Fünf Fragen an Hakan Eroglu zu PSD2 und Open Banking

Hakan Eroglu, Accenture
Bild: Hakan Eroglu, Accenture

Wie sehen Branchenexperten die Auswirkungen der PSD2 und die Bedeutung von Open Banking für die Schweiz? Heute: Hakan Eroglu, Senior Manager und Experte für Zahlungsverkehr, PSD2/API Banking und Digitale Ökosysteme bei Accenture.

Die PSD2 bewegt Europa und Open Banking schafft neue Spielregeln. Auch in der Schweiz? Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) hat ihre Haltung gefunden, definiert und kürzlich mit einem Positionspapier konkret Stellung bezogen. Unsere Redaktion nimmt aktuell den Puls der Branche – wir haben Experten aus verschiedenen Lagern um ihre Meinung zum Thema gebeten.

Exponenten aus dem Umfeld von Banken, FinTechs, Verbänden, Beratung, Medien und Recht nehmen Stellung. Ihre Statements bringen wir laufend in unserer Serie:

Fokus Schweiz | Meinungen zur PSD2 und zu Open Banking

Fünf Fragen an Hakan Eroglu von Accenture

Welche Auswirkungen hat nach Ihrer Betrachtung die EU-Regulierung PSD2 für die Schweiz?

Die PSD2-Regulierung in der EU hat zunächst natürlich keine rechtlichen Auswirkungen auf die Schweiz. Auch wenn Banken hierzulande nicht automatisch verpflichtet sind, Drittanbietern Schnittstellen (APIs) kosten- und diskriminierungsfrei zur Verfügung zu stellen, sehen wir dennoch einen mittelbaren Effekt. Da alle EU-Staaten rund um die Eidgenossenschaft voraussichtlich spätestens bis Mitte 2019 weitestgehend standardisierte APIs zur Verfügung stellen, wird ein pan-europäisches, digitales Ökosystem geschaffen.

Schweizer Banken und Drittanbieter (zum Beispiel Anbieter für Firmenkundensoftware) werden sich proaktiv Gedanken über eigene Open Banking-Konzepte mit API-Standardisierungen machen. Hier gibt es bereits heute gute und ausbaufähige Ansätze sowie Initiativen, die ganz ohne Regulierung möglich sind.
 

Welche Bedeutung messen Sie Open Banking für den Finanzplatz Schweiz zu?

Die Schweizer Banken haben bereits im Zuge gemeinsamer Initiativen Produkte wie TWINT und E-Rechnung auf den Markt gebracht. Mit Open Banking wird die Innovationsgeschwindigkeit weiter steigen, insbesondere mit Blick auf Ökosystem-Lösungen zwischen Banken und Drittanbietern. In Zukunft werden Banken kostengünstiger und schneller mit Drittanbietern kooperieren, sinnvolle Angebote für Kunden entwickeln und damit letztlich auch neue Ertragsfelder erschliessen. Insofern werden wir im Open Banking künftig weit mehr gemeinsame Anstrengungen der verschiedenen Marktteilnehmer sehen, wie zum Beispiel die Etablierung von API-Standards für bestimmte Anwendungsbereiche.
 

Die SBVg bezieht Stellung und lehnt eine PSD2-analoge Regulierung für die Schweiz ab. Welche Signale werden dadurch gesetzt? Ist das ein Vorteil, ein Nachteil oder bleibt eine fehlende PSD2-analoge Regulierung ohne Auswirkungen für die Schweiz?

Die kritische Haltung zur PSD2 oder die Ablehnung einer analogen Regulierung muss nicht automatisch einen Nachteil für die Entwicklung von Open Banking in der Schweiz bedeuten. Wenn Open Banking vom Finanzplatz proaktiv als Geschäftsmodell verstanden wird und eine sichere Lösung für die Kunden zur Verfügung gestellt werden kann, ist das Anreiz für die Branche genug. Insofern kann man das Papier auch als Anstoss verstehen, bestehende Ansätze weiterzuentwickeln und eine eigene Lösung für den Schweizer Finanzplatz zu entwickeln.
 

Wird die PSD2 in ihren Auswirkungen generell überbewertet oder ist es tatsächlich eine umwälzende Neuerung?

Das Inkrafttreten der PSD2 zum 13. Januar 2018 und Bereitstellung der PSD2-APIs ab Mitte 2019 (Ratifizierung der RTS vorausgesetzt) wird das Geschäft der in der EU tätigen Banken und die Kundeninteraktion signifikant verändern. Immer mehr Drittanbieter aus dem Lager der grossen Technologieunternehmen und Fintechs werden versuchen, kundennahe Teile der Wertschöpfungskette zu erobern. Mit ihrer innovativeren und richtungsweisenden Customer Experience stehen ihre Chancen dabei nicht schlecht. Banken könnten nicht nur den direkten Kontakt, sondern auch den Exklusivzugriff auf Kundendaten und mittelfristig die gesamte Kundenbeziehung an Drittanbieter verlieren.

Die PSD2 kann als Türöffner für Open Banking-Geschäftsmodelle betrachtet werden. Anwendungsfälle gehen dabei über das Auslösen von Zahlungen oder die Abfrage von Kontoinformationen weit hinaus. Insofern können EU-Banken die PSD2 durchaus nutzen, um APIs zu monetarisieren und sogar als aktiver Drittanbieter innovativer Lösungen am Markt auftreten. Denkbar sind beispielsweise Lösungen mit integrierten biometrischen Authentifizierungsmethoden. Diese sorgen nicht nur für mehr Differenzierung im Wettbewerb, sondern auch für ein besseres Kundenerlebnis im Zahlungsverkehr.
 

Welche Rolle wird Open Banking in fünf Jahren in Europa im Allgemeinen und in der Schweiz im Besonderen spielen?

In Europa wird Open Banking aufgrund der beiden Regulierungsregime PSD2 (EU) und CMA (UK) eine wichtige Rolle für vernetzte und integrierte Finanzdienstleistungen spielen.

Die Schweizer Marktteilnehmer könnten bis dahin eine eigene Antwort auf Open Banking ohne Regulierung entwickelt haben, die den Kundenwünschen nach innovativen Bankprodukten gerecht wird.
 

Was wir nicht gefragt haben, was jedoch Ihrer Meinung nach zum Thema PSD2 oder Open Banking unbedingt gesagt gehört:

Für den Finanzplatz Schweiz birgt Open Banking eine enorme Chance. Finanzdienstleister können ganz ohne regulatorischen Druck von den EU-Instituten lernen und von deren Erfahrungen profitieren – sei es durch die Marktentwicklung oder Standardisierungsinitiativen. Im Ergebnis werden wir Open Banking-Angebote sehen, die ganz auf die Bedürfnisse der Schweizer Kunden zugeschnitten sind.

Der Interviewpartner: Hakan Eroglu

Hakan Eroglu ist Experte für Zahlungsverkehr, PSD2/Open Banking und Digitale Ökosysteme bei Mastercard und leitet Open Banking global bei Mastercard Advisors. Er verfügt über langjährige Projekterfahrung insbesondere in den Bereichen Open Banking-Strategie, im Aufbau von API-Geschäftsmodellen sowie Mobil- und Internet-Bezahlverfahren in Europa, Lateinamerika und Asien. 

Hakan ist Mitglied des Berlin Group NextGenPSD2 Advisory Board, der Schweizerischen Kommission für Standardisierungen im Finanzbereich (SKSF), Open Banking Working Group der Euro Banking Association (EBA) und Autor von Positionspapieren, Artikeln sowie Vernehmlassungen und Konsultationen zu den Themen PSD2, Open Banking und FinTechs.