende Übersicht von identifizierten Trends im Finanzbereich und deren Relevanz für den Schweizer Finanzplatz. Zur Feier dieses Jubiläums wurde mit Crypto Finance & Metaverse ein spezielles Thema ausgewählt. Weitere Trends sind Artificial Intelligence (AI), Data Analytics & Robo Advisory.

Nach Grivas ist kein anderer Sektor so datengetrieben wie der Finanzbereich. Aus Daten lassen sich Unmengen an Informationen gewinnen, welche dann in Services umgewandelt werden können. Deshalb sieht er den Trend auch in Richtung hybrider Beratungsmodelle und End-to-End Customer Journeys. Auch im Bereich von Legal haben Daten eine sehr hohe Relevanz.  

Den Blick auf neue Horizonte richten, Technologie-Trends verstehen und damit die Orientierung in der digitalen Transformation finden

Open Finance bleibt weiterhin einer der Schlüsseltrends und entwickelt sich zur Norm. Neben dem Nutzen für die Kundschaft begünstigt Open Finance auch Unternehmen wie zum Beispiel FinTechs oder sogar etablierte Finanzinstitute.

Im Bereich von Embedded Finance & Digital Ecosystems geht der Trend der Kooperationen zwischen FinTechs und Banken weiter und Plattformen übernehmen teilweise bereits die Rolle der Banken. Der Datenschutz bleibt jedoch weiterhin ein zentraler Faktor sowie auch ein Hindernis vor allem in Europa. Führende Beispiele in China zeigen, dass der Grad der Regulation einen grossen Einfluss auf die Entwicklung von Plattformen hat.

Wo steht das Metaverse?

Die diesjährige Keynote wurde von Dr. Günther Dobrauz, Partner bei PwC Schweiz gehalten. Das Metaverse ist noch ganz am Anfang und das "richtige" Metaverse besteht noch nicht. Es wird jedoch eine Erweiterung unseres heutigen Lebens sein, ist sich Dobrauz sicher. Eine Umfrage im Publikum bestätigt, dass wir heute noch viele unterschiedliche Definitionen vom Metaverse haben. Die genaue und richtige gibt es heute noch nicht, denn Metaverse wird das werden, was wir uns heute noch nicht vorstellen können.

Eine weitere Umfrage zeigt, dass nur ein kleiner Teil der Anwesenden bereits im Metaverse unterwegs ist. Für den Durchbruch zur Massenadaption reicht es heute noch nicht. Gemäss Dobrauz braucht es dafür das Dominant Design. Die Schweiz hat in diesem Bereich noch Aufholpotenzial und spielt heute (noch) nicht vorne mit. Interessant ist auch die Aussage, dass die Disruption nicht von Meta, Google & Co. kommen wird, sondern eher von neuen Playern, welche heute noch nicht als solche identifiziert wurden oder wahrgenommen werden.

Wir haben es noch immer in der Hand, wie wir das Metaverse von morgen gestalten möchten

Auch wenn einige Firmen am Metaverse arbeiten, wie zum Beispiel Sandbox, Decentraland oder Roblox, haben wir es mit Open-Source-Ansätzen immer noch in der Hand, wirklich dezentral zu werden. Heute ist noch kein Modell eines Metaverse bekannt, das komplett dezentral läuft. Werden 25 Prozent der Menschen im Jahr 2026 gemäss einer Studie von Gartner mindestens eine Stunde täglich im Metaverse verbringen? Und eine Frage, die sich Finanzinstitute stellen müssen ist: «Wie können sie die junge Generation für sich gewinnen?»

Eine Finanzwelt ohne Intermediäre

Vom Business Engineering Institute St. Gallen wurde Roger Heines auf der Bühne begrüsst. Mit der Analogie, dass beim Monopoli jeweils derjenige gewinnt, der die Bank spielt, leitete er elegant das Thema von Decentralized Finance (DeFi) ein. Wir haben heute neue Möglichkeiten, um ohne Intermediäre Bankgeschäfte tätigen zu können. Das führt zu Effizienzsteigerungen und schafft auch die Basis, um neue innovative Dienstleistungen zu kreieren.

Banken haben somit die Möglichkeit, sich entsprechend zu positionieren. Der Fokus der Präsentation ist die Asset Tokenisierung. Nicht nur von bankable- sondern vor allem von non-bankable Assets, weil diese in der Regel nicht die nötige Liquidität aufweisen. Die Kombination mit DeFi ermöglicht zudem den Austausch dieser Assets Peer-to-Peer und somit komplett ohne Finanzintermediäre.

Wie können Finanzinstitute neue Opportunitäten schaffen?

1. Ausweitung des bestehenden Angebots durch Zugang zu Digital Assets

2. Partizipation an DeFi-Geschäftsmodellen für neue Renditemöglichkeiten

NFTs und Regulierung

Gemäss Dr. Katharina Lasota Heller, Founding Partner von LEXcellence, diskutiert die Schweiz mit ihren 26 Kantonen seit über zehn Jahren über die digitale Patientenakte. Dies erklärt, weshalb es im Bereich von Non-Fungible Tokens (NFTs) heute in der Schweiz noch keine Regulation gibt.

Es werden wohl weitere Jahre benötigt, bis wir hier Klarheit haben. Verschiedene Beispiele wie Beeples Everydays, Sotheby’s CryptoPunks, die digitalisierten Körperteile der Sängerin Doda oder der tokenisierte Picasso "Fillette au béret" illustrieren den Hype um NFTs. Das Risiko dabei ist und bleibt die zentrale Frage, ob es sich bei NFTs um Effekten handelt oder nicht. Das hat zur Folge, dass jeder Fall einzeln geprüft und beurteilt werden muss, um so die regulatorischen Auswirkungen abschätzen zu können.

Wenn es aussieht wie eine Ente, schwimmt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, ist wahrscheinlich eine Ente

«Die Gewinner der Digitalisierung sind die Crypto First Mover»

Von analog zu digital. Mit Beispielen von Informationen wie zum Beispiel Datum, Name und Ort zeigt uns Paul Otto, CEO von F5 Crypto, welche dieser Informationen wir benötigen, um unsere Welt zu organisieren. Bei der Digitalisierung passiert nichts anderes, als dass Informationen digitalisiert werden. In Kombination mit der Blockchain jedoch werden die Informationen für alle frei zugänglich, einsehbar und überprüfbar.

Ein grosser Vorteil der Blockchain ist, dass sie Informationen eindeutig verifizieren kann. Otto ist überzeugt davon, dass Finanzinstitute weiterhin auf die Blockchain setzen werden. Verlieren werden Papierhersteller, Dokumentenfälscher, Beglaubiger sowie staatliche Währungen.

«Wir brauchen ausserhalb des Systems eine Sicherheit gegen das Systemrisiko»

Menschen sind nicht logisch. Menschen sind irrational und deshalb entstehen Blasen. Mit diesen Statements eröffnet Mike Lüscher, Gründer von Honesto, seine Präsentation zum Thema Wirtschaftsblasen.

Seit Jahren werden zwei Massenphänomene an den Märkten beobachtet: Gier und Angst. Durch die neue Technologie lassen sich diese Fantasien unendlich skalieren. Lüscher sieht Parallelen zu früheren Blasen und glaubt, es sei nur eine Frage der Zeit, bis die aktuelle Blase der horrenden Staatsverschuldung platzen wird, bei welcher Schulden mit weiteren Schulden immer weiter vertagt werden.

Zum Schutz eines solchen Szenarios sieht Lüscher die Lösung bei Bitcoin, jedoch immer in Relation zum Gesamtvermögen und mit einer entsprechenden Diversifikation.

Warum Vertrauen und Customer Experience im Zentrum stehen

Das Finnova-Bloclchain-Team sagt:

«We believe, that the openness and transparency of the blockchain will shape the future of financial services. Customer experience and trust will become the ultimate battleground for banks to be at the forefront. Trust is still the key.»

Dr. Ante Plazibat, Head Emerging Business & PM Blockchain bei Finnova, ist überzeugt, dass Vertrauen und eine gute Customer Experience der Schlüssel zum Erfolg ist.

Während Wertschöpfungsketten weiter aufgebrochen werden und einzelne Services zu Commodities werden, müssen wir weiterhin an den Endkunden denken. Es bestehenden viele Services wie zum Beispiel unterschiedliche Digital Wallets, was für die Endkunden zu einem grossen administrativen Aufwand führt. Wie bereits unterschiedliche Anwendungen zeigen, werden die Banken auch im Zahlungsverkehr herausgefordert – und, so wie auch die Telekommunikations-Branche im Bereich der SMS, das Zahlungsverkehrs-Geschäft sehr wahrscheinlich verlieren.

Deshalb ist es wichtig, dass die Prozesse der Banken Buttom-up End-to-End ready sind. Stichworte dazu sind gute Customer Experience und obendrauf entsprechende Lösungen anbieten. Studien bestätigen, dass über 80 Prozent der Kunden die Verwahrung ihrer Assets aufgrund des Vertrauens ihrer Hausbank übergeben. Mit einer Live-Demo präsentierte Plazibat den "Automated Crypto Lifecycle", den Finnova selbst entwickelt hat.

Podiumsdiskussion:
Decentralized Finance (DeFi) in Metaverse – A new Fintech Revolution?

Der Event wurde abgerundet durch eine Podiumsdiskussion, moderiert von Dr. Martha Boeckenfeld, Metaverse Academy. Mit den Experten Dr. Sina Wulfmeyer (Unique), Dr. Ante Plazibat (Finnova), Leo Hilse (StyleXchange & Style Protocol) und Simon Olsen (SwissChain) beleuchtete Boeckenfeld Themen wie die Gaming Industrie und ihre drei Milliarden Gamer sowie das Metaverse, das definitiv kommen wird.

Beim Metaverse geht es nicht nur um Investitionen, sondern ebenfalls und vor allem um die Experience. Banken haben damit die Chance, anders an ihre bestehenden sowie neuen Kunden heranzutreten. Auch in dieser Diskussion wird bestätigt, dass Banken das notwendige Vertrauen in die neue Web3-Welt bringen werden – und dass Nutzer ihr Vermögen und ihre Identität lieber ihrer Hausbank anvertrauen.

Trotzdem bewegen sich die Banken mit einem unendlich langsamen und zögerlichen Tempo und sind sehr unentschlossen. Solange die Banken noch genug Geld mit ihrem traditionellen Business verdienen, passiert nichts. Der mutige Schritt einer Bank steht noch aus.

Mit den heute rund 160 Metaversen ist es noch nicht abschätzbar, wohin die Reise gehen wird. Man ist jedoch der Meinung, dass es unterschiedliche Cluster geben wird.

Der Autor: Fabian Lehner

Fabian Lehner hat über 17 Jahre Erfah­rung im Finanz­bereich. Seinen Master in Private Banking & Wealth Mana­gement an der Uni­ver­sität Luzern schloss er mit der Thesis über Private Equity (PE) und Venture Capital (VC) ab. Im Rahmen der Arbeit lernte er namhafte PE/VC-Unter­nehmen kennen und beschäf­tigte sich mit Startups und Inno­va­tionen im Finanz­sektor.

Durch seine beruf­liche Tätig­keit, sein Studium und seine aktive persön­liche Ausein­ander­setzung mit der Digi­tali­sierung ist er nicht nur bestens über die aktuellen Entwick­lungen in der Banken­branche informiert, sondern durch seine beratende Tätig­keit für FinTechs auch persön­lich an der Entwick­lung zukünf­tiger Trends und Inno­va­tionen beteiligt.

Bei Swisspeers ist Fabian Lehner als Head Business Development & Investor Relations neben der Pflege der Inves­toren auch aktiv daran, das Angebot weiter auszu­bauen.