Die nächsten Monate und Jahre werden für Banken in der Schweiz zum Prüfstein und zur Frage, mit welchen Konzepten und Geschäftsmodellen Kundensegmente überzeugt, gehalten und Marktanteile gesichert werden können.
Kunden sind in Bewegung
Bankkunden recherchieren und agieren online
Eine Studie von Postbank und Google hat ergeben, dass sich bereits 89 Prozent (2013: 61 Prozent) der Bankkunden online über Finanzdienstleistungen informieren. Und bereits 30 Prozent aller Bankprodukte werden online gebucht, ohne Besuch in der Bankfiliale. Zudem vergleichen Bankkunden und sind sehr viel besser informiert als noch vor wenigen Jahren. Quelle: Customer Journey Banking, Google/Postbank
Was Bankkunden wichtig ist
Online-Banking, die Höhe der Bankgebühren und das Zinsniveau stehen an erster Stelle, Filialnetz und Öffnungszeiten rangieren weit hinten in der Wichtigkeit. 70 Prozent nerven sich über die Bankgebühren ihrer Hausbank, immerhin 21.4 Prozent haben aufgrund tiefer Zinsen und hoher Gebühren ihre Hausbank gewechselt. Dennoch bleibt die Kundentreue zur Hausbank hoch. Quelle: Umfrage Tages-Anzeiger (Februar 2017)
Die Bedeutung der Bankfilialen
Für 23.9 Prozent der Bankkunden liegt der Besuch einer Filiale ihrer Hausbank 6 Monate zurück, für 28 Prozent sogar länger als 1 Jahr. Bankfilialen bleiben aus verschiedenen Gründen wichtig, zumal zahlreiche Banken neue Typen von Filialen mit Beratung und digitalen Services testen. Dennoch nimmt die Bedeutung von Filialen laufend ab. Deshalb geht's nicht um ein möglichst dichtes und teures Netz konventioneller Filialen, mehr um die strategischen Fragen: Welche neuen Filialtypen in welchen Regionen schaffen Kupplungen zwischen Bank und Kunden? Quelle: Umfrage Tages-Anzeiger (Februar 2017)
Fazit
Die kurze Aufzählung lässt sich beliebig erweitern: Entwicklungen und Nutzungsgewohnheiten in den Bereichen Banking, Zahlungsverhalten, Finanzierung, Anlegen, Vermögensverwaltung, Personal Finance Management und mehr, über die wir laufend berichten. Die Erkenntnisse zeigen konsequent in dieselbe Richtung: Bankkunden werden digitaler, anspruchsvoller, kritischer, vergleichen besser und werden von einer wachsenden Zahl von Mitanbietern umworben, die mit neuen Tools und digitalen Finanzdienstleistungen operieren. Dennoch ist die Treue zur Hausbank weiterhin eher hoch. Und der Mix bleibt wichtig: Mit der richtigen Mischung von analogen und digitalen Dienstleistungen sind Kunden auch weiterhin zu überzeugen.
Märkte sind in Bewegung
Post: Bareinzahlungen an der Haustüre
Ab 1. September 2017 sind Bareinzahlungen an der eigenen Haustüre möglich. Der Postbote nimmt das Geld entgegen, in allen Ortschaften, die ausschliesslich über Partnerfilialen verfügen.
LeShop: In-Car-Delivery
Zusammen mit Volvo und der Post lanciert LeShop (Migros) eine neue Form der Lieferung: Online aus dem Migros-Sortiment bestellen, LeShop liefert direkt in den Kofferraum (Volvo), wo immer auch der Wagen parkiert ist. Der Postkurier ortet den Wagen durch Geolokalisierung, liefert die Bestellung und öffnet den Kofferraum über einen einmaligen digitalen Schlüssel, der nach der Auslieferung verfällt.
Taxi Suisse: Taxi-App "go!"
Bis vor kurzem haben sich Taxiunternehmen und Verbände darauf beschränkt, über Uber zu lamentieren und zu klagen, nun folgen Taten: mit der neuen Taxi-App "go!" geben Verband und Unternehmen Uber kräftig Gegenwind. Die App der Schweizer Taxi-Unternehmen braucht in Sachen Funktionen, Komfort und Einfachheit den Vergleich mit der Uber-App nicht zu scheuen, Knackpunkt bleiben die Preisunterschiede.
Open Banking
Open Banking ist schon da und kommt mit der Umsetzung der PSD2 (ab 2018) noch sehr viel stärker in Europa. Neue digitale Finanzdienstleistungen von Banken und von Drittanbietern werden die laufende Entwicklung beschleunigen, Verhalten und Nutzungsgewohnheiten von Kunden werden sich ändern.
Fazit
Die kurze und erweiterbare Liste der Beispiele zeigt: Analoge, digitale und gemischte Formen von Dienstleistungen nehmen laufend zu. Nicht nur im Bereich der Finanzdienstleistungen, in allen Branchen und Bereichen. Das führt dazu, dass sich Kunden schneller an neue Services und Formen der Nutzung gewöhnen werden. Ganz allgemein und deshalb auch in den Bereichen von Banking, Zahlungsverkehr, Finanzierung und Anlagen. Genutzt wird, was einem nützt und neuen Komfort bringt. Jede innovative Branche und jede neue Serviceleistungen beschleunigt die Entwicklung in den jeweils anderen Lebens- und Geschäftsbereichen. Weil Nutzer und Kunden ihre Gewohnheiten und Präferenzen laufend nach neuen und verfügbaren Angeboten ausrichten werden.
Banken sind in Bewegung
Im Umfeld von Blockchain, Digital Identity, Chatbots, Mobile Payments und digitalen Services sind zahlreiche Schweizer Banken engagiert und aktiv unterwegs. Grossbanken, mittlere und kleinere Banken überprüfen ihre Geschäftsmodelle und stellen neue Leistungen und Services in den Markt. Das ist zentral wichtig, weil die nächsten Monate und Jahre zeigen werden, welche Banken als Innovatoren, Follower, als "Zulieferer" oder gar nicht agieren.
Fazit
Im Moment haben innovative und aktive Banken sehr gute Karten, weil Kunden neuen Anbietern und FinTechs noch mit einer gewissen Zurückhaltung begegnen. Haben User für bestimmte Services die Wahl zwischen ihrer Bank und einem FinTech, werden sie einen vergleichbaren Service bei ihrer Bank nutzen. Eine Bereitschaft, die mit zunehmender Breite der Anbieter und Angebote tendenziell abnehmen wird. Heute und morgen allerdings noch nicht. Darin liegen enorme Chancen für innovative Finanzinstitute. Nicht zuletzt und einmal mehr über Kooperationen mit FinTechs, die oftmals das bieten, was Banken fehlt. Und Banken haben das, was FinTechs nicht ohne Weiteres erreichen können: eine starke Kundenbasis und das Vertrauen ihrer Kunden.
Wer die Segel richtig setzt, fährt mit Rückwind
Im Umfeld der generellen Entwicklungen gehören Zeit und Schnelligkeit zu den kritischen Faktoren. Zumal die Grenzen sich verwischen, zumindest an Trennschärfe verlieren werden. Banken gehören heute zu den grössten, kleinere Banken oftmals sogar zu den innovativsten FinTechs. Startups und neue FinTechs werden zu Banken, über die neue FinTech-Lizenz, über die Kooperation mit mit einem Anbieter von White Label Banking oder über die Nutzung von Banking Services (Banking as a Service) in Zusammenarbeit mit entsprechenden Dienstleistern.
Risiken liegen zudem in den möglichen Rollen der grossen Technologie-Unternehmen, welche in den Bereichen Zahlungsabwicklung und Zahlungsverkehr schon längst aktiv sind. Der Weg zu erweiterten Finanzdienstleistungen ist nicht weit, strategisch folgerichtig und in Ansätzen bereits erkennbar. Apple, Amazon, eBay, Google, Ant Financial Services, PayPal und andere Giganten werden nicht über Nacht zu Schweizer Banken – möglicherweise jedoch zu internationalen Anbieter von Finanzdienstleistungen, die in jedem Land Terrain besetzen.
Mit allen Fragezeichen und Unsicherheiten: Wer heute die Segel richtig setzt, steht nicht im Gegenwind. Und mit intelligent genutztem Rückenwind, angepassten Geschäftsmodellen, klug platzierten Angeboten und smart inszenierten Leistungen bleiben Märkte und Kunden erreichbar, ansprechbar und sind auch zu überzeugen. Weil sich eines nicht ändern wird: Was konkreten Nutzen bringt, neuen Komfort schafft und damit das private oder geschäftliche Leben einfacher macht, das kommt an und wird genutzt. Das bleibt auch dann so, wenn die Gewässer für alle Beteiligten etwas unruhiger werden.
Stichworte zum Thema im Lexikon: Open Banking | White Label Banking | Banking as a Service