Die PSD2 bewegt Europa und Open Banking schafft neue Spielregeln. Auch in der Schweiz? Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) hat ihre Haltung gefunden, definiert und kürzlich mit einem Positionspapier konkret Stellung bezogen. Unsere Redaktion nimmt aktuell den Puls der Branche – wir haben Experten aus verschiedenen Lagern um ihre Meinung zum Thema gebeten.
Exponenten aus dem Umfeld von Banken, FinTechs, Verbänden, Beratung, Medien und Recht nehmen Stellung. Ihre Statements bringen wir laufend in unserer Serie:
Fokus Schweiz | Meinungen zur PSD2 und zu Open Banking
Fünf Fragen an das Team e-foresight, Swisscom Think Tank
Welche Auswirkungen hat nach Ihrer Betrachtung die EU-Regulierung PSD2 für die Schweiz?
Schweizerische Banken sollten sich, unabhängig davon, ob eine solche Regulation auch in der Schweiz eingeführt wird, mit dem Thema Open Banking und den strategischen Rollen in einer "PSD2-Welt" auseinandersetzen und haben nun die Chance, von den europäischen Banken zu lernen.
Man kann davon ausgehen, dass sich die Kundenerwartungen weiter nach oben entwickeln werden und sich dadurch von Seite der Kunden der Druck der Banken zu einer besseren User Experience verstärken wird.
Welche Bedeutung messen Sie Open Banking für den Finanzplatz Schweiz zu?
Wie die Überlegungen von einigen europäischen Banken zeigen, kann eine "PSD2-Welt" nicht nur als Gefahr, sondern auch als Chance begriffen werden. So können nicht nur Dritte, sondern auch Banken die Rolle eines Aggregators übernehmen – grosse Institute sind jedoch dabei auf Grund ihrer Umsetzungs-Ressourcen im Vorteil gegenüber kleineren Banken.
Der Druck der Kunden auf eine Öffnung der Schnittstellen wird sich aus Sicht von e-foresight weiter verstärken, insbesondere, falls PSD2 im europäischen Raum tatsächlich zu interessanten Lösungen führt.
Die SBVg bezieht Stellung und lehnt eine PSD2-analoge Regulierung für die Schweiz ab. Welche Signale werden dadurch gesetzt? Ist das ein Vorteil, ein Nachteil oder bleibt eine fehlende PSD2-analoge Regulierung ohne Auswirkungen für die Schweiz?
Die SBVg als Vertreterin der Schweizer Banken hat mit dieser Stellungnahme nun eine klare Position bezogen. Neben der nachvollziehbaren Kritik an der auch von europäischen Exponenten oft als chaotisch und übereilt beschriebenen Umsetzung der Richtlinie, weist die SBVg zu Recht auch auf die immer noch bestehenden Lücken von PSD2 und den EBA-Richtlinien im Bereich der technischen Umsetzung hin, welche momentan für sehr viel Unsicherheiten im Markt sorgen. Weitere Punkte in der Stellungnahme des SBVg sind ebenfalls nachvollziehbar.
So ist auch e-foresight der Meinung, dass PSD2, so wie es in Europa umgesetzt wird, die grossen Internetkonzerne mit ihrer bestehenden Reichweite sowie ihrer Erfahrung im Umgang mit Daten und User Experience an der Kundenschnittstelle bevorteilt. Dies im Kontrast zur eigentlichen Idee der Richtlinie, welche vor allem Startups einen einfacheren Eintritt in den Markt ermöglichen wollte. Es ist wahrscheinlich sinnvoll, dass eine klare Stellungnahme abgegeben wurde. Das Signal zeigt aber eine klare Abwehrhaltung und die Frage muss gestellt werden, ob man sich als Schweiz "einigeln" kann.
Die Sicherheit ist einer der grössten Assets des Finanzplatzes und sollte durch eine Öffnung auf keinen Fall aufs Spiel gesetzt werden. Standardisierte Schnittstellen haben jedoch den Vorteil, dass Umgehungen wie "Screen Scraping" unnötig werden und so die Sicherheit auch erhöht wird.
Wird die PSD2 in ihren Auswirkungen generell überbewertet oder ist es tatsächlich eine umwälzende Neuerung?
Wie gesagt, der Druck der Kunden auf eine Öffnung der Schnittstellen wird aus Sicht von e-foresight weiter zunehmen, vor allem im Zusammenhang mit neuen Lösungen, welche durch die PSD2 im europäischen Raum entstehen könnten.
Die Kunden sind sich zudem aus anderen Industrien (zum Beispiel von grossen Internetkonzernen und Tech-Unternehmen) eine gewisse User Experience gewohnt, welche sie vermehrt auch von Banken verlangen. Banken sollten sich deshalb an dieser "Best Practice" orientieren und die User Experience laufend verbessern. PSD2 wurde unter anderem deswegen eingeführt, weil Banken es in der Vergangenheit oft verpasst haben, genügend schnell Fortschritte in diesem Bereich zu machen.
Welche Rolle wird Open Banking in fünf Jahren in Europa im Allgemeinen und in der Schweiz im Besonderen spielen?
Falls Banken sich zu sehr abgrenzen und keine oder ungenügende Schnittstellen anbieten, besteht die Gefahr, dass sie als Partner in kommenden digitalen Ökosystemen immer unattraktiver werden. In diese Bresche würden dann vermehrt Neo-Banken oder Tech-Konzerne springen und die Banken verstärkt konkurrenzieren.
Was wir nicht gefragt haben, was jedoch Ihrer Meinung nach zum Thema PSD2 oder Open Banking unbedingt gesagt gehört:
Eine Innovationsförderung im Sinne einer Öffnung des Marktes für neue Akteure ist nicht per se negativ zu betrachten, sofern gewisse Rahmenbedingungen wie zum Beispiel gleiche Regeln und Anforderungen für alle Mitspieler sowie die Sicherstellung eines hohen Levels bei Datenschutz und Schutz des Kunden vor Missbrauch eingehalten werden.